Die Schutzrechte von Grundstückseigentümern, deren Nachbarn Gen-Saatgut ausbringen, bleiben erhalten. Dies entschied am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht, welches über eine Normenkontrollklage des Landes Sachsen-Anhalt zu befinden hatte. Nach der Entscheidung befindet sich das Gentechnik-Gesetz im Einklang mit dem Grundgesetz.
Mit der Begründung, dass das Gesetz gegen die Eigentümerrechte verstoße, hatte sich das Land Sachsen-Anhalt an das Bundesgericht gewandt.
Das neue Grundsatzurteil bestätigt nun, dass Landwirte weiterhin in vollem Umfang für Schäden haften müssen, wenn genverändertes Material in fremder Ernte gefunden wird und diese dadurch gar nicht oder nur noch zu geringerem Preis zu vermarkten ist. (Az.: 1 BvF 2/05).
Zur Begründung heißt es im Urteil (im Volltext nachzulesen hier): "Der Gesetzgeber verfolgt mit den angegriffenen Regelungen legitime Ziele des Gemeinwohls, bei deren Verwirklichung ihm gerade vor dem Hintergrund der breiten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte um den Einsatz von Gentechnik und eine angemessene staatliche Regulierung ein großzügiger Entscheidungsspielraum zugestanden werden muss.
Mit der Möglichkeit, gezielt Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, greift die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens ein. Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar. Angesichts eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft bei der Beurteilung der langfristigen Folgen eines Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber eine besondere Sorgfaltspflicht. Er muss bei der Rechtssetzung nicht nur die von der Nutzung der Gentechnik einerseits und deren Regulierung andererseits betroffenen, grundrechtlich geschützten Interessen in Ausgleich bringen, sondern hat gleichermaßen den in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag zu beachten, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. ..."
AbL: Bundesregierung muss Milliardensubventionen für Gentechnik stoppen!
"Das ist ein sehr erfreulicher Tag für Bauern und Verbraucher. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit seinem heutigen Urteil klare Maßstäbe für den Schutz einer gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung gesetzt", so Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. in einer ersten Reaktion auf das Urteil zum Gentechnikgesetz.
Graefe zu Baringdorf weiter: "Eine klare Abfuhr hat nicht nur die Landesregierung Sachsen-Anhalts bekommen, die die fortschrittlicheren Punkte des Gentechnikgesetzes kippen wollte. Die Klatsche trifft die Gentechnik-Industrie und deren Interessenvertreter bis hinein in die Bundesregierung wie etwa Bundesforschungsministerin Annette Schavan. Sie ist die Chef-Gentechnik-Vertreterin in der Bundesregierung, wie sich aktuell gerade darin zeigt, wie sie unter dem Deckmantel eines scheinbar wissenschaftlichen "Bioökonomierates" Steuergelder der Gentechnik zuschiebt.
2,4 Milliarden Euro sind dafür jüngst umverteilt und reserviert worden. Das muss gestoppt werden. Die Bäuerinnen und Bauern sowie die Verbraucher haben in großer Mehrheit längst entschieden: Bleibt uns vom Acker mit der Gentechnik! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist starker Rückenwind für die gentechnikfreie Bewegung und die vielen gentechnikfreien Regionen."
Die Klage der Landesregierung Sachsen-Anhalt hatte u.a. zum Ziel, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu verschleiern und von der Haftung für Schäden durch Kontaminationen in der Nachbarschaft, der Lebensmittelkette und der Natur zu befreien. Die Standorte des Gentechnikanbaus sollten geheim gehalten werden, die Haftungsregeln über eintretende Schäden durch den Einsatz von Gentechnik noch stärker abgeschwächt und damit die Tür für die systematische Verunreinigungsstrategie der Gentechnikkonzerne weit geöffnet werden. Dieser Absicht haben die Richter des Ersten Senats einen deutlichen Riegel vorgeschoben.
Die AbL fordert die Bundesregierung bei ihrer geplanten Reform des Gentechnikgesetzes nach diesem Karlsruher Urteil auf, dem Vorsorgeprinzip zum Schutz der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft endlich gerecht zu werden und die gesamte Kette vom Anbau, Ernte bis zum Endprodukt sicher und ohne Kompromisse vor Verunreinigungen zu schützen. Bei auftretenden Verunreinigungen muss für alle eintretenden Schäden gehaftet werden. Derzeit werden der gentechnikfreien Lebensmittelerzeugung von der Saatgutzüchtung bis zum Lebensmittelverarbeiter einseitig die Risiken und die Folgekosten der Agro-Gentechnik aufgebürdet. Diese müssen endlich von den Nutzern der Gentechnik und Verursachern getragen werden.
LINKE: Gentechnik raus aus der Landwirtschaft
DIE LINKE im Landtag hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts begrüßt, worin das Gentechnikgesetz bestätigt wird. Marianne König, die agrarpolitische Sprecherin der Fraktion, sagte: "Damit sind die Forderungen der Gentechnikbefürworter vom Tisch, ein durchschaubares Standortregister und das Verursacherprinzip abzuschaffen". Dennoch reiche das bestehende Gentechnikgesetz nicht aus, um Mensch und Umwelt zu schützen, so König: "Es kann keine 'friedliche Koexistenz' zwischen transgenen und natürlichen Pflanzen geben; deshalb muss die Gentechnik weg aus der Landwirtschaft."
König forderte die Landesregierung auf, dem Beispiel Thüringens zu folgen und Niedersachsen zur gentechnikfreien Region zu erklären. Thüringen war gestern als erstes deutsches Bundesland dem Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen beigetreten. "Was Thüringen unter der Führung einer schwarzen Ministerpräsidentin kann, müsste doch auch für Niedersachsen möglich sein - da muss sich David McAllister mal nur mal ins Zeug legen". Einen entsprechenden Antrag wird DIE LINKE zum nächsten Plenum in den Landtag einbringen.
Foto: Timo Vogt / randbild: Mit einer Feldbesetzung hielten im Jahre 2008 Gentechnik-Gegner einen Landwirt in Laase vom Eindrillen von Gen-Saatgut ab. Statt dessen pflanzten sie Blumen und konventionelles Saatgut ein.