Hohen Besuch hatte das Wendland am Montag Nachmittag: In Gedelitz und Gorleben informierte sich Bischof Monsignore Jorge Herbas aus Aiquile/Bolivien als Vertreter der dortigen Bischofskonferenz über die Problematik des geplanten Endlagers in Gorleben.
Mit einer kleinen Delegation der Diözese Hildesheim, die seit 25 Jahren mit der bolivianischen Bischofskonferenz eine intensive Partnerschaft pflegt, macht der Bischof derzeit im Anschluss an die Einführung eines Weihbischofs in Hildesheim eine kleine Rundreise durch Norddeutschland, um sich hierzulande über ökologische Projekte zu informieren.
Michael Czech, bei der Diözese in Hildesheim Koordinator für Teilnehmer, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr im Ausland verbringen wollen, hatte den Besuch im Wendland arrangiert. Schon seit Jahren kennt er aus der kirchlichen Arbeit - und von Gorleben-Demonstrationen - Marianne Fritzen. Schnell war der Besuch verabredet.
Zwar wird in Bolivien kein einziges Atomkraftwerk betrieben, aber dennoch: radioaktive Abfälle aus Forschung und Medizin fallen auch dort an, so dass das Land sich mittelfristig mit der Frage der sicheren Lagerung beschäftigen muss.
Und da die deutsche katholische Kirche im Rahmen ihres großen Themas „Bewahrung der Schöpfung“ seit einiger Zeit auch klare Positionen gegen die aktuelle Atompolitik bezogen hat, wird das Thema innerhalb der Kirche inzwischen auch mit den bolivianischen Partnern diskutiert.
Die Zeiten haben sich geändert
Die Frage, warum die (deutsche) katholische Kirche so lange brauchte, bevor sie sich zu eindeutigen Positionen in Sachen Atomkraft durchringen konnte, blieb während des Gesprächs ungeklärt. Aber erleichtert ist Michael Czech, dass die Zeiten vorbei sind, in denen er mit Mitgliedern der Katholischen Jugend nur unerkannt an Protestaktionen teilnehmen konnte. „Dabei waren wir von Anfang an dabei. Nur wir durften uns nicht offen zeigen. Hätten wir damals die Fahne der Katholischen Jugend öffentlich auf den Demonstrationen mitgetragen, so wären wir vermutlich aus der Kirche ausgeschlossen worden“, wusste Czech zu erzählen. „Doch das ist heute glücklicherweise anders.“
Zwar ist die Umweltschutz-Bewegung in Bolivien noch klein und hauptsächlich auf die Städte beschränkt, aber Monsignore Herbas berichtete, dass das Land mit schweren Umweltproblemen zu kämpfen hat. Dort sind es hauptsächlich die Wasserverschmutzung und die Folgen des Erzabbaus, die Gesundheit und Land beeinträchtigen. Deswegen interessiert sich der Bischof hierzulande vor allem für Erneuerbare-Energien- und Klimaprojekte, die für sein Land womöglich übertragbar sein könnten.
Demnächst wird voraussichtlich ein weiteres großes Thema das Land beschäftigen: in Bolivien werden die weltweit größten Vorkommen an Lithium vermutet – ein Rohstoff, der vor allem für die Batterieherstellung wichtig ist. Welche Folgen ein womöglicher Abbau und die nachfolgende Aufbereitung für Mensch und Umwelt haben wird – das ist schon heute Thema der Umweltschützer.
Wendländischer Widerstand - eine große Leistung
Nach einem fast zweistündigen Gespräch mit Marianne Fritzen über Geschichte und Grund des langjährigen Gorleben-Widerstandes zeigte sich der Bischof schwer beeindruckt: „Dass so viele Menschen so lange hier Widerstand leisten, das ist eine große Leistung,“ so Monsignore Herbas. Vor allem Marianne Fritzen imponierte ihm dabei, „die ihr Leben so einer Angelegenheit“ widmet.
In seinem Land haben die Menschen derzeit neben den Umweltproblemen vor allem damit zu kämpfen, dass ihre Lebensbedingungen nicht durchgängig gut sind. Die meisten der Bolivianer leben in Armut, das Durchschnittsalter im Land beträgt 50 – 60 Jahre. Ein 88-jähriger gilt dort schon als Seltenheit.
„Das liegt zwar auch an der Umweltverschmutzung“, so Monsignore Herbas. „Aber vor allem daran, dass die Menschen von der schweren Arbeit auf den Feldern und der schlechten Ernährung ausgelaugt sind.“ Denn die Böden in dem Land sind der unterschiedlichen Höhenlage entsprechend von höchst unterschiedlicher Qualität.
Übrigens: am 27. März wird der „ökumenische Kreuzweg für die Schöpfung“ auch das Wendland erreichen, bevor das mitgeführte Kreuz dann im Frühsommer fest vor dem Gelände des maroden Atommülllagers ASSE II installiert wird. „Auf dem Gedenkkreuz wird dann auch Gorleben als ein Ort der Mahnung aufgeführt werden“, so Michael Czech.
Foto: Angelika Blank / Marianne Fritzen (li.) zeigte Monsignore Herbas und seinen Begleitern auch das Erkundungsbergwerk in Gorleben