Nach Auswertung von über 12.000 Seiten an Behördendokumenten hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace Akten ins Netz gestellt, die belegen, dass die Wahl Gorlebens als Endlagerstandort in den Jahren 1976/77 nicht Ergebnis eines wissenschaftlichen Auswahlverfahrens war.
Die Benennung Gorlebens zum Standort für ein Nukleares Entsorgungszentrum (NEZ) erfolgte 1977 aus politischen Gründen innerhalb weniger Wochen. Das zeigen Originaldokumente, die Greenpeace ab heute in einer umfangreichen Online-Datenbank der Öffentlichkeit Schritt für Schritt zur Verfügung stellt. Mit Veröffentlichung der bislang unter Verschluss gehaltenen Akten der Niedersächsischen Staatskanzlei, der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sowie des Niedersächsischen Umweltministeriums will Greenpeace jedem die Möglichkeit bieten, sich unabhängig von den Aussagen der Politik eine Meinung über den Verlauf der Standortentscheidung zu bilden. Unter anderem belegen die Unterlagen, dass Wassereinlagerungen im Salzstock Gorleben verschwiegen wurden, die zum Ausschluss des Standortes hätten führen müssen. Greenpeace fordert erneut, den Endlagerstandort Gorleben endgültig aufzugeben.
Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) kommentiert: "Das nenne ich Amtshilfe von unten und schafft die gebotene Transparenz. Es ist die notwendige Retourkutsche auf eine der ersten Handlungen des Bundesumweltministers, der kaum, dass er im Amt war, die Dokumente, die belegen, wie im Jahr 1983 Gorleben-Akten geschönt wurden, von der Homepage des BMU entfernen ließ."
Nach Angaben von Greenpeace wird belegt, dass in den 70er Jahren Gorleben nur deshalb gewählt wurde, weil für den Betrieb der Reaktoren dringlich ein Entsorgungsnachweis erbracht werden musste. "Hier liegt die Parallele zu heute, wenn Bundesumweltminister Röttgen an Gorleben festhält, will er suggerieren, dass ein Entsorgungsnachweis erbracht werde.
Denn er weiß, dass die mangelnde Akzeptanz der Atomkraft u.a. daran hängt, dass es weltweit keine Deponie für hochradioaktive Abfälle gibt", argumentiert die BI.
Die Datenbank mit den Gorleben-Akten findet sich hier.
UPDATE:
Auch für Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament und Mitbegründerin der Bürgerinitiative gegen das atomare Endlager Gorleben (1977) belegt das Aktenstudium erneut: "Willkür und Opportunismus haben 1977 zur Benennung von Gorleben als Endlagerstandort geführt", fasst Rebecca Harms die Erkenntnisse zusammen. Erschütternd sei, dass sich daran in den 33 Jahren, die seither vergangen sind, nichts geändert habe. Trotz der Erfahrung mit der Asse und dem größten anzunehmenden Unfall in einem Endlager für Atommüll, der sich dort schleichend ereignet habe, weigere sich die Mehrheit der deutschen Politik, Verantwortung zu übernehmen und für einen Neuanfang bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll zu sorgen.
"Es ist doch haarsträubend, dass erneut der zuständige Minister mehr Angst vor Konflikten mit den Atom- und Gorlebenanhängern in seiner Partei hat als davor, in Gorleben den gefährlichen Irrsinn der Siebziger Jahre fortzusetzen", meint Rebecca Harms. "Die Akten, aber auch die Kenntnisse über Salz, Gorleben und die Asse geben Norbert Röttgen alle Gründe zur Umkehr. Vernünftiges und verantwortliches Handeln heißt: Eine neue, wirklich ergebnisoffene, Suche nach einem Endlager muss sofort begonnen werden."
Foto: greenpeace
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