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Gorleben: Röttgens Charmeoffensive bleibt ohne Erfolg

Mit Schwiegermutter-Charme und ständig wiederholten Beteuerungen wie ernst er es meine, versuchte Bundesumweltminister Norbert Röttgen am Montag Vormittag zwei Stunden lang, Kreistagsabgeordnete und rund 500 Zuhörer davon zu überzeugen, dass sein "Gorleben-Dialog"-Angebot völlig neu und völlig glaubwürdig sei. Doch so recht mochte ihm niemand glauben ...

 

Die Gorleben-Gegner vor und im Saal des Veranstaltungsgebäudes in Hitzacker hatten zwar vom Minister nicht viel Anderes erwartet, hatte dieser doch erst vor knapp zwei Monaten seine Vorstellungen über einen "Gorleben-Dialog" bei einem Besuch im Endlager-Gelände kundgetan. Und eigentlich wollten sie diesen "Atomminister" ja auch ignorieren. Aber trotzdem hatten sich die Gorlebengegner entschieden, den Ministerbesuch mit ihrem Protest zu begleiten: rund 500 Demonstranten und ca. 80 Trecker blockierten zeitweise die Zufahrt zum VERDO in Hitzacker, wo die Kreistagssitzung statt fand.

Vielleicht hegte auch so manch Einer die leise Hoffnung, dass der Minister in eine inhaltliche Auseinandersetzung einsteigen würde. Statt dessen wiederholte Röttgen fast gebetsmühlenartig immer wieder, dass er zur "nationalen Verantwortung" stehe und den Bürgern "vollständige Ergebnisoffenheit und Transparenz garantiere."

„Wir haben eine nationale Verantwortung für den hier entstandenen radioaktiven Abfall“, so der Minister in seiner Rede. „Die die sagen, dass Gorleben nicht geeignet ist, haben jetzt im Gorleben-Dialog alle Chancen, den Beweis zu bringen. Dass dieses Verfahren vollständig ergebnisoffen geführt wird, das garantiere ich Ihnen .“

Vollständige Mitwirkung und -entscheidung für Bürger

Immer wieder von gellenden Pfiffen, Buhrufen und dem vielstimmigen Chor "Abschalten, Abschalten..." unterbrochen versuchte Röttgen seine Zuhörer davon zu überzeugen, dass er der erste Minister sei, der es mit Mitwirkung und -entscheidung ernst meine. Doch seine Worte kamen nicht an. Zu tief saß bei Abgeordneten wie Vertretern der verschiedenen Anti-Atom-Gruppen die bundes- und landespolitische Ignoranz der vergangenen 34 Jahre, in denen sie sich immer wieder nicht informiert, getäuscht und belogen gesehen hatten. Auch der rhetorische Trick von Röttgen, die "Erkundung habe ja das Ziel, die Nichteignung Gorlebens zu ermitteln", kam bei den Sonntagsreden gewohnten Wendländern nicht an.

Im Gegenteil: ob Landrat, Landwirt oder schlichter Bürger - nach über 34 Jahren Erfahrung mit allen möglichen Parteizusammensetzungen in der Bundesregierung und dem immer gleich bleibenden Tenor "Gorleben wird weiter erkundet" wollen die Bürger jetzt Fakten sehen. Auch das Angebot, dass in dem Begleitgremium zur Erkundung zu 50 % Bürger aus der Region vorgesehen seien, beeindruckte nicht. "Von diesen 50 % sind wiederum 50 % CDU-Vertreter, die den Standort Gorleben befürworten", machte Grünen-Abgeordneter Dieter Sauter deutlich.

Der Standort Gorleben soll aufgegeben und die weitere Produktion von Atommüll gestoppt werden. In diese Richtung geht auch Lüchow-Dannenbergs Landrat Jürgen Schulz. Auch er mochte auf einen Dialog zum Thema Gorleben zu den derzeitigen Bedingungen nicht einsteigen: "Ich kann mir Dialog nur vorstellen, wenn Sie nachweisen, dass die Standortbenennung 1977 unter fachlichen und sachlichen Kriterien die richtige Entscheidung war. Doch wenn Ihnen dieser Nachweis nicht möglich ist, dann sollten wir erkennen, dass wir auf das falsche Pferd gesetzt haben und Gorleben begraben", sagte er an die Adresse des Ministers gerichtet.

Kein Ehrenwort aber eine Garantie für vollständige Ergebnisoffenheit

Für die Versäumnisse der Vergangenheit machte Röttgen schlichtweg seine Vorgänger Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel verantwortlich, die vor der Verantwortung „geflohen“ seien. „Ich übernehme die Verantwortung, auch wenn wir es hier mit einem extrem schwierigen Thema zu tun haben,“ so Röttgen. „Nur in einem rechtsstaatlichen Verfahren können die offenen Fragen unter größtmöglicher Transparenz und Ergebnisoffenheit geklärt werden. Daran ist die Bevölkerung von Anfang beteiligt. Ich garantiere Ihnen absolute Ergebnisoffenheit. Dafür können Sie mich auch in Haftung nehmen.“

Mathias Edler, Atomexperte von Greenpeace, machte noch einmal sichtbar, wie absurd das bisherige "Beteiligungsverfahren" gelaufen war: "Es ist doch ein Unding, dass wir als außerparlamentarische Opposition nächtelang die Akten aus Ihrem Ministerium studieren müssen, um für Sie die Erkenntnisse aus über 30 Jahren zusammen zu tragen und zu veröffentlichen", empörte sich der Politologe in Hitzacker. "Das wäre die Aufgabe Ihres Hauses gewesen".

Schon allein wegen dieser nicht geleisteten Arbeit könne man den Worten des Ministers wenig Glauben schenken.

Und BI-Sprecher Wolfgang Ehmke wies darauf hin, wie oft die BI schon auf Unklarheiten, Ungereimtheiten und wissenschaftliche Erkenntnisse über die Nichteignung des Salzstocks hingewiesen habe, ohne dass diese aus dem Ministerium - welcher Parteifarbe auch immer - erkennbar zur Kenntnis genommen worden wären.

Dank an den Minister von der BI

Nur die CDU-Abgeordneten aus der Region bemühten sich eifrig, ihre Dialogbereitschaft zu betonen. Doch auch sie hatten Forderungen an den Minister. So soll die von Röttgen geplante Forschungs- und Informationsstelle im Landkreis angesiedelt. Und natürlich wünscht sich die CDU einen finanziellen Ausgleich schon in der Erkundungsphase.

Nach einem Ausflug in die Geschichte der Gorleben-Planungen bedankte sich Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz allerdings beim Minister: "Die Fortschreibung des veralteten Rahmenbetriebsplans, dessen "Lenkungswirkung" laut Klingner-Gutachten verbraucht ist, durch Sie, Herr Minister, ist ein Affront - und eine Steilvorlage für eine erfolgreiche Klage. Dafür danke!

Fortgeschrieben wird durch Sie auch der zutiefst undemokratische Ansatz, die formalrechtliche Mitwirkung zu verhindern. Das ist für uns ein Ausdruck institutioneller Gewalt! Wir sind stolz darauf, dass wir dieser Gewalt, vielfacher und zum Teil völlig unverhältnismäßiger polizeilicher Gewalt bei den ungezählten Demonstrationen und Aktionen in den 34 Jahren Widerstandsgeschichte, dem Verhöhnen und den Beschimpfungen - Innenminister Kanther nannte uns "dreckiges Pack" - nicht mit Gewalt, sondern mit unserem Lachen begegnet sind", so Ehmke, der auf der Kreistagssitzung als "Sachverständiger" sprechen durfte.

Aus den vorgenannten Gründen führe die BI nun den Dialog mit den Kräften, die "nach einem schwarz-gelben Zwischenspiel den Rückbau Gorlebens zu bewerkstelligen haben. Röttgens Bemühen gehe ins Leere, sei nur ein Wimpernschlag in der Geschichte, so Ehmke weiter.

Die Kreis-CDU und ihr Verständnis von gesellschaftspolitischer Verantwortung

Wie ernst die CDU-Abgeordneten des Landkreises Lüchow-Dannenberg ihre gesellschaftspolitische Verantwortung nehmen, die ihr Minister in der Sitzung so vielfach beschworen hatte, zeigte sich nach der Sitzungspause: von den siebzehn CDU-Abgeordneten war gerade mal ein einziger verblieben. Alle anderen hatten sich verabschiedet. Zwar der Geschäftsordnung gemäß ordentlich beim Vorsitzenden abgemeldet, blieb doch unklar, warum sie dem weiteren Sitzungsverlauf fern blieben.

Aus CDU-Kreisen war zu hören, dass die Sitzung doch so lang gewesen sei und Karin Bertholdes-Sandrock doch "so emotional engagiert" gewesen sei. Warum die anderen fünfzehn Abgeordneten dem weiteren Sitzungsverlauf fernblieben, blieb im Dunkeln.

In der Bürgerfragestunde brachte es eine Lüchow-Dannenbergerin angesichts der leeren Stühle auf den Punkt: "Das sind unsere gewählten Volksvertreter? Das kann doch wohl nicht wahr sein."

Der gesamte Verlauf des Röttgen-Besuchs lässt sich auf unserem Liveticker noch eine Zeitlang detailliert nachvollziehen.

Foto: Andreas Conradt / publixviewing.de / Schubkarrenweise hatten Gorlebengegner Lokalzeitungen vor das Sitzungsgebäude gefahren - damit wollten sie Minister Röttgen zeigen, wieviele Jahre schon wissenschaftliche Erkenntnisse, Unfälle und politische Mißstände rund um die Gorleben-Thematik bekannt sind.




2011-02-14 ; von asb (autor),

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