Thema: atompolitik

Gorleben: Wir sind keine Akzeptanzbeschaffer

Vor einigen Wochen legte das Ökoinstitut Darmstadt einen Vorschlag für "einen gehaltvollen Dialog" zwischen Bevölkerung und Bundesumweltministerium über die weiteren Schritte zur Einrichtung eines Endlagers vor. Asta von Oppen und Martin Donat, beide vor einigen Monaten aus den ministeriellen Gesprächsrunden ausgeschieden, begründen ihre Ablehnung der Vorschläge.

 

Hintergrund: Unter dem Stichwort „gläserne Erkundung„ erteilte das Bundesumweltministerium vor einiger Zeit dem Öko-Institut Darmstadt den Auftrag, zu untersuchen, wie der Dialog mit der Bevölkerung geführt werden könnte. Unter so hehren Formulierungen wie „Schlüsselmaßnahmen für einen gehaltvollen Dialog“ wird in dem Papier empfohlen, um „die Glaubwürdigkeit exemplarisch herzustellen", dass bereits heute parallel mit Gorleben Alternativkonzepte und Alternativstandorte geprüft werden.

Daneben sollen gezielte Maßnahmen für mehr Vertrauen in der Bevölkerung sorgen. Zunächst soll nach dem Papier eine Roadmap die Entscheidungsabläufe transparent machen, daneben soll eine "gehaltvolle Öffentlichkeitsbeteiligung" durchgeführt werden. Im nächsten Schritt soll diese Roadmap in Fachgremien "eingespeist" und mit der interessierten Öffentlichkeit und "Stakeholdern" diskutiert werden. Die Einrichtung einer Unabhängigen Nationalen Expertengruppen mit miltidisziplinärer Besetzung als Beratungsgremium soll das Endlager-Verfahren wissenschaftlich begleiten. Und: der Aufbau eines Kompetenzzentrums zur Gläsernen Erkundung in Niedersachsen soll "alle relevanten Gruppen" noch im Jahre 2010 in die Entscheidungsprozesse einbinden.

Darüber hinaus soll ein internationales Peer Review "eine intensive nationale Begleitung der Sicherheitsanalyse ergänzen.

Das gesamte Empfehlungspapier des Ökoinstituts Darmstadt findet sich hier.

wnet befragte Asta von Oppen und Martin Donat, die bis vor kurzem an den ministeriellen Gesprächsrunden teilnahmen zu ihrer Bewertung der Vorschläge.

wnet: Die Vorschläge für eine reelle Beteiligung der Öffentlichkeit klingen doch ganz vernünftig. Was ist dagegen einzuwenden?

Asta von Oppen: Vor dem Hintergrund der 33-jährigen Gorlebengeschichte und dem aktuellen Regierungshandeln ist das Papier eine Provokation. Die schwarz-gelbe Koalition und die Verursachern des Atommülls knüpfen nahtlos an den Gepflogenheiten des letzten Jahrhunderts an. Es werden Fakten geschaffen und mit Hilfe juristischer Winkelzüge gerade verhindert, dass der Bevölkerung vor Ort auch nur die minimalsten Beteiligungsrechte gewehrt werden.

Das Bemühen mit einem informellen Beteiligungsverfahren die Bevölkerung jetzt mit einzubeziehen kommt 33 Jahre zu spät. Im Zusammenhang mit dem Versuch in Gorleben ein Endlager zu „implementieren“ gibt es zahlreiche eklatante Fehlentwicklungen und Probleme. Einer davon ist die mangelnde Beteiligung, fehlende Transparenz und Akzeptanz vor Ort. Die Regierung ist bemüht mit einem Pseudo-Beteiligungsverfahren nachträglich diesen Mangel zu beheben und das Papier zeigt dafür Wege auf.

Die im mittleren Teil der Veröffentlichung gemachten Vorschläge, wie ein Beteiligungsverfahren ablaufen könnte, entsprechen internationalen Standards und könnten so nach einem Neuanfang in der Endlagerfrage umgesetzt werden. Die Autoren müssen sich aber die Frage gefallen lassen, warum sie auf die in ihren sonstigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen geforderten Grundvoraussetzungen und Rahmenbedingungen in einem Papier für eine schwarz-gelbe Regierung verzichten. Sie mahnen sie in komplizierten Konjunktivsätzen an, sie heben warnend den Finger, aber sie erwecken mit ihren konkreten Vorschlägen die Illusion, in Gorleben könnte mit Hilfe von Vermittlern, Bürgerteams und Informationsbüros die Akzeptanz für Gorleben verbessert werden. Für mich sind diese Wissenschaftler Akzeptanzbeschaffer.

Der Satz „Es gibt weltweit keine Endlager für Atommüll und in Deutschland ist auch keines in Sicht“ ist die Achillesverse der Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Atompolitik. Betreiber und Regierung möchten unbedingt den Eindruck erwecken, dass sie in Gorleben ergebnisoffen und mit Beteiligung der Bevölkerung in dieser Frage vorankommen. Die Umsetzung der Vorschläge in dem vorliegenden Papier würde zu ihrer vermeintlichen Seriosität beitragen.

Martin Donat: Ist die Grundannahme falsch, kann alles, was darauf aufbaut, nicht richtiger werden. Das Forum Endlagerdialog hat die Überzeugung vertreten, dass Entscheidungen zur Endlagerung im Dialog mit wichtigen Akteuren und der interessierten Öffentlichkeit getroffen werden sollen. Dies muss natürlich in besonderem Maße für zentrale Entscheidungen zutreffen. Die maßgeblichen Entscheidungen sind aber nun jenseits jeder Öffentlichkeitsbeteiligung in enger Abstimmung mit der Atomindustrie getroffen worden.

Hier ist die Forderung der Verfasser zutreffend, dass ein kriteriengestütztes bundesweites Standortauswahlverfahren unter frühzeitiger Einbindung unabhängiger Expertise und der der Zivilgesellschaft erforderlich gewesen wäre. Ohne diese unverzichtbare Grundvoraussetzung für ein sicherheitsorientiertes transparentes und faires Verfahren sind die aufgezählten Bruch- und Versatzstücke ihres eigentlichen Ziels beraubt.

Zu diesem Zeitpunkt noch von „frühen Stadien“ und „allen wichtigen Punkten“ zu reden, die „so früh wie möglich aufgegriffen und behandelt“ werden sollen, wirkt wie eine entrückte Wirklichkeitskonstruktion. Sie dient allein der Bemäntelung eines von Anfang an grundsätzlich untauglichen Verfahrens.

Genau einen solchen Schritt haben wir jetzt erwartet. Saubere Bürgerbüros, Hochglanzbroschüren und Fachvorträge bei Schnittchen und Kaffee, allein zur Akzeptanzbeschaffung für ein inhaltlich billiges Verfahren. Von tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten und Klagerechten ist auch gar nicht die Rede, sondern von „professionellem Konfliktmanagement“. Die Bürger und Bürgerinnen in Lüchow- Dannenberg brauchen aber gar keine „Steigerung und Weiterentwicklung ihrer Kompetenz“. Sie brauchen formale Beteiligungsrechte und eine Regierung, die aus den Fehlern der Vergangenheit lernt und verantwortungsvoll handelt.

wnet: Gorleben ist noch nicht zu Ende erkundet. Wieso soll der Standort jetzt schon aus allen weiteren Endlager-Planungen herausgenommen werden?

Asta von Oppen: In dem Papier wird von einer „gläsernen Erkundung“ gesprochen. Soll die Operation am Papienten Gorleben jetzt ohne Narkose und mit Lifeübertragung für uns durchgeführt werden? In Gorleben weiter zu erkunden ist Geldverschwendung. Die geologischen Gegebenheiten sind so katastrophal, dass auch durch immer weiter abgesenkte Sicherheitsstandards und eine weitere Anpassung der Lagerkonzepte an den Salzstock dieser Standort nicht mehr zu retten ist.

Martin Donat: In Gorleben ist überhaupt gar nicht erkundet worden, in Gorleben wird – wider besseren Wissen - ein Endlager gebaut. Wie viel von der vollmundig verkündeten „Transparenz“ zu halten ist, wird alleine daran deutlich, wie staatliche Stellen mit Informationen in den beiden Untersuchungsausschüssen zu Niedersächsischen Endlagerprojekten umgehen. Nicht die Verantwortlichen, sondern Umweltverbänden, Zivilgesellschaft und Oppositionsparteien ist es zu verdanken, dass die Öffentlichkeit überhaupt über die ungeheuerlichen Vorgänge informiert wurde. Selbst bei offenkundig vorliegenden Beweisen wird jedoch die Sachlage einfach geleugnet.

Einen solchen Umgang kennen wir hier in Lüchow- Dannenberg seit 33 Jahren. Das in diesem Prozess verlorene Vertauen ist auch nicht mehr wieder herzustellen.

Die bislang vorliegenden Erkenntnisse über Gorleben reichen nicht nur aus, diesen Standort endgültig nicht mehr in Betracht zu ziehen, sie belegen auch, dass er von Anfang an gar nicht hätte in die Auswahl gelangen dürfen.

Wie nun jedoch Regierungsseitig mit diesen Erkenntnissen umgegangen wird, lässt tief blicken, was man sich unter „gläserner Erkundung“ so vorstellt.

Der Salzstock Gorleben- Rambow hat kein intaktes Deckgebirge, stattdessen aber Wassergängigkeiten und Frostrisse bis über den geplanten Einlagerungsbereich. Er wird stetig von oben abgelaugt, die Wässer korrespondieren mit den Grundwasserleitern. Unter dem Salzstock befindet sich Norddeutschlands größtes Erdgasvorkommen, über den Salzstock aber fließt Norddeutschlands größter Strom, die Elbe. Kein Land der Erde setzt mehr auf Salz als Endlagermedium, da neben „guten“ Eigenschaften eine Vielzahl von Problemen überwiegt. Allem voran ist hier zu nennen, was jedes Kind weiß: Salz ist wasserlöslich.

Was soll hier nun noch „zu Ende erkundet“ werden? Ob noch ein Wunder geschieht?

In Gorleben wird nicht erkundet. In Gorleben wird nach Art der Asse ein Endlager gebaut, vorbei an der Öffentlichkeitsbeteiligung des Atomrechts und sogar des aktuellen Bergrechts.

wnet: Wenn die Vorbedingungen (ernsthafte vergleichende Standortsuche, ggfls. auch ohne Gorleben) erfüllt sind, wie bewertet Ihr dann die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Beteiligung?

Asta von Oppen: Die in dem Papier vorgeschlagenen Schritte gehören zum größten Teil in ein ordentliches Planfeststellungsverfahren. Was sollen vorläufige Sicherheitsanlaysen und ein internationales Peer Review, die dann keinerlei juristische Konsequenzen haben? In einem Vorfeld rechtlich unverbindliche Einbindungsversuche zu machen und gleichzeitig ein Endlager weiterzubauen ist unredlich. Wir brauchen Konzepte, Gesetze und verbindliche Rechte.

Richtig ist die von den Autoren aufgestellte Forderung nach der sofortigen Einsetzung einer „Unabhängigen Nationalen Expertengruppe“ (UNEG)! Diese muss aber – anders als in ihrem Papier vorgeschlagen - unabhängig vom Bund, legislaturübergreifend und finanziell angemessen ausgestattet arbeiten.

Martin Donat: Es braucht einen mutigen verantwortungsvollen Neubeginn bei der Entsorgung in Deutschland. Dabei bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass es „Entsorgung“ nicht geben wird. Diese Hochrisikotechnologie des kalten Krieges wird uns auf ewig Sorgen bereiten. Es gibt kein sicheres Endlager.

Deshalb ist nicht nur frühzeitige qualifizierte Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich, sondern auch ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber, welches Konzept die Sicherheit der Bevölkerung und kommender Generationen überhaupt am ehesten zu gewährleisten vermag.

Von fähigen unabhängigen Wissenschaftlern erwarte ich, dass sie jenseits der Tagespolitik klare sachlich begründete Verfahrensvorschläge im Interesse der Menschen unterbreiten und nicht die Wünsche der Atomindustrie bunt ausmalen.

 

Asta von Oppen ist seit Jahrzehnten im Widerstand gegen die Atomanlagen in Gorleben aktiv. Sie ist Mitglied der Rechtshilfe Gorleben, der "Gartower Runde" und saß bis vor kurzem in den ministeriellen Gesprächsrunden über die weitere Zukunft Gorlebens.

Martin Donat gehört ebenfalls seit langen Jahren zum Gorleben-Widerstand. Heute ist er stellvertretender Landrat des Landkreises Lüchow-Dannenberg und ist ebenso wie Asta von Oppen vor einiger Zeit aus den offiziellen Gesprächsrunden ausgestiegen.

Foto: Asta von Oppen bei einer Podiumsdiskussion mit Michael Sailer, Experte des Ökoinstituts Darmstadt. Schon bei dieser Veranstaltung hatte es tiefgreifende Differenzen über den Umgang mit der weiteren Endlagersuche gegeben. (Angelika Blank)

Foto Martin Donat: Andreas Conradt/publixviewing.de - Martin Donat bei der Einweihung der Schutzhütte auf dem Salinas-Gelände in Gorleben




2010-10-31 ; von Angelika Blank (autor),

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