Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister hat heute Staatssekretär a.D. Gert Lindemann zum neuen Niedersächsischen Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung berufen, nachdem die bisherige Agrarministerin Astrid Grotelüschen ihren Rücktritt bekannt gegeben hatte.
Mit trockenen Worten und leicht stockend verlas Ministerpräsiedent David McAllister am Freitag Morgen die Erklärung von Astrid Grotelüschen zu ihrem Rücktritt vom Amt der Ministerin.
Ansonsten stellte McAllister hauptsächlich den neuen Agrarminister vor, den bisherigen Staatssekretärs Gert Lindemann (63). Dieser studierte nach Auskunft von McAllister zunächst Rechtswissenschaften in Freiburg, Oxford und Kiel und trat nach seinem 2. Staatsexamen 1977 in den Justizdienst des Landes Niedersachsen ein. Nach einer Tätigkeit als Persönlicher Referent des früheren Landwirtschaftsministers Gerd Glup und als Agrarreferent bei der Vertretung des Landes Niedersachsen in Bonn folgten Aufgaben als Referats- und Abteilungsleiter sowie von 2003 bis 2005 als Staatssekretär im Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium. In der Zeit von 2005 bis 2010 war Gert Lindemann Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Gert Lindemann ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und lebt in Hohenhameln (Landkreis Peine).
David McAllister: „Gert Lindemann bringt für die wichtige Aufgabe des Niedersächsischen Landwirtschaftsministers alle notwendigen Voraussetzungen und Qualifikationen mit. Er besitzt große berufliche Erfahrungen und ist fachlich unbestritten in einem hohen Maße kompetent. Er verfügt außerdem über zahlreiche wichtige politische Kontakte auf allen politischen Ebenen einschließlich des Bundes und der Europäischen Kommission."
Ministerpräsident David McAllister hat den Präsidenten des Niedersächsischen Landtages Hermann Dinkla gebeten, bei der nächsten Sitzung des Plenums am 19. Januar 2011 die Zustimmung des Landtages herbeizuführen und die Vereidigung des neuen Ministers vorzunehmen.
Zu dem von Ministerin Astrid Grotelüschen erklärten Rücktritt erklärte der Ministerpräsident: „Mit großem Respekt nehme ich die persönliche Entscheidung von Astrid Grotelüschen zur Kenntnis, vom Amt der Niedersächsischen Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung zurückzutreten.
Nach ihrer Tätigkeit als direkt gewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages hat sich Astrid Grotelüschen als Landesministerin mit einem großen persönlichen Einsatz für die Belange der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft eingesetzt. Dafür spreche ich ihr an dieser Stelle meinen besonderen Dank aus.
Astrid Grotelüschen zieht die Konsequenzen aus einer wochenlangen Debatte um ihre frühere berufliche Tätigkeit und die Arbeit der Firma ihres Ehemannes. Sie erklärt ihren Rücktritt auch deshalb, weil sie ihre Familie schützen und möglichen Schaden für das Ansehen des Agrarlandes Niedersachsen aufgrund der fortlaufenden Diskussionen abwenden möchte. Diese Entscheidung verdient meinen ausdrücklichen Respekt."
GRÜNE: Rausschmiss Grotelüschens „verspätete Zwangsläufigkeit“
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen Christian Meyer hat den Rausschmiss von Ministerin Grotelüschen als „verspätete Zwangsläufigkeit“ bezeichnet. „Eine Politikerin, die sich gegenüber Tierschutzverstößen ignorant verhält, als Lobbyistin der Massentierhaltung agiert und Lohndumping in der Fleischindustrie begünstigt, ist als Ministerin untragbar“, sagte der Grünen-Politiker am Freitag in Hannover. Die Regierungsfraktionen und Ministerpräsident McAllister seien zu lange als Verteidiger des personellen Missgriffs von Christian Wulff aufgetreten.
Meyer bezweifelt, dass mit dem heute vorgestellten Nachfolger tatsächlich auch die Hoffnung auf einen Politikwechsel hin zu mehr Verbraucher- und Tierschutz verbunden werden kann. Auch Lindemann stehe für die Industrialisierung der Landwirtschaft und für Gentechnik und gegen Ökolandbau und eine faire Milchpolitik. „Es sei daran erinnert: Lindemann wurde von Bundesministerin Aigner nicht wegen zu viel Eintreten für bäuerliche Strukturen und Verbraucherschutz, sondern wegen zu starker Vertretung der großen Agrarkonzerne und Massentierhalter entlassen. Er ist ein Mann der alten Schule!“, sagte der Grünen-Politiker.
Meyer: „Chancen für einen wirklichen Neuanfang im Sinne der Verbraucher, des Tierschutzes und der immer stärker werdenden Bürgerbewegung gegen tierquälerische Agrarfabriken wird es nicht geben, solange CDU und FDP die Regierung im Agrarland Niedersachsen stellen.“
DIE LINKE: Lindemann muss agrarpolitischen Kurswechsel einleiten
DIE LINKE im Landtag fordert von Niedersachsens neuem Landwirtschaftsminister Gerd Lindemann einen Kurswechsel in der Agrarpolitik. Lindemann müsse alles daran setzen, in Niedersachsen eine artgerechte, umweltverträgliche Tierhaltung zu etablieren, sagte Marianne König, die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion: "Lindemanns Vorgängerin Astrid Grotelüschen hat dem Tierschutz stets im Wege gestanden. Wir erwarten deshalb, dass die Probleme jetzt endlich angegangen werden". Auch Themen wie die Entwicklung der ländlichen Räume dürften nicht länger ein Schattendasein führen.
König sagte, mit Lindemann sei ein Politiker zum Landwirtschaftsminister ernannt worden, der über große Erfahrung verfüge und sich in seinem Fach sehr gut auskenne. Das sei aber noch lange keine Garantie für eine fortschrittliche Agrarpolitik im Interesse von Mensch, Tier und Umwelt. König: "Gleich zu Beginn seiner Amtszeit wird der neue Minister im Landtag Farbe bekennen müssen: DIE LINKE hat einen Antrag zum Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft eingebracht, und ich bin jetzt schon gespannt, wie sich Herr Lindemann dazu positionieren wird".
AbL: Mc Allister und Lindemann – neuer Kurs oder nur Kosmetik?
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) appelliert an Niedersachsens Ministerpäsidenten Mc Allister, die Ablösung von Agrarministerin Grotelüschen nun auch mit einer deutlichen Abkehr von der Agrarindustrie zu verbinden. „Neben einem Personal- ist auch ein Politik-Wechsel angesagt – zugunsten mittelständischer bäuerlicher Betriebe, ohne Einsatz von Gentechnik, mit artgerechter Tierhaltung und mit mehr regionaler Vermarktung“, so AbL-Sprecher Eckehard Niemann.
Auf den Nachfolger Grotelüschens werde die AbL vorurteilsfrei zugehen. Gert Lindemann komme anders als seine Vorgängerin nicht direkt aus der Geflügel- und Agrarindustrie-Lobby. Er sei der AbL als versierter agrarpolitischer Taktiker bekannt, der Land und Agrarministerium aus seiner früheren Tätigkeit als Ministerialbeamter genau kenne. Dabei habe Lindemann allerdings als „graue Eminenz“ den agrar-politischen Kurs des „Anheizens von verschärftem Strukturwandel und Agrarindustrialisierung zugunsten von Großagrariern“ maßgeblich mit bestimmt. Auch als Staatssekretär im Bundesagrarministerium habe Lindemann diesen Kurs im Interesse der niedersächsischen Bauernverbands-Spitze weiter verfolgt – bis ihn CSU-Agrarministerin Aigner unter dem Druck bäuerlicher süddeutscher Wähler deshalb schließlich entlassen musste.
Es komme nun auf den agrarpolitischen Kurs von Ministerpräsident Mc Allister an. Leider sei damit zu rechnen, dass die Landesregierung nach kurzer Schamfrist die enge Liaison mit der Agrarindustrie und der mit ihr eng liierten Bauernverbands-Führung fortführen werde: mit einer systematischen Überproduktion von Agrargütern, einer zweifelhaften „Exportoffensive“ zugunsten großer Schlachterei- und Molkereikonzerne, zu Lasten gedrückter Erzeugerpreise hierzulande und ruinierter Landwirte in den Hungerländern. Auch die Ausrichtung der schwarz-gelben Landesregierung auf Massentierhaltung, Qualzucht und Gentechnik schade den Bauern, dem ländlichen Raum, der Umwelt, den Verbrauchern und den Tieren.
„Alle Politiker und Parteien sind gut beraten“, so Niemann, „die wachsende gesellschaftliche Bewegung von immer mehr Bürgern, Bauern und Wählern gegen eine solche Agrarpolitik ernst zu nehmen.“ Niedersachsen müsse sich im Bundesrat für einen Gentechnik-Stopp, für mehr Rechte für Milchbauern und für eine sozial- und umweltverträgliche EU-Agrarpolitik zugunsten von Bauern statt von Großagrariern einsetzen. Die Landesregierung müsse die vom Landkreis Emsland und anderen Landkreisen eingeforderten Keim- und Brandschutzgutachten für Großmastanlagen nun endlich auch landesweit vorschreiben und bis zu deren Vorlage einen Genehmigungsstopp zu verhängen. Die angekündigte „Tierschutzoffensive“ dürfe nicht Kosmetik bleiben, sondern müsse eine artgerechte Haltung auf bäuerlichen und ökologischen Höfen durchsetzen.
Foto: Ex-Ministerin Astrid Grotelüschen bei ihrem einzigen öffentlichen Besuch in Lüchow-Dannenberg anläßlich der Preisverleihung Bioenergiedorf 2010