Thema: elbe

Grüne Elbe-Tour: Von der Rest- zur Pionierstrecke

Mit einer grünen Elbe-Tour werben dieser Tage Ex-Umweltminister Jürgen Trittin und die umweltpolitische Sprecherin Dorothea Steiner für eine moderne Flusspolitik. Am Mittwoch machten sie Stopp in Hitzacker und erläuterten dort, was sie mit „modern“ meinen.

 

„Erst spät ist mir bewusst geworden, welch einzigartigen Naturraum wir mit den hellen Sandstränden der Elbe vor unserer Haustür haben“, so wie Dorothea Steiner mag es vielen gehen, die die Elbe als reine Schifffahrtstraße betrachten.

Andere, die tagtäglich mit der Elbe leben, mögen vielleicht vergessen haben, welches Kleinod durch ihre Region fließt. Doch gerade der weiße Sand der Elbe, welcher ihr ihren Namen gab (Alba, die Weiße), ist mit ein Grund, weswegen Naturschützer und auch seit Jahren Bündnis 90/Grüne eine Intensivierung des Güterverkehrs auf der Elbe für „ökonomischen Schwachsinn“ halten.

Bereits am Montag waren Dorothea Steiner, Ex-Umweltminister Jürgen Trittin und wechselnde Abgeordnete von Bündnis 90/Grüne zu ihrer Fahrradtour längs der Elbe gestartet, die sie bis nach Barby führt. Bis Samstag werden die Abgeordneten Hochwasserschutzanlagen, Trogbrücken und ein Schiffshebewerk besichtigen, sich durch Naturschutzgebiete und Rückverlegungsprojekte führen lassen - immer mit der Fragestellung im Kopf, wo die Zukunft der Elbe liegt. So werden sie zum Beispiel am Freitag in Magdeburg Wirtschaftliche Alternativen zur Binnenschifffahrt vorstellen.

Die Elbe - letzter naturnaher Strom Europas

Ernst-Paul Dörfler, BUND-Elbeexperte, begleitet die Tour von Geesthacht bis Barby. „Noch ist die Elbe nicht verbaut und verengt wie z.b. der Rhein. Aber wir dürfen nicht vergessen: dies ist einer der letzten naturnahen Flüsse in ganz Europa. Ausserdem ist die Elbe ein Niedrigwasserfluss und für den geforderten ganzjährigen Güterverkehr völlig ungeeignet.“

Nach Dörfler liegt das Potenzial der Elbe keinesfalls im Wirtschaftssektor, sondern in ihrem Naturwert und damit ihrer Bedeutung für den Tourismus. „In den vergangenen Jahrzehnten wurden insgesamt 40 Mrd. Euro für den Elbausbau ausgegeben. Trotzdem müssen wir feststellen, dass die Verkehrsverlagerung auf die Elbe nicht stattgefunden hat“, so Dörfler. „Im Gegenteil lagen die Schiffstransporte auf der Elbe noch bei 9,5 % aller Transporte auf dem Wasserwege, so sind es heute gerade einmal 0,5 %, die noch über die Elbe gehen.“

Jürgen Trittin ergänzte: „Über 80 % des Binnenschiffsverkehrs geht über den Rhein. Grundsätzlich bin ich auch der Meinung, dass Ökologie und Ökonomie gegeneinander abgewogen werden sollten, doch in Sachen Elbvertiefung – wir reden hier über die sogenannte Reststrecke zwischen Dömitz und Hitzacker – gibt es nichts abzuwägen. Hier gibt es nicht einmal einen Zielkonflikt.“

Und stets wandern die Dünen ...

Denn durch die ständigen Wanderbewegungen der unter Wasser entlang laufenden Sanddünen verändert sich die Wassertiefe in der Fahrrinne ständig, erläuterten die Experten und Politiker. Einmal wöchentlich muss daher das Wasserschifffahrtsverwaltung die Fahrrinne neu vermessen und die Fahrrinnen-Begrenzungsbojen neu setzen.

„Eine Vertiefung der Elbe durch Verlängerung der Buhnen würde bedeuten, dass die Fahrrinne regelmässig nachgebaggert werden müsste, um die gewünschte Fahrtiefe zu erhalten“, so Jürgen Trittin. „Unsinnige Folgekosten angesichts der Tatsache, dass aller anfallende Transportverkehr über den Elbe-Seitenkanal abgewickelt werden kann.“ Selbst Staatssekretär Enak Ferlemann, der sich immer wieder vehement für den Ausbau einsetzt, musste nach Aussagen der Grünen-Politiker unlängst eingestehen, dass der Transportverkehr auf der Elbe weniger geworden ist.

Belege durch Echolot-Messungen

Wie extrem sich diese Wanderbewegungen der Dünen auswirken, konnte eindrücklich auf einer Fahrt mit dem Echolot-Boot des Hitzackeraner Museums nachvollzogen werden. Das ehemalige Feuerwehrboot, ausgestattet mit mehreren Echolot-Geräten konnte Anfang des Jahres dank der Unterstützung durch die Deutsche Umwelthilfe, der VGH sowie Natur Erleben in Dauerbetrieb genommen werden.

Klaus Lehmann und sein Team vom Alten Zollhaus zeichnen die gewonnen Daten regelmässig auf. So wird schnell sichtbar, dass zum Beispiel eine Sanddüne nahe Hitzacker, die sich letztes Jahr noch am Nordufer befunden hatte, dieses Jahr fast schon das Südufer erreicht hat. Auf seinem Weg ans andere Ufer durchquert die Unterwasser-Dünung natürlich auch die Fahrrinne und sorgt hier für Untiefen. Derartige Aufwellungen gibt es zwischen Hitzacker und Dömitz an mehreren Stellen.

„Eine Verlängerung der Buhnen hätte also auch für den Yachthafen Hitzacker Bedeutung. Hier müsste noch mehr ausgebaggert werden, denn durch das verstärkte Geschiebe würde noch mehr Sand in die Hafeneinfahrt gedrückt“, so Ernst-Paul Dörfler.

Auch auf der Fahrt zeigte sich, was das Simulationsmodell im Hof des Museums schon gezeigt hatte: eine Veränderung an den Buhnen führt zu unkalkulierbaren Verwerfungen unter Wasser, was zu höchst unterschiedlichen Wassertiefen im Fluss führt. Kaum einen Meter von einer Stelle mit 1,90 m Wassertiefe entfernt liegt plötzlich eine Sandbank mit, gerade einmal 0,90 m – für große Binnenschiffe unpassierbar.

Gibt es aber überhaupt Pläne für eine Elbvertiefung zwischen Hitzacker und Dömitz?

Die Nachfrage eines Kollegen bei der Wasserschifffahrtsverwaltung hatte ergeben, dass dort keinerlei konkrete Planungen bekannt sind, die eine Elbvertiefung auf durchgehend 1,60 m garantieren würden.

„Nein, es gibt tatsächlich bei den zuständigen Behörden und Ministerien keinerlei konkrete Planungen“, so Ernst-Paul Dörfler. „Aber: die Verlängerung der Buhnen reicht aus, um einen schnelleren Durchfluss in der Flussmitte und damit auf Dauer eine Fahrrinnenvertiefung zu erreichen.“ Und diese Verlängerung kann leicht unter dem Deckmantel der Instandhaltung vorgenommen werden, – ohne Genehmigungs- oder Raumordnungsverfahren. Für die Öffentlichkeit ist es schwer, zwischen Instandhaltungs- und Ausbaumaßnahmen zu unterscheiden.

Die Folgen einer Verlängerung der Buhnen für den Fluss lassen sich – wie oben bereits beschrieben – am Simulationsmodell im Hitzackeraner Museum eindrücklich nachvollziehen.

Wer will eigentlich den Ausbau?

„Es gibt einen Landtagsbeschluss vom Dezember 2007, mit dem die Elbvertiefung mehrheitlich abgelehnt wurde“, so Dorothea Steiner. Trotzdem – allen voran CDU-Staatssekretär Enak Ferlemann – gibt es immer wieder Kräfte, die den Ausbau der Reststrecke fordern, auch wenn alle Naturschützer, zuletzt gar auf dem Elbekirchentag, die Maßnahme ablehnen.

Auch Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, nahm an der Elbe-Tour teil. Als Einheimische weiß sie, dass Eingriffe in das Flussgeschehen von außen oft kaum wahrnehmbar sind. „Und doch sind die Folgen für die Ökologie des Flusses oft immens. Schutz und Nutzen abzuwägen, das ist die Aufgabe, die vor uns liegt. In Sachen Elbe immer nur der Ökonomie Vorrang zu geben, hat keine Zukunft.

Pionierstrecke statt Reststrecke

„Die mittlere Elbe muss zur Pionierstrecke werden und nicht zur Reststrecke“, so Jürgen Trittin. „Eine Pionierstrecke deshalb, weil hier modellhaft getestet werden, wie naturnahe Konzepte und Ökonomie zusammen gehen.“ In der Zukunftsvision der Grünen entstünden dann viele neue Arbeitsplätze rund um den Tourismus und im Naturschutz.

Und die Elbe könnte als letzter naturnaher Strom Europas erhalten werden.

Übrigens: im Oktober 2010 wird Ernst-Paul Dörfler mit dem Euronatur-Preis ausgezeichnet. Vor ihm waren es bereits so namhafte Preisträger wie Prinz Charles oder Michail Gorbatschow, die sich über die Auszeichnung freuen konnten.

UPDATE:

Ernst-Paul -Dörfler ergänzte/korrigierte unseren Bericht mit folgenden Fakten:

  • Für die Bundeswasserstraße Elbe werden jährlich 40 Millionen (nicht Milliarden) Euro aufgewendet (Gesamtkosten).
  • Trotz der hohen Investitionen sind die Transporte seit 1989 auf ein Zehntel zurückgegangen und haben mit 0,9 Mio. T/a ein historisches Tief erreicht. Die Prognose für 2010 ging allerdings von 15,6 Mio. T/a aus.
  • Von allen Gütertransporten im Elberaum gehen nur 0,2% per Schiff über die Elbe.

Foto: Angelika Blank / Von links: Dorothea Steiner, Jürgen Trittin, Ernst-Paul Dörfler, Rebecca Harms beim Start der Tagesetappe in Hitzacker.

 

{{tpl:tocbox |style=width:60%;margin:6px; |hd=Mehr zu "Elbe" |bd={toc |dt=Wiki |groupID=wnet |public=1 |tags=elbvertiefung |max=10 |template=tpl:link-list }
}}




2010-07-22 ; von Angelika Blank (autor),

elbe   elbvertiefung   jürgen trittin   rebecca harms   natur  

Kommentare

    Sie müssen registriert und angemeldet sein um einen Kommentar schreiben zu können