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Gruppe Schulterschluss: Der Konflikt ist nicht befriedet

Die Endlagerkommission hat ihren Bericht fertiggestellt. Doch die Gruppe "Schulterschluss" übte am Donnerstag scharfe Kritik an der zweijährigen Arbeit der Kommission.

Am Montag hatte die Endlagerkommission in Berlin ihren 600 Seiten umfassenden Endbericht ihrer zweijährigen Arbeit vorgelegt. Während Umweltminister Stefan Wenzel den Bericht als Erfolg feierte, sind die Gorlebengegner vor Ort wesentlich kritischer. "Mit Hilfe dieses Auswahlverfahrens kann ein Atommüllendlager auch an einem geologisch ungeeigneten Standort legalisiert und endgültig durchgesetzt werden - es bleibt eine Frage der politischen Machtverhältnisse," so das Fazit der Gruppe "Schulterschluss" nach dem Durcharbeiten des Endberichts der sogenannten Endlagerkommission.

Was sie damit im Einzelnen meinen, erläuterten dreizehn VertreterInnen der am "Schulterschluss" beteiligten Initiativen, Parteien und Verbände am Donnerstag Vormittag im Ratskeller in Lüchow. Vor allem die unzureichende Öffentlichkeitsbeteiligung stieß dabei auf massive Kritik der Gorlebengegner. "Was hier skizziert ist, ist für mich keine Öffentlichkeitsbeteiligung sondern Öffentlichkeitsarbeit," sprach Anna von Bernstorff, eine der Grundstückseigentümer am Erkundungsbergwerk, aus, was ihre MitstreiterInnen ebenfalls denken. "Es ist lediglich die Rede von Informationsveranstaltungen oder der Möglichkeit zur Einsichtnahme - aber nirgendwo werden echte Beteiligungsmöglichkeiten eingeräumt." Für sie seien das reine Sandkastenspielchen, die als Öffentlichkeitsbeteiligung verkauft werden sollen.

Für andere Mitglieder der Schulterschluss-Gruppe ist auch das geplante "Nationale Begleitgremium" eine reine Alibiveranstaltung. "Die Teilnehmer am Begleitgremium werden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt - mit dem Ziel Partikularinteressen auszublenden."

Auch der Rechtsschutz sei nicht verbessert, sondern aus ihrer Sicht als Eigentümer sogar noch eingeschränkt worden. Nunmehr sei es lediglich möglich, wegen verfahrensrechtlicher Fehler Einwendungen zu machen, aber nicht wegen inhaltlicher Unzulänglichkeiten.

Nicht nur Wolf-Rüdiger Marunde (Bäuerliche Notgemeinschaft) kritisierte die beabsichtigte Legalplanung als "dramatisch eingeschränkte" Klagerechte. "Die Festlegung der Standort durch den Bundestag per Gesetz (Legalplanung) liefert das Suchverfahren den Partei- und Wahlkreisinteressen der Bundestagsabgeordneten aus," kritisierte Marunde.

Rückholbarkeit, Tiefengeologie und der Standort Gorleben

Die Rückholbarkeit galt bisher als ein Ausschlusskriterium für Gorleben. Doch im Bericht wird die Rückholbarkeit lediglich für die Einlagerungsphase gefordert. Des weiteren sei nur unklar formuliert, wie und bis wann die Behälter auch in Salz überwacht und ggfls. die Möglichkeit der Rückholung gewährleistet bleiben muss, so die "Schulterschluss"-Mitglieder.

Für die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) war die Arbeit der Kommission geprägt vom permanenten Zeitdruck. "Deswegen gab es auch keine Ablösung von festgefahrenen Vorstellungen über die Formen der Einlagerung," so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. "Der Tunnelblick auf die tiefengeologische Lagerung hat sich bis zum Ende nicht geweitet."

Die Tatsache, dass kristalline Gesteinsformen im Suchverfahren bleiben - entgegen der massiven Forderungen des Freistaats Bayern - wurde zwar als Erfolg gesehen, aber die nur vage beschriebenen Ausschluss- und Auswahlkriterien ließen viel Spiel für politische Einflussnahmen, so die einhellige Meinung der Gruppe Schulterschluss.

Allgemein herrschte Enttäuschung darüber, dass Gorleben trotz anfänglicher Versprechungen verschiedener Politiker weiterhin im Topf der Möglichkeiten bleibt. Für Propst Stephan Wichert-von Holten hat die Endlagerkommission gar die letzte Glaubwürdigkeit verspielt. "Das ist ein jämmerliches Ergebnis, was hier vorgelegt wurde. Aber immerhin - ein Erfolg ist immerhin, dass der Druck so groß wurde, dass neue Formen des politischen Handels ausgelotet werden mussten," so Wichert-von Holten in Lüchow.

Vielen Schulterschluss-Mitgliedern war allerdings wichtig, zu betonen, dass Umweltminister Wenzel in der Kommission durch seine Beharrlichkeit entscheidende Verbesserungen erreichen konnte. Wie zum Beispiel die Senkung der Einlagerungstemperatur auf 100 Grad auch für Salzgestein. Das verlängert zwar die Zwischenlagerzeiten, bringt aber auch eine Gleichstellung mit anderen Gesteinsformen. Außerdem drohe auch bei Salz bei über 100 Grad ein Festigkeitsverlust bzw. die Ausbildung eines Porennetzwerkes. Wenzel hatte sich gegen den Widerstand der Industrievertreter vehement für die Absenkung der Einlagerungstemperatur eingesetzt.  

Droht eine Zerreißprobe unter Gorlebengegnern?

Schon seit dem Beginn der Arbeit der Endlagerkommission brechen immer wieder massive Konflikte unter Gorlebengegnern über die Frage auf, welche und wieviel Kompromisse in Sachen Endlagersuchverfahren eingegangen werden dürfen/sollten. Zwischen der Haltung von Sylvia Kotting-Uhl (Grüne Bundestag) und Miriam Staudte (Grüne Landtag NDS) liegen Welten.

Und innerhalb der Grünen steht Umweltminister Stefan Wenzel mit seiner Einschätzung, dass die Endlagerkommissionsarbeit ein "großer Erfolg" war, ziemlich alleine da. Die Kreisgrünen folgen "ihrem" Minister in dieser Einschätzung jedenfalls nicht, ebenso wenig wie die Bäuerliche Notgemeinschaft. Für Wolf-Rüdiger Marunde (Bäuerliche Notgemeinschaft) geht es nicht um persönliche Konflikte, sondern um unterschiedliche Rollen. "Politik ist immer eine Sache des bestmöglichen Kompromisses. Das ist aber nicht unsere Aufgabe. Wir wollen mit Druck unterstützen, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden."

Was das meint, ergänzte Wolfgang Ehmke (BI). "Viele (befreundete) Politiker haben uns versprochen, dass Gorleben am Ende des Tages nicht mehr auf der Endlageragenda steht. Da werden wir sie beim Wort nehmen. Bisher haben sie ihr Versprechen nicht eingehalten. Deswegen werden wir am 5. Juli in Berlin mit Protestaktionen präsent sein, wenn der Bericht offiziell übergeben wird." Und Andreas Kelm (Grüne Kreisverband) ergänzte: "Meinen Trecker lasse ich schon mal warmlaufen."

Mit anderen Worten: der Gorleben-Konflikt ist noch lange nicht zu Ende. Vermutlich wird das Thema zu eigenen Lebzeiten längst nicht erledigt sein. Der derzeitige Zeitplan sieht vor, dass der Einlagerungsbeginn in ein Endlager - dessen Standort 2030 feststehen soll - erst im Jahre 2050 beginnt. Der Verschluss ist dann für das Jahr 2100 geplant.

HINTERGRUND:

Die Gruppe Schulterschluss gründete sich 2011, um ihre einhellige Ablehnung der Mitarbeit in der Endlagerkommission zu dokumentieren. Schon damals formulierte die Gruppe tiefgreifende Skepsis gegenüber der Arbeit der Kommission. So wurde z.B. die starke Beteiligung von Vertretern der Energieindustrie kritisiert. Zu ihr gehören VertreterInnen folgender Initiativen, Institutionen, Parteien und Gruppen: Landrat des Landkreises Lüchow-Dannenberg, Kreistagsparteien SOLI, SPD, Grüne (Bundes-, Landtag, EU-Parlament), FDP, UWG, LINKE, Kirchenkreis Lüchow-Dannenberg, Bäuerliche Notgemeinschaft, Rechtshilfegruppe Gorleben, DGB-Kreisgruppe, BUND + NABU Lüchow-Dannenberg, Gorleben-Archiv, Gorleben-Gebet sowie der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).

Foto / Angelika Blank: Über ein Dutzend VertreterInnen der über 20 beteiligten Initiativen, Institutionen und Parteien stellten am Donnerstag Pressevertretern ihre Kritik am Bericht der Endlagerkommission vor.






2016-06-30 ; von Angelika Blank (autor),
in 29439 Lüchow

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