Hilfe für Hebammen in Sicht?
Durch horrende Tariferhöhungen in der Haftpflichtversicherung droht den freien Hebammen das Aus. Aus Berlin kam am Mittwoch ein Hoffnungsschimmer. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe kündigte an, die Vesicherungsprobleme der Hebammen kurzfristig lösen zu wollen. Die freien Hebammen bleiben skeptisch.
Josefa Auffenberg ist Hebamme aus Leidenschaft. Seit 1987 hilft sie jährlich 20 bis 25 Müttern, ihre Kinder auf die Welt zu bringen. Ob Tag oder Nacht, für "ihre" Mütter ist sie jederzeit ansprechbar. Doch seit einigen Jahren stellt sie sich die Frage, wie lange sie den finanziellen Druck noch durchhalten kann. „Wenn die Versicherungswirtschaft ihre Ankündigungen wahr macht, die Tarife für die Haftpflichtversicherung auf über 5000 Euro pro Jahr anzuheben, dann geht es an die Grenze, wo es noch Sinn macht," befürchtet die Hebamme.
Josefa Auffenberg ist eine von insgesamt 3500 freien Hebammen in Deutschland, deren Existenz auf dem Spiel steht. Gesetzlich sind die Geburtshelferinnen dazu verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, doch die Beiträge steigen seit Jahren ins Unermeßliche. "1981 haben wir noch 30,81 Euro pro Jahr für die Haftpflichtversicherung gezahlt, dann 2002 453 Euro. Im Jahre 2004 wollte die Versicherung schon 1352 Euro haben, um dann im Jahre 2009 auf 2370 Euro zu erhöhen," so die Hebamme. "In diesem Jahre muss ich bereits 4242 Euro zahlen und damit rechnen, dass ab Juli 2014 der jährliche Beitragssatz auf 5091 Euro angehoben wird."
Das Problem betrifft auch angestellte Hebammen, die zwar über ihre Arbeitgeber versichert sind, aber oft mit unzureichenden Deckungssummen - im Schadensfall droht ihnen die Privatinsolvenz. Aber, so Josefa Auffenberg, kaum noch eine Klinik in Deutschland stelle Hebammen an. Auch in Lüchow-Dannenberg wurden die Hebammen vor dem Verkauf der Klinik mit Druck dazu gebracht, in die Selbständigkeit zu gehen.
Langjährige Haftungsfristen belasten die Arbeit
Dazu kommt noch, dass der einzige Versicherer, der Hebammen überhaupt noch eine Haftpflichtversicherung verkauft hatte, ankündigte, ab nächstes Jahr dieses Risiko nicht mehr versichern zu wollen. "Da geht dann gar nichts mehr," so Josefa Auffenberg. "Wir tragen für jede Geburt die Verantwortung, auch wenn ein Arzt mit dabei ist. Dazu kommt noch, dass die Krankenkassen den Eltern von Kindern mit gesundheitlichen Problemen, die eine komplizierte Geburt hinter sich hatten, häufig raten, per Klage überprüfen zu lassen, ob bei der Geburt alles mit rechten Dingen zugegangen ist." In Deutschland können Eltern 30 Jahre lang womögliche Schäden aus einer fehlgelaufenen Geburt geltend machen. Für den (einzig noch verbliebenen) Versicherer offenbar ein unkalkulierbares Risiko, dass sie auf die rund 3.500 freien Hebammen abwälzen wollen.
"Es würde schon etwas helfen, wenn es wieder mehrere Versicherer gäbe, die uns einen Gruppentarif anbieten. Dann wäre wenigstens etwas Konkurrenz da," so Josefa Auffenberg. Aber sie versteht auch nicht, warum ihr als Hebamme einerseits eine so enorme Verantwortung für ein hohes Risiko zugeschrieben wird, dass sie diese exorbitant hohen Versicherungsprämien zahlen soll - auf der anderen Seite die Einnahmen kaum höher sind als die einer Küchenhelferin. Nach Abzug der Kosten verbleiben einer freien Hebamme im Durchschnitt ca. 8,50 Euro pro Stunde. "Für mich heißt das, dass ich 15 Geburten durchführen muss, nur um meine Versicherungsprämie zahlen zu können," stöhnt Josefa Auffenberg. "Hierzulande sind es aber insgesamt kaum mehr als 20 Geburten, die ich im Jahr durchführen kann." Denn Lüchow-Dannenberg ist bekanntlich nicht als sonderlich geburtenstarke Region bekannt.
Kein Wunder, dass die jährliche Prämienrechnung bei den Hebammen für Ärger sorgt. "Bei der Ankündigung, dass demnächst jährlich 5091 Euro fällig werden, habe ich vor Wut geheult," so Josefa Auffenberg. "Die Einnahmen sind eh schon gering und dann ist man mit der Prämienrechnung wieder in den Miesen. Das macht fertig."
Bundesgesundheitsminster Gröhe: Geburtenhilfe langfristig sichern
Schon im Februar hatten sich Vertreterinnen des Deutschen Hebammenverbandes mit dem neuen Gesundheitsminister Hermann Gröhe getroffen und ihm ihre Sorgen mitgeteilt. Am Mittwoch nun erklärte Gröhe nach seinem Antrittsbesuch im Gesundheitsausschuss, dass er die
Versicherungsprobleme der freiberuflichen Hebammen rasch lösen und damit
eine flächendeckende Geburtenhilfe in Deutschland langfristig
gewährleisten will.
Gröhe wollte sich zu den Lösungsschritten konkret noch nicht äußern,
machte aber deutlich, dass sich alle Seiten ihrer Verantwortung bewusst
seien. So gelte es, auf der Versicherungsseite zeitnah einen oder
mehrere „stabile Gruppentarife“ für Hebammen sicherzustellen.
Was allerdings die Zusage der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) angeht, die Tariferhöhungen abzufedern und sich in angemessener Weise an den Kosten
der Haftpflichtversicherung zu beteiligen, so braucht der Minister in dieser Sache nach Ansicht der Hebammen Nachhilfe: "Ja, wir bekommen einen Teil der Kosten für die Versicherungsprämien zurückerstattet," so Josefa Auffenberg. "Aber die GKV
zahlt pauschaliert einen bestimmten Satz pro durchgeführter Geburt. Das bedeutet, dass diejenigen, die mehr Geburten machen, auch mehr gezahlte Prämienanteile zurückbekommen. Aber: Alle Hebammen, ob sie viel oder wenig Geburten durchführen, zahlen den gleichen hohen Prämiensatz." Die Krankenkassen begründen das nach Auffenberg damit, dass die Hebammen, die weniger Geburten durchführen, weniger Erfahrung haben und deswegen einen höheren Risikofaktor hätten. Durch Schadenszahlen ist diese Annahme nicht belegt.
Skepsis gegenüber den politischen Ankündigungen
Bundesgesundheitsminister Gröhe zeigte sich am Mittwoch zuversichtlich, dass "damit" - er ließ offen, welche konkreten Schritte er plant - die kurzfristigen
Sorgen hinsichtlich der Kündigung des einzigen Versicherungsunternehmens vom Tisch
sein könnten. "Dann wäre Zeit gewonnen, um an langfristigen Lösungen zu
arbeiten," so Gröhe am Mittwoch. Eine interministerielle Arbeitsgruppe arbeitet derzeit an einer Stellungnahme zu dem Problem. Bis Ende April soll ein Bericht hierzu vorliegen.
Mit seinem Vorstoß folgt Gröhe einem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag, in dem die beiden Regierungsparteien vereinbart hatten, dass ihnen "die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe wichtig ist" und dass sie "für eine angemessene Vergütung sorgen" wollen.
Am Freitag wird der Bundesrat über einen hessischen Antrag beschließen,
dem sich neben Sachsen auch Niedersachsen angeschlossen haben.
Die Hebammen bleiben unterdessen skeptisch. Zu viel Zeit ist schon verstrichen, ohne dass es etwas passierte. "Eine Lösung muss jetzt dringend gefunden werden", hatte Martina Klenk,
Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes, bereits nach dem ersten
Treffen mit dem neuen Gesundheitsminister im Februar gefordert. "Lassen
Sie den Worten
Taten folgen, Herr Gröhe!" so ihr Appell an den Minister.
Der Deutsche Hebammenverband fordert unter anderem, dass endlich eine Haftungsobergrenze festgelegt wird, für die die einzelne Hebamme einstehen muss. Alle Forderungen, die darüber hinaus gehen, sollen über einen staatlich finanzierten Haftungsfondes beglichen werden.
Josefa Auffenberg wird nicht aufhören, dabei zu helfen, Kinder auf die Welt zu bringen. Dafür liebt sie ihren Beruf viel zu sehr. Doch
angesichts der horrenden Ausgaben wird sie ihren Beruf womöglich demnächst als Hobby betrachten - und versuchen müssen, ihren Lebensunterhalt anderweitig zu verdienen. Viele andere werden sich das nicht leisten können und ihren heiß geliebten Beruf aufgeben - wenn die Politik nicht wirklich schnelle Lösungen entwickelt.
Foto (privat): Josefa Auffenberg liebt ihren Beruf als freie Hebamme - wird aber womöglich demnächst davon nicht mehr leben können.
2014-03-12 ;
von
Angelika Blank (autor),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland
gesundheit
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