Mit rund 50 Traktoren begannen mindestens ebenso viele Landwirte der bäuerlichen Notgemeinschaft am Sonntag Vormittag mit dem Bau von "Schutzhütten" im Wald neben dem Erkundungsbergwerk in Gorleben. Pfefferspray-Einsatz und eine vorläufige Festnahme waren die ersten Reaktionen der Polizei.
Trotz Dauerregen hatten die Landwirte kurz nach 11 Uhr am Sonntag Vormittag mit der Unterstützung von rund 100 Helfern damit begonnen, Holz und Baumaterial auf das Waldgelände in der Nähe des Zwischenlagers zu fahren, um sich dort "für den Sommer mit neuen Schutz- und Infohütten einzurichten" und der Öffentlichkeit so die Möglichkeit zu geben, sich über die Gorlebenpläne zu informieren.
Schon bei der Anfahrt der Landwirte hatte es die ersten Auseinandersetzungen mit der Polizei gegeben. Als sich dann gegen 11.30 Uhr rund 30 Polizisten mit Video- und Fotokameras - das sogenannte Beweissicherungs- und Dokumentationsteam - über das Gelände verteilten, wuchs der Unmut unter den "Bauleuten". "Sie sind nicht befugt, hier Aufnahmen zu machen", schallte es den Beamten entgegen. Doch die Polizisten ließen sich davon nicht beeindrucken und sperrten im Gegenzug eine Gruppe von Demonstranten kurzfristig in einem kleinen Kessel vom Geschehen ab.
Pfefferspray gegen Demonstranten
Als dann auch noch ein Traktor hinter den Beamten rangierte und - scherzhaft gemeint - begann, Wasser aus seiner Grabeschaufel abzulassen, eskalierte die Situation. Unvermittelt umzingelten rund 10 Polizisten den Traktor, versuchten den Fahrer von seinem Sitz zu ziehen, begleitet von den Buhrufen der Umstehenden. Willkürlich wurden zwei der Umstehenden herausgegriffen, zu Boden geworfen bzw. weg gestoßen. Wie sich nach dem Getümmel herausstellte, hatten einige der Beamten sogar Pfefferspray eingesetzt. Drei Personen mussten danach wegen ihrer brennenden, stark geröteten Augen von einer Sanitäterin behandelt werden.
Für Einsatzleiter Ulrich Constabel war dieser Einsatz durchaus berechtigt. "Die Beamten sind von dem Traktor bedroht worden, da mussten wir eingreifen. In einem Fall werden wir ein Verfahren wegen Nötigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt einleiten."
Einsatzleiter: Hüttenbau ist illegal
Überhaupt war der Einsatzleiter der Ansicht, dass das Errichten von Hütten im Wald illegal sei und eine Ordnungswidrigkeit darstellt. "Der Wald ist für die Öffentlichkeit frei zu halten, ausserdem sind Feuer wegen der Waldbrandgefahr ebenfalls nicht erlaubt."Als dann nach kurzem Suchen der Geschäftsführer Salinas GmbH, die das Gelände in der Nähe des Zwischenlagers gepachtet hat, gefunden war, wurde dieser angewiesen, "hier für Ordnung zu sorgen". "Die Errichtung von Bauwerken im Wald ist genehmigungspflichtig. Diese ist nach unserer Recherche nicht eingeholt worden, deshalb ist der Wald wieder zu räumen", erklärte der Einsatzleiter dem verdutzten Geschäftsführer, Rechtsanwalt Christian Schön.
"Also hier ist doch alles schön ordentlich - die Hütten werden doch fachmännisch aufgebaut", wunderte sich Christian Schön. "Ich wüsste nicht, wogegen wir hier vorgehen sollen. Es ist nach unserer Meinung ist hier nichts illegal. Und selbst wenn, dann stellt das allerhöchstens eine Ordnungswidrigkeit dar, die im Verhältnis zu den Rechtsbrüchen der Atomlobby zu vernachlässigen ist."
Erst nach längeren Verhandlungen zwischen Landwirten, dem Salinas-Geschäftsführer und der Polizei entspannte sich die Situation wieder.
Entspannung am Nachmittag
Gegen 13 Uhr war auch Einsatzleiter Constabel von einer zwischenzeitlich wohl geplanten Räumung abgerückt. "Nachdem der Geschäftsführer der Salinas GmbH uns zugesichert hat, dass er am Montag die notwendigen Genehmigungen für den Bau der Hütten nachholt, ist für uns die Situation weitestgehend geklärt. Am Vormittag hatten wir es mit einer unklaren Situation zu tun, bei der wir noch nicht einmal wussten, wer sich für die Aktion verantwortlich erklärt und was hier wirklich geplant ist."
Aufgrund einer Zeitungsanzeige, die den "Bau von Hütten" ankündigte, habe er die zusätzliche Einheit angefordert, so Constabel. "Wir hatten Sorge, dass hier Blockaden gebaut werden könnten. Das hätten wir nicht dulden können." Von einer Räumung des Geländes war am frühen Nachmittag keine Rede mehr. "Wir wollen ja auch zur Deeskalation beitragen", so Einsatzleiter Constabel, "wenn wir jetzt hier räumen würden, würde das richtig Probleme geben."
Die Landwirte ließen sich von dem morgendlichen Verwirrungen nicht sonderlich beeindrucken. Fleißig wurden den ganzen Tag gewerkelt, so dass bis zum Nachmittag zwei Hütten standen und ein Feuerplatz mit Überdachung eingerichtet war.
Als dann Mittags weitere rund 150 DemonstrantInnen zum sonntäglichen Spaziergang um das Erkundungsbergwerk eintrafen, war von den morgendlichen Auseinandersetzungen (fast) nichts mehr zu spüren. Mit Bratwürsten und Bier wurde gemütlich Richtfest gefeiert.
UPDATE: Die grüne Landtagsabgeordnete aus der Region Lüchow-Dannenberg Miriam Staudte, die bei den Protesten am "Erkundungsbergwerk" anwesend war, begrüßt den Hüttenbau auf dem Salinas-Gelände. "Die Fehlentscheidung von Herrn Röttgen wird noch zu zahlreichen Protesten führen," so die Abgeordnete. "Wir erklären uns mit dem friedlichen, fantasievollen Protest solidarisch."
Foto: Timo Vogt / randbild
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