Am 8. März ist Frauentag. Doch jenseits der offiziellen Feiern lockt dieser ehemalige Kampftag für das Frauenwahlrecht nur noch Wenige aus dem Haus. Ein Kommentar von Angelika Blank.
Heute ist Frauentag! Doch das fällt mir erst ein, nachdem ich mich - erschöpft von der Gartenarbeit unter strahlender Sonne - wieder an den Computer setze, meine emails checke und dabei der Blick auf das aktuelle Datum fällt.
Und nun? Angetrieben von einem Rest schlechten Gewissen, mich wieder mal nicht "engagiert" zu haben, prüfe ich noch schnell, ob ich irgendwo hätte sein sollen, wo ich im Dienste der Frauensolidarität für Frauengerechtigeit hätte eintreten sollen. Das Einzige, was ich finde, ist ein Artikel in unserer Heimatzeitung über einen eingestrickten Fahrradständer, den irgend jemand als Aktion zum Frauentag in Lüchow bunt bestückt hat.
Beruhigt lehne ich mich wieder zurück. Wenn Stricken zum Protest gehört - kein Problem, da kann ich jederzeit im stillen Kämmerchen mitmachen. Meine Mützen, Häkeldecken und Handschuhe sammle ich ab sofort, um sie dann passender Gelegenheit als Allzweckwaffe gegen Diskriminierung, Vergewaltigungen und häusliche Gewalt zu höchst gefährlichen Wollbomben umzubauen.
Wenn Reinhold Beckmann dann das nächste Mal abgehalfterte Generale endlos über geeignete Strategien zur Lösung der Krim-Krise schwadronieren lässt und dafür einer Europaabgeordneten immer wieder das Wort abschneidet, die das Land seit Jahrzehnten kennt und mehr an die Lösung des Konflikts denkt als an strategische Ziele, dann, ja dann, kommen meine Wollbomben zum Einsatz. Dann wird Reinhold Beckmann eingestrickt, aber so richtig! Da sagt er dann aber gar nix mehr!
Und der nächste Ehemann, der seine Frau grün und blau schlägt, der wird ebenfalls die volle Wucht meines Strickprotests zu spüren bekommen. Da werden Haustüren und Fenster so dick eingefilzt, dass er keine Sonne mehr sieht.
Vermutlich hatten meine Geschlechtsgenossinnen die gleiche Idee wie ich. Oder woran liegt es sonst, dass der Internationale Frauentag kaum noch Interesse weckt?
1910, als Clara Zetkin auf der Zweiten Sozialistischen Frauenkonferenz 1910 die Einführung eines internationalen Frauenkampftages vorschlug, ging es noch um etwas: Frauen durften nicht wählen, wenn sie überhaupt arbeiten gingen, mussten ihre Ehemänner (oder Eltern) die Arbeitsverträge unterschreiben, Scheidung war nur möglich, wenn sich einer der Ehepartner "schuldig" gemacht hatte, was für Frauen oft zur Folge hatte, dass sie keinerlei Unterhaltsleistungen erhielten, wenn sie schuldig geschieden wurden. Unzumutbare Arbeitsverhältnisse, Dumpinglöhne und das absolute Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen wurden später zu Hauptthemen der Frauenbewegung.
Seitdem ist viel geschehen. Die brennenden Themen sind weg. Eine Frau ist Bundeskanzlerin und auch sonst stehen - zumindest theoretisch - Frauen alle gesellschaftlichen Wege offen. In der Realität sieht das oft anders aus, doch Frau findet für nahezu alle Lebensbereiche Berater und Ansprechpartner.
Klar, wir leben immer noch in einer männerdominierten Welt. Klar, Frauen sind immer noch diejenigen, die im Durchschnitt bei gleicher Leistung weniger verdienen. Und vor allem: Frauen kriegen immer noch die Kinder, was für sie bedeutet, dass Karriere und hohe Einkommen nur unter erschwerten Bedingungen erreichbar sind.
Doch brauchts zur Lösung dieser Probleme einen im Kalender der Heute-denken-wir-mal-an-die-Schwachen-der-Gesellschaft Gedenktage einen festen Platz? Gearbeitet wird an den Problem-Themen an vielen Fronten der Gesellschaft - mit mehr oder eher weniger durchschlagendem Erfolg. Nicht zuletzt deshalb, weil eben immer noch oft Männer über Themen entscheiden, die allein Frauen betreffen - und weil Frauen nur dort wirklich Solidarität zeigen, wo sie sich von anderen Frauen Unterstützung bei ihren eigenen Problemen erhoffen. Aber wehe, es wird allgemeingesellschaftlich, dann ist ganz schnell Schluss mit Solidarität.
Und DAS ist nur zu lösen, wenn Alle, Männer wie Frauen, sich endlich darauf besinnen, dass die Lösung der Probleme nur gemeinsam gelingt. Mit allen Kräften und Denkweisen, jeden Tag des Jahres - und nicht nur an einem einzigen Gedenktag.
Am 14. März ist übrigens der Internationale Aktionstag gegen Staudämme.
Grafik: Ein ukrainisches Poster aus dem Jahre 1932 zum Frauentag. Text: 8. März - ein Tag der Rebellion von Arbeiterfrauen gegen Küchensklaverei