Ein Zwischenruf während der Sitzung des Niedersächsischen Landtags rief am Donnerstag den Ältestenrat des Parlaments auf den Plan. Als die türkischstämmige migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Filiz Polat, kritisch zur harten Abschiebepolitik Niedersachsens sprach, rief ihr die CDU-Abgeordnete Gudrun Pieper zu : „Am besten, man hätte Sie abschieben sollen!“
Zwar entschuldigte sich die CDU-Frau bei Polat für die Äußerung, doch eine derartig rassistische Entgleisung hatte derart für Entsetzen im Landtag gesorgt, dass sich der Ältestenrat mit der Sache befasste. Er fungiert unter anderem als Schlichtungsstelle zwischen den Abgeordneten und besteht aus 17 von den Fraktionen benannten Mitgliedern.
Präsident:Abgeordnete sollen Vorbilder sein
Namens des Ältestenrates erklärte Landtagspräsident Hermann Dinklage: Abgeordnete sollten Vorbilder sein. Derartige Äußerungen, wie sie Gudrun Pieper von sich gegeben hatte, seien – auch wenn sie unbedacht erfolgten – verletzend und lösten tiefe Betroffenheit aus. „Allen Abgeordneten muss deutlich sein, dass es einen Unterschied gibt zwischen beleidigenden Äußerungen zu Taten und Aussagen und dem pauschalen Angriff gegen die Identität eines Menschen“, so der Präsident.
Grüne: Alltagsdiskriminierung bekämpfen
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Gabriele Heinen-Kljajic, erklärte nach der Zusammenkunft des Ältestenrates: „Der Verlauf der Plenarsitzung hat gezeigt, dass im Niedersächsischen Landtag adäquate Reglementierungen für rassistische und diskriminierende Attacken fehlen. Die Äußerung der CDU-Abgeordneten Gudrun Pieper wurde zwar mit einem Ordnungsruf gerügt und Frau Pieper hat sich anschließend vor dem Landtag entschuldigt; aus Sicht der Grünen war dieses Verfahren aber nicht angemessen.
Das Parlament trage wir eine besondere Verantwortung dafür, dass Alltagsdiskriminierung und Rassismus bekämpft werden. „Ein Totschweigen solcher Entgleisungen in den eigenen Reihen, macht dieses Verhalten in der Gesellschaft weiter hoffähig“. Deshalb haben die Grünen in der Sitzung des Ältestenrates eine erneute öffentliche Befassung mit diesem Thema im Parlament beantragt. „Wir werden uns als Landtag damit zu befassen haben, wie künftig Rassismus und Diskriminierung in der parlamentarischen Auseinandersetzung vermieden werden können“, sagte Heinen-Kljajic. Im Parlament sei ein verbaler Schlagabtausch zwischen Abgeordneten gebräuchlich und auch erwünscht, solange er sich gegen Äußerungen und Argumente wendet. „Angriffe gegen die Identität der Person, zum Beispiel ihre Herkunft, ihr Geschlecht, ihre Religion, Behinderung oder sexuelle Orientierung sind diskriminierend und haben im Parlament wie in der Gesellschaft nichts zu suchen", betonte die Parlamentarische Geschäftsführerin.
SPD: Entschuldigung reicht nicht aus
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion, Johanne Modder kommentierte das Geschehen: „Die Aussage Gudrun Piepers hat zu Recht einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Es ist ein Vorfall, der insbesondere vor dem aktuellen Hintergrund nicht durch eine schlanke Entschuldigung aus der Welt zu räumen ist“.
LINKE: Mandat niederlegen
Hans-Henning Adler, der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Landtag, erklärte:
„Wir fordern Frau Pieper auf, ihr Mandat niederzulegen. Frau Pieper sollte sich selbst fragen, was sie nach einer solchen Aussage noch in einem Parlament zu suchen hat. Eine solche Aussage ist kein Kavaliersdelikt, ihre Entschuldigung kann das Gesagte nicht ungeschehen machen. Sie spiegelt eine beängstigende Geisteshaltung wider, denn aus ihr spricht Rassismus, der aus der Mitte der CDU-Fraktion kommt.“
Foto: MdL Gudrun Pieper in trauter Zweisamkeit mit Innenminister Schünemann, dessen Ablösung die Opposition diese Woche u.a. wegen seiner harschen Abschiebepolitik forderte.