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In Lüchow-Dannenberg sterben die Leut ...

Erschreckende Nachricht aus dem Landesamt für Statistik: Lüchow-Dannenberg hat mit einem Faktor von 1,154 die höchste Sterblichkeitsquote im Landesdurchschnitt. Vor allem Armut sieht das Landesamt als hauptsächliche Ursachen.

Nach den Angaben der Statistiker weist die Datenanalyse auf einen klaren Zusammenhang der regionalen Sterblichkeit mit der jeweiligen sozialen Lage in den Regionen hin: In wohlhabenden Regionen mit niedriger Arbeitslosigkeit lebt man im Schnitt länger als in den weniger begünstigten Regionen mit schlechten Arbeitsmarktwerten und vergleichsweise niedrigen Einkommen.

Auch die niedrigen Geburtenraten (ca. 70 Geburten auf 140 Sterbefälle) sind ein Indiz dafür, dass die Lebensverhältnisse in Lüchow-Dannenberg für jüngere Menschen nicht gerade attraktiv sind.

Auffällig ist auch die hohe Sterberate bei den 20- bis 25-jährigen. Die aktuelle Statistik gibt hier zwar keine Auskünfte über Ursachen - aus Polizeistatistiken ist jedoch bekannt, dass tödliche Verkehrsunfälle oft Opfer in dieser Altersgruppe hinterlassen.

Die Experten wissen, dass die Berechnungsgrundlagen für die aktuelle Datenanalyse zu ungenau sind, um detailliert Auskunft über Todesursachen geben zu können. "Welche Ursachen sich hinter den regionalen Mortalitätsquoten genau verbergen, muss im Einzelnen und unter Zuhilfenahme weiterer Datenquellen, wie z. B. der Todesursachenstatistik, untersucht werden, denn diese Ursachen sind äußerst vielfältig", heisst es im Statistischen Monatsheft für Juli 2009. Prof. Lothar Eichhorn, der den Bericht verfasst hat, warnt jedoch davor, hieraus Schlüsse ziehen zu wollen. "Die Bevölkerungsdichte in Lüchow-Dannenberg ist zu gering, als dass sich aus den Todesursachen klare Ursachen herleiten lassen. Ausserdem müsste eigentlich der Krankheitsverlauf mit untersucht werden, da als Todesursache ja nur die letztendlich auslösende Krankheit wie z.B. eine Lungenentzündung eingetragen wird. Ob dieser Mensch aber womöglich an einem unheilbaren Krebs litt, geht aus dem Totenschein nicht hervor."

Prof. Eichhorn ist aufgrund der ermittelten Zahlen überzeugt davon, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Armut/Arbeitslosigkeit und der hohen Sterblichkeit besteht: "Wir wissen inzwischen, dass Arme oft aus bildungsfernen Familien kommen, in denen gesunde Ernährung bzw. überhaupt ein gesunder Lebenswandel nicht selbstverständlich sind." Dabei ist dem Experten wichtig, nicht pauschal die Formel arm = krank auszugeben, sondern darauf hinzuweisen, dass Armut oft verknüpft ist mit frustrierenden Lebensumständen, mangelhaftem Bewusstsein über gesunde Ernährung und/oder falschem Umgang mit Krankheiten.

Untersucht haben die Statistiker auch, ob womöglich die medizinische Versorgung bei den erschreckend hohen Werten eine Rolle spielen könnte. "Da haben wir uns zum Beispiel Herzinfarkte angeschaut, bei denen es ja sehr darauf ankommt, dass die Patienten schnell behandelt werden." Doch hier sei Lüchow-Dannenberg im Vergleich zu anderen Regionen "nicht auffällig".

Auch zunehmende Abwanderung ortet die Statistik als Grund für die hohe Sterbequote. Denn: es wandern hauptsächlich die jungen und gesunden ab, kranke und ältere Einwohner bleiben eher am Ort. Auch dadurch erhöht sich der Anteil der Verstorbenen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Doch diesem Faktor haben die Statistiker Rechnung getragen, indem sie eine "Altersstandardisierung" vorgenommen haben. Es bleibt die erschreckende Erkenntnis: wer arm ist, stirbt vermutlich früher. "Im Durchschnitt haben Lüchow-Dannenberger eine um 3 Jahre verringerte Lebenserwartung im Vergleich zur bundesdeutschen Bevölkerung", so Prof. Eichhorn. Diese wird bundesweit für Männer mit 76,6 Jahren angegeben, für Frauen mit 82,1 Jahren.

Insgesamt kommen die Mathematiker des Landesamtes also zu dem Schluss, dass die regional unterschiedlichen Sterberisiken insgesamt ein äußerst „harter“ Indikator für die regionale Wohlfahrt sind, "gerade weil hier alle positiven und negativen Einflüsse aus Natur, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenkommen". Dort wo Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft alles in allem intakt sind, wirken sie sich positiv auf die Lebenserwartung und senkend auf die Sterberisiken aus.

Update, 23.07., 19:50 Uhr: Landrat Jürgen Schulz versuchte in einer ersten Stellungnahme zunächst, das Thema als statistische Fehlinterpretation zu werten. Kein Wunder, hatten "die Touristiker" den ganzen Tag sein Telefon zum Klingeln gebracht. So bemühte er sich, das "Überlebenspotenzial" in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken ganz nach dem Motto: "Wer überlebt, dem geht es richtig gut". Aber auch Landrat Schulz dämmerte schnell, dass eine überproportional hohe Sterbequote bei jungen Menschen zwischen 20 und 25 Anlass zum Nachdenken gibt. "Wir werden versuchen, eine Analyse zu machen, woran diese hohe Quote liegen könnte", so sein vorsichtiges Versprechen an alle, die sich von der aktuellen Statistik haben erschrecken lassen.

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2009-07-23 ; von asb (autor),

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