Rund 250 Menschen kamen Montagabend zu der Informationsveranstaltung zur Geflüchtetenunterkunft in Neu Tramm. AnwohnerInnen stellten dabei kaum Fragen - ehrenamtliche HelferInnen dafür umso mehr.
Lang war die Schlange der Menschen, die am Montagabend Einlass zur Informationsveranstaltung auf dem ehemaligen Kasernengelände in Neu Tramm begehrten. Grund war die Erfassung von Personendaten von allen, die das Gelände betreten wollten. Einen Überblick über die Anwesenden wolle man behalten und sicherstellen, dass alle das Gelände auch wieder verlassen haben, hieß es aus der Kreisverwaltung.
Rund 300 Meter ging es dann im Halbdunkel auf einer Straße, die nur mit schwachen Straßenlaternen bestückt war. Der Eingang zum Veranstaltungssaal war gar nicht beleuchtet. Gehbehinderte konnten nur ertasten, wo die Treppen waren, die zum Eingang führten.
Zur Veranstaltung eingeladen hatte die Kreisverwaltung als Mieter von fünf Gebäuden auf dem weitläufigen Gelände sowie als Auftraggeber für den Betrieb der Unterkunft. Entschieden hat sich die Verwaltung für den Arbeiter Samariter Bund (ASB) als Betreiber. Die Hilfsorganisation hat bereits umfangreiche Erfahrungen mit dem Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtung in Sumte gemacht. Der ASB wird auch Geflüchtete betreuen, die im Landkreis dezentral
untergebracht sind.
Das Ziel: Integration
Am 14. Februar werden die ersten 25 Geflüchteten in Neu Tramm einziehen, berichtete auf der Infoveranstaltung Susanne Rust vom ASB. Sie wird gemeinsam mit Sebastian Hahn die Einrichtung leiten. "Ein Team von BetreuerInnen sowie SozialpädagogInnen wird rund um die Uhr für die Geflüchteten da sein", so Rust. "Wir haben darauf geachtet, möglichst viele Sprachkompetenzen bei den MitarbeiterInnen zu versammeln. Es gelang uns, mit den Geflüchteten in elf Sprachen kommunizieren zu können". Aus welchen Nationen die Ankommenden stammen, ob Familien kommen, Einzelpersonen oder unbegleitete Minderjährige - das ist ihnen zurzeit nicht bekannt.
Bis Ende März sollen insgesamt 150 Menschen in Neu Tramm Unterkunft gefunden haben. "Dann müssen wir uns erst einmal einleben", antwortete Rust auf die Frage, ob noch mehr Geflüchtete kommen. Nach ihrer Auskunft werden die BewohnerInnen für die Dauer ihres Aufnahmeverfahrens im Landkreis bleiben. Das könne zwischen sechs Monaten oder mehreren Jahren dauern.
Ziel sei es, so Rust weiter, den Ankommenden zu helfen, sich so bald wie möglich zu integrieren. Deswegen würden auch die auf dem Gelände vorhandenen Sportplätze und -einrichtungen nicht intensiv genutzt. "Dies soll keine autarke Insel für die Geflüchteten werden", so Rust. "Sie sollen sich nach außen orientieren". Dazu gehört, dass sich die BewohnerInnen, trotz eines umschließenden Zauns, mit einem Bewohnerausweis versehen, frei bewegen können.
Ein erster Schritt zur Integration sind Sprachkenntnisse. "Es wird Sprachkurse geben, ein virtuelles Klassenzimmer mit Onlinelektionen", kündigte Rust an. "Und auch kulturelle Regeln werden vermittelt". Dazu gehören auch die Rechte und Pflichten als MieterIn. Einen "Wohnungsführerschein" werde es geben, damit potenzielle Vermieter wissen, dass sie grundlegende Spielregeln kennen.
Auch die Mobilität soll gefördert werden. Für den Transport steht ein PKW zur Verfügung sowie einige Fahrräder, die genutzt werden können. Fahrrad fahren lernen steht ebenfalls auf dem Programm.
Die Geflüchteten aus Neu Tramm müssen den komplizierten Weg zum Bundesamt für Migration und Flüchtlingen (BAMF) auf sich nehmen. Es wird hier keine Außenstelle des Amtes geben. Je nach Notwendigkeit werden ASB-Mitarbeiter bei der Fahrt begleiten.
Die Sicherheit
Für die Sicherheit sorgen Mitarbeiter des Unternehmens K + L Dienstleistungen aus Lüneburg. "Zwei Leute sind Tag und Nacht vor Ort", berichtete Mario Lehmann, Geschäftsführer von K + L. "Gelegentlich wird auch ein Hundeführer mit Schutzhund anwesend sein".
Zwei Personen im Wachdienst für 210 000 qm Fläche? Das warf bei einigen Anwesenden Fragen auf. Auf Nachfrage erläuterte Lehmann, dass das gemietete Gelände mit seinen fünf Gebäuden gesondert mit einem Bauzaun gesichert wird. Der äußere Zaun umschließt das gesamte Gelände und ist mit Stacheldraht gesichert. Die Polizei habe dieses Sicherheitskonzept für ausreichend gehalten. Dort sei man der Ansicht, dass Angriffe von außen so abgewehrt werden können, sagte Lehmann.
Wie gewährleistet werde, dass sich unter den MitarbeiterInnen keine Rechtsradikalen befinden war die drängende Frage einer Frau aus dem Publikum. Lehmann versicherte, dass alle BewerberInnen "gründlich gecheckt" werden - auch über die Sichtung von social media accounts und -Einträgen.
Wo waren die Fragen der AnwohnerInnen?
Zur Veranstaltung waren auch mehrere ehrenamtliche GeflüchtetenhelferInnen gekommen. Sie hatten etliche detaillierte Fragen zum Konzept und zum Ablauf. Sicherheit für Frauen, Transportmöglichkeiten oder der Zugang zu Kindergärten und Schulen - die Themen waren vielfältig.
Großen Raum nahm die Kritik an der Zentralverpflegung über ein Cateringunternehmen ein. Mehrfach wurde kritisiert, dass die BewohnerInnen keine Möglichkeit haben, sich Mahlzeiten selbst zuzubereiten. Ein wichtiges Thema, stimmte ihnen nicht nur Susanne Rust zu. "Wir sind dabei, Lösungen zu finden", ergänzte Simon Schermuly. Beiden war bewusst, wie wichtig Kochen und gemeinsames Essen einheimischer Gerichte für das Wohlbefinden ist.
Aber Hygienevorschriften erlaubten es nicht, dass nicht fachfremde Personen in der Großküche arbeiten, erläuterte Schermuly. Und für das Kochen in den Zimmern gelten Brandschutzvorschriften - wie auch in Altenheimen, Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen. Vorschriften, die manche der Ehrenamtlichen nicht akzeptieren mochten. Auch die mangelnde Einbindung in die Vorbereitungen und die Arbeit in der Unterkunft wurde bemängelt.
In allen ihren Fragen und Redebeiträgen waren die ehrenamtlichen GeflüchtetenhelferInnen ausschließlich auf das Wohlergehen der Geflüchteten fokussiert. Außerdem beklagten die Ehrenamtlichen, die teilweise schon seit Jahren in der Geflüchtetenbegleitung arbeiten, die fehlende Einbindung in die Betreuung der ankommenden Geflüchteten. Vom Podium aus betonten sowohl Susanne Rust als auch Stephanie Ehrhardt die Notwendigkeit ehrenamtlicher Unterstützung von außen. Sie kündigten an, dass sie zu Austauschtreffen einladen werden, wo die Einbindungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten besprochen werden sollen.
Die Fragen der ehrenamtlichen HelferInnen dominierten die Diskussion. Von den ebenfalls zahlreich anwesenden AnwohnerInnen kamen nur ein, zwei vorsichtige Fragen, die zeigten, wieviel Unsicherheit da ist. Zum Beispiel wie mensch sich verhalten solle, wenn beim Hundespaziergang Geflüchtete entgegenkommen. Wie die fremdartigen Signale oder Gesten deuten?
Beim ASB ist man sich dieser Unsicherheiten bewusst. Feste und Austauschabende sollen die Begegnung und das bessere Verständnis füreinander fördern. "Außerdem sind wir rund um die Uhr Ansprechpartner für Ihre Fragen", versicherte auch Sebastian Hahn.
Auf der Veranstaltung blieb es bei diesen einigen wenigen Fragen von AnwohnerInnen. Viele hörten mit verschränkten Armen ruhig zu. Aber deutlich vor Ende der Veranstaltung hatten viele den Saal verlassen. Vom Podium aus gab man sich schnell zufrieden, dass keine weiteren Fragen kamen. Einen aktiven Aufruf, sich zu Wort zu melden, gab es nicht.
So endete die Informationsveranstaltung, die vom Landkreis ausdrücklich dazu gedacht war, dass Anwohnerinnen und Anwohner sich ein Bild machen können, nach rund zwei Stunden weitestgehend ohne deren aktive Beteiligung.
Foto | Angelika Blank: Mehr als 200 Menschen wollten sich darüber informieren, was ab dem 14. Februar in der ehemaligen Kaserne passieren wird.