Der Regisseur Simon Ostermann schickt dieses Jahr bei den
wendland-shorts gleich zwei Filme ins Rennen um den "Goldenen Storch":
eine Kurz-Doku über die religiös anmutende Fußballbegeisterung in Iran
und ein Roadmovie über die brandenburgische Bundesstraße 96. Hier ein
Interview mit dem Regisseur.
Simon Ostermanns Fußballkarriere war früh zu Ende. Trotz seiner
Begeisterung für den Ballsport gelang es ihm nie wirklich, Erfolge zu
erzielen. "Meine Mutter sagte immer, ich sei zu höflich für den Fußball," so
Ostermann im Interview.
wnet: Simon Ostermann, ein Stadt-Fußballderby in Teheran - was ist daran so spannend?
Simon Ostermann: Ich wollte schon immer etwas zu den Themen Fankultur und Religion machen. Dabei trieb mich der Gedanke um, ob Stadien heutzutage zu Kathedralen geworden sind, in denen dem Fußball als Religionsersatz gehuldigt wird.
Über die Filmuniversität Babelsberg hatte ich dann die Möglichkeit, nach Iran zu fahren. Ich hatte schon vorher von diesem verrückten Fußballfinale gehört, bei dem eigentlich nur die beiden Stadtmannschaften von Teheran gegeneinander antreten - aber die Begeisterung für dieses Derby erfasst das ganze Land.
Bei den Recherchen im Land wurde dann das Thema immer drängender, als ich merkte, welch große Bedeutung dieses Derby hat, wie stark die Gesellschaft sich im Fußball spiegelt. Daraus wurde dann ein Film, der versucht, über das einfache Thema Fußball gesellschaftliche Strukturen sichtbar zu machen.
wnet: Worin liegt das Besondere bei diesem Derby?
Simon Ostermann: Wie ich schnell merkte, ist es dort beinahe
eine religiöse Frage, zu welcher Mannschaft man hält. Rot oder Blau -
das entscheidet sich schon in Kindertagen, je nach Stadtviertel, Familie
etc. Und dann dieses wahnsinnig große Stadion, wo 100 000 Menschen
hinein passen. Zu den Spielen werden aber nur Männer zugelassen. Das hat
schon etwas Beängstigendes, aber zugleich Faszinierendes.
Zuerst spürte ich eine intensive Bedrückung angesichts dieser Größe
und dem vollständigen Fehlen von Frauen bei den Spielen. Gleichzeitig
entwickelte ich aber auch eine große Neugierde, wie so ein großer Haufen
hochgradig emotionalisierter Männer funktioniert. Dazu kommt noch, dass
in Iran Massenaufläufe verboten sind.
wnet: Im Trailer ist zu sehen, dass es in den Stadien so eine Art
"Blockwarte" gibt, die vor dem Spiel regelrecht eingeschworen werden.
Welche Rolle spielen diese Männer?
Simon Ostermann: Diese "Leader" haben dort eine interessante Doppelfunktion. Einerseits sollen für die gute Stimmung im Stadion sorgen, sind Vorsänger und Animateure. Andererseits sind sie auch für die Ordnung zuständig.
Diese Fans arbeiten ehrenamtlich, übernehmen jeweils einen Block, für den sie zuständig sind. Organisiert wird der Einsatz dieser "Blockwarte" über das Ministerium. Der Sicherheitschef des Stadions, ein Angestellter des Ministeriums, weist sie in ihre Aufgaben ein und erklärt ihnen unmissverständlich, dass sie für jegliche Vorfälle in ihrem Block persönlich haftbar gemacht werden.
Dabei gehört zu den Aufgaben neben der Vermeidung von Krawallen auch, dass sie politische Gesänge und regimekritische Äußerungen verhindern sollen.
Simon Ostermann: Während des Studiums in Babelsberg gehörte es dazu, in der Umgebung - also in Brandenburg - zu drehen. Dabei entdeckte ich nicht nur Brandenburg als ein Sinnbild für Provinz, sondern auch die Bundesstraße 96, die schon vor der Wende in der DDR eine fast legendäre Bedeutung hatte.
Sie zieht sich von Süden bis Norden bis zur Ostsee hoch und galt schon damals als ein Sinnbild für Freiheit und Abenteuer - die deutsche "Route 66" sozusagen. Früher war das eine wichtige Straße, an der sich viel Infrastruktur befand. Heute wird die B 96 eigentlich nicht mehr gebraucht, aber die alten Liegenschaften sind immer noch da, Relikte einer anderen Zeit.
Da lassen sich extrem filmische Orte finden. Schon zu Wendezeiten herrschte hier eine riesengroße Affinität zu Amerika, die sich nach der Grenzöffnung explosionsartig verbreitete. Nirgendwo in Deutschland finden sich so viele Indianer- und Westernclubs, Squaredance-Gruppen und amerikanisch angehauchte Kneipen. Nirgendwo gibt es mehr US-Importe als dort. Nirgendwo fahren mehr V8 durch die Gegend. Diese riesigen Wagen mit ihren V-förmig angeordneten 8-Zylinder-Motoren sind dort Synonym für den Traum von der großen Weite - die Romantisierung des freien Amerika.
Für einen Autofan wie mich - der aus einer Rennfahrerfamilie stammt - ist diese Gegend ein Eldorado.
Anmerkung: "Route B96" hat beim diesjährigen Max-Ophüls-Preis den Publikumspreis gewonnen und vor zwei Wochen den Nachwuchspreis von Studio Hamburg.
wnet: Du hast mit deinen Filmen am Max-Ophüls-Festival teilgenommen, warst schon auf anderen großen Festivals. Was treibt dich dann auf das kleine wendland shorts-Festival nach Salderatzen?
Simon Ostermann: Anders als bei den großen Festivals, die Kontakte versprechen, aber meist nur wahnsinnig viel Trubel drum rum veranstalten, kommt man in Salderatzen wirklich ins Gespräch.
Dort herrscht eine wirklich entspannte Reise, die die Festivalteilnahme zu einer schönen kleinen Reise werden lassen. Außerdem fühle ich mich inzwischen recht verbunden mit dem Festival, weil ich letztes Jahr dort auch schon mit "Bamboule" vertreten war und dieses Jahr gleich mit zwei Filmen. Da fühle ich mich sehr geehrt.
Nun bin ich gespannt, wie das Publikum auf die beiden doch sehr unterschiedlichen Filme reagiert.
"Tehran Derby" läuft auf den wendland-shorts am Freitag Abend ab 21.30 Uhr im Block "Kurz-Dokus I"; "Route B96" läuft am Samstag ab 17.00 Uhr im Block "Shorts III".
Das ganze Programm der wendland-shorts gibts hier!
Foto: Still aus einem Interview mit Simon Ostermann beim Film Festival della Lessinia