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Landlust in der Göhrde

Tief versteckt in den Wäldern der Göhrde liegt das Bio-Hotel „Kenners Landlust“, mit Leidenschaft geführt von Siegfried "Kenny" und Barbara Kenner. Nun kürte GEO Saison Kenners Haus zu einem von hundert „besten Hotels Europas“ - ein Beweis dafür, dass auch in Lüchow-Dannenberg erfolgreiche gastronomische Betriebe geführt werden können.

Jetzt im Winter schimmern die Bäume der Göhrde nur grau-grünlich. Müde hängt blasser Himmel hinter kahlen Wipfeln. Über 30 Kilometer sind es von Lüneburg, mehr als 70 von Hamburg, bis man das tiefe Tal der Göhrde erreicht. „Das Tor zum Wendland“, wie es auch heißt. Denn die Bundesstraße 216, die durch die Göhrde führt, ist der Hauptverkehrsweg, über den man Lüchow-Dannenberg von Norden aus erreicht.

Hat man das ehemalige Jagdschloss mitten in der Göhrde erreicht, ist es nicht mehr weit zu „Kenners Landlust“. Nur noch einen Kilometer am Rande des Waldes vorbei, dann taucht am Wegesrand im kleinen Dörfchen Dübbekold „Kenners Landlust“ auf, das soeben von GEO Saison ausgezeichnete Bio-Hotel. Jetzt im Winter ist der ockerfarbene Lehmputz des Gebäudes der einzige Lichtblick im allgemeinen Grau.

Hier, weitab von allen gängigen touristischen "Attraktionen" soll eines von den hundert besten Hotels Europas liegen? „Das kann nicht sein“, munkelt es unter Einheimischen. Nach Lüchow-Dannenberg fahren doch nur wenige Gäste – die Kulturelle Landpartie einmal ausgenommen - , die lediglich drei bis vier Tage von ihrem Metropolen-Stress ausspannen wollen und ein schnell erreichbares Ziel mit günstigen Übernachtungspreisen suchen. Der freie Sinkflug der Gästezahlen nach der Wiedervereinigung konnte zwar gestoppt werden, aber die Gästezahlen reichen durchschnittlich für 30%ige Auslastung bei den Übernachtungsbetrieben. Doch „Kenners Landlust“ widerlegt den angeblichen Trend: ihre Gästezahlen steigen Jahr für Jahr. Inzwischen kann der Betrieb Belegungsquoten aufweisen, die mehr als doppelt so hoch sind wie die ihrer Kollegen. Woran liegt's?

Leidenschaft und Genuss – die beiden Säulen des Erfolgs

Im gemütlichen Kaminzimmer warten schon Siegfried und Barbara Kenner. Großer Stolz über die Auszeichnung von GEO ist ihnen nicht anzumerken, eher Freude. Freude darüber, „dass der nachhaltige Tourismus hierzulande in der Lage ist, derartige Auszeichnungen in die Region zu ziehen“, wie Barbara Kenner es ausdrückt.

Aber vor allem ist zu spüren, dass die Beiden ihren Betrieb mit Liebe und Leidenschaft führen. Mit „Lust“ eben, die konsequenterweise ihren Ausdruck im Namen gefunden hat. Dass die Kenners „Lust“ auf ihre Gäste und deren liebevoller Versorgung haben, ist an allen Ecken zu spüren. Allein der kleine Gäste-Kiosk im Laden beweist, dass hier nicht doktrinär Bio-Bewusstsein gepredigt wird, sondern die Lust am Genuss im Vordergrund steht: da stehen die kleinen Knabbereien ebenso im Regal wie Wein und Bier. Und wenn die kleinen Gäste – die im "Landlust" immer herzlich willkommen sind – am liebsten Nudeln mit Tomatensoße mögen, dann sollen sie dies auch bekommen, ebenso wie Gurken, Tomaten oder Paprika, auch wenn gerade nicht die richtige Jahreszeit ist und das Gemüse aus anderen Teilen Europas  kommen muss. „Wir wollen ja niemand umerziehen“, ist das Credo von Barbara Kenner, auch wenn sie und ihr Mann kompromisslose Anhänger der biologischen Ernährung sind.

Niemand muss befürchten, in Dübbekold mit frugaler Kost versorgt, auf ungemütlichen Öko-Matratzen schlafen gelegt und tagsüber mit ökologisch-korrekten Hinweisen malträtiert zu werden: die ganze Atmosphäre im Haus strahlt Gemütlichkeit aus. Nichts von Ökolatschen-Atmosphäre, nichts von permamentem "Du-das-wollen-wir-doch-jetzt-mal-anders-machen"-Gerede. Kenners sind einfach für ihre Gäste da, wollen es ihnen so komfortabel wie möglich machen. Dabei sind Allein reisende Erwachsene ebenso herzlich willkommen, wie Familien mit kleinen Kindern, Senioren oder Behindertengruppen.

Und wenn die Gäste im Frühstücksraum feste Plätze zugewiesen bekommen, so hat das keine Organisations-Vereinfachungs-Gründe, sondern Kenners "wollen, dass unsere Gäste miteinander ins Gespräch kommen“. Und siehe da, es klappt: „Unsere Gäste reden miteinander“, kann Barbara Kenner berichten. Es ist allerdings auch schon vorgekommen, dass einzelne Gäste wieder abgereist sind, weil ihnen die Atmosphäre bei „Kenners Landlust“ zu kommunikativ war.

Auch für die Mobilität ihrer Gäste wird gesorgt: Da Kenners bewusst ist, dass sie mit ihrem Standort „Dübbekold“, vornehm ausgedrückt, weitab von den Metropolen liegen, sorgen sie dafür, dass ihre Gäste mobil bleiben können. Es ist ihnen gelungen, mit der DB Carsharing einen Vertrag zu schließen, so dass dem Haus seit einiger Zeit zwei Erdgas-Autos zur Verfügung stehen, die von den Gästen auch für ihre Ausflüge genutzt werden können. So findet sich jetzt in der Liste der Mietwagen-Stationen der DB-Carsharing seit einiger Zeit hinter Duisburg und vor Düsseldorf auch Dübbekold. Das Besondere: da in Jameln Deutschlands erste Biogas-Tankstelle zur Verfügung steht, werden die beiden Wagen ausschließlich mit Biogas betankt.

Wenn die Gäste die Gegend nicht alleine erkunden mögen, dann beginnt Siegfried „Kenny“ Kenners Spezialaufgabe: er erfindet und organisiert unermüdlich neue Touren für Kinder und Erwachsene, „Eseltrekking“ oder „Waldverführung“ sind nur einige der aktuellen Angebote. Demnächst wird er auch als Wolfsberater über Wölfe im Norden Deutschlands informieren.

Aber auch die Kochkurse finden viel Anklang. Unter dem Motto „Vegetarische Schlemmereien mit dem gewissen Etwas“ sorgt der österreichische Koch Erasmus Resch für (neue) Lust am Kochen, Essen und Trinken. Die Liste der Angebote ist lang und kaum aufzählbar. Morgen wird schon wieder ein neues hinzugekommen sein, denn Kenners sind erfindungsreich. Deswegen sind Kenners auch immer bereit, ihre Betriebs“geheimnisse“ mit anderen zu teilen, haben keine Angst vor Konkurrenten oder Ideenklauern. „Wenn uns nichts Neues mehr einfällt, haben wir unsere Arbeit nicht verdient“, ist beider Credo.

Viel Aufwand – viel Erfolg

Natürlich macht ein konsequent ökologisch geführtes Hotel, dessen Gebäude auch nach baubiologischen Kriterien saniert wurde, mehr Arbeit als ein Betrieb, der mit vorgegarten Lebensmitteln und Standardartikeln aus dem Großhandel setzt. Dass dieses aufwändige Konzept funktioniert, beweisen die Zahlen: die hohen Investitionskosten aus der Bauphase, begründet durch eine kompromisslos ökologische und energetische Sanierung, haben sich nach ca. acht Jahren Betrieb bereits amortisiert. Und trotz der im gehobenen Niveau liegenden Preise kann „Kenners Landlust“ eine Auslastung von 68 % vorweisen – mit immer noch steigender Tendenz. Eine stolze Bilanz angesichts durchschnittlich 30%iger Auslastung in den gastronomischen Einrichtungen Lüchow-Dannenbergs, wie touristische Studien belegen. „Dabei sind es inzwischen rund 30 % der Gäste, die wir als Stammgäste immer wieder begrüssen dürfen“, freuen sich die Kenners über den Erfolg.

Alles kein Geheimnis

„Nachhaltigkeit“ ist ein Begriff, den die Kenners im Gespräch immer wieder gerne benutzen. „Nachhaltigkeit „– ein Begriff, der seit Beschluss der Agenda 21-Richtlinien gern, oft und   häufig inflationär benutzt wird. Ganze Seminare beschäftigen sich mit der Klärung dieses Begriffs, der für EU-Förderungen schon seit Jahren zum absoluten Muss im Förderantrag geworden ist. Doch für die Kenners ist das Verwaltungs-Unwort mit Leben gefüllt: „Wir nehmen das Prinzip ernst, in allen Lebensbereichen möglichst so zu wirtschaften, dass sowohl soziale, ökonomische aber auch soziale Bedingungen verbessert und möglichst langfristig erhalten werden.“ Das bedeutet zum Beispiel auch, mit MitarbeiterInnen nach dem schlichten Prinzip „Was Du nicht willst, dass man dir tu', das füg' auch keinem anderen zu“ umzugehen.

Vor allem beim Wareneinkauf achten die beiden sehr darauf, dass die Produkte, so weit möglich, in der Region beschafft werden. Was viele Gastronomen für unmöglich halten – die Kenners schaffen es, 60 % ihrer Produkte in der Region zu kaufen. „Es kostet schon mehr Aufwand, saisonal eine vielfältige Auswahl an Lebensmitteln im Umland zu beschaffen“, so Barbara Kenner. Und wenn es partout nicht funktionieren mag, dann sucht Barbara Kenner nach der nächst gelegenen Quelle, in Italien, Spanien oder Frankreich. Grüne Bohnen aus Kenia wird man deswegen weder im Juli oder August noch im Dezember bei Kenners Landlust finden.

Mehrere Gemüsebauern aus Lüchow-Dannenberg sind schon notwendig, um die für einen 40-Betten-Betrieb notwendigen Mengen zuverlässig und vor allem in zertifizierter Bio-Qualität zu beschaffen. „Um wirklich zum richtigen Zeitpunkt die Lebensmittel zu bekommen, die wir brauchen, haben wir mit einigen Betrieben Anbauverabredungen. Das gibt uns die Sicherheit, dass das Gemüse dann auch da ist, wenn wir es brauchen. Und die Landwirte haben eine feste Absatzgröße, mit der sie rechnen können“.

Beim Fleisch wird es noch schwieriger: da Kenners konsequent nur Bio-Fleisch von nachvollziehbar vertrauenswürdigen Landwirten beziehen, fällt der Einkauf in der Bio-Ecke des Großhandels aus. „Aber da Fleisch für uns im Speiseplan nur eine untergeordnete Rolle spielt, ist das Problem nicht so groß“, so Barbara Kenner. Die Fleischmengen, die sie für die überwiegend vegetarische Menükarte benötigen, können sie bei befreundeten Landwirten beziehen.

Beim Thema „Warenbeschaffung“ wird Barbara Kenner wieder leidenschaftlich: „Ich arbeite hart daran, dass wir es hinkriegen, dass die Gastronomen der Region sich zu einem Bezugsnetz verabreden, so dass alle davon profitieren“. Da spielen Betriebsgeheimnisse oder Angst vor Konkurrenz keine Rolle. „Wir sind sehr daran interessiert, dass der 'nachhaltige' Tourismus in der Region weiter ausgebaut wird“, betonen Kenners. „Deswegen arbeiten wir auch gerne mit anderen Betrieben in anderen Ecken des Landkreises zusammen.“ Um diesem Ziel noch näher zu kommen, haben sie zusammen mit Gleichgesinnten die Veranstaltungsreihe "elbgenuss" initiiert, die zwischen dem 25. September und dem 04. Oktober mit kulinarischen und kulturellen Highlights viele Besucher anziehen möchte.

Schnupperstufe für den Landkreis

Die aktuelle Wertung der hochrangig besetzten 26-köpfigen GEO Saison-Jury ist für Kenners nur Ansporn und Grund zur Hoffnung, dass andere Betriebe ihrem Beispiel folgen: „Für uns ist das eine echte Auszeichnung, die hoffentlich auch andere motiviert, ihre Betriebskonzepte zu überdenken.“

Die rund 2000 Gäste pro Jahr werden sie darin bestimmt unterstützen. Wie zu hören war, ist manch einer von ihnen vor lauter Begeisterung im Landkreis hängen geblieben – und hat die angeblich "so verlassene" Region zu ihrer neuen Heimat gemacht.

 

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Fotos: Kenners Landlust

 




2009-02-25 ; von Angelika Blank (autor),

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