Kirschblüten-Hanami von Doris Dörrie

Es gab uninteressantere Jahre für den Deutschen Film als 2008: die erschreckend wirklichkeitsnahe Neuauflage von „Die Welle“ von Dennis Gansel, Andreas Dreesen gelang der phänomenale „Wolke Neun“ und Uli Edel verfilmte Stefan Austs „Der Baader Meinhof Komplex“ – ein wenig opulent, doch sehenswert. Und dann gab es da noch „Kirschblüten-Hanami“: Elmar Wepper und Hannelore Elsner spielen Rudi und Trudi, und bis hierhin könnten wir glauben, wir seien im Öffentlich-rechtlichen am Dienstagabend um 20.15 Uhr. Doch weit gefehlt! Doris Dörrie gelingt ein verstörend zarter und scharfer Blick auf das Innenleben eines im Winter angelangten Beziehungsgeflechts.

Trudi erfährt, daß ihr Mann Rudi sterbenskrank ist. Sie sagt ihm davon nix, befolgt den Rat des Arztes, schiebt eine letzte gemeinsame Unternehmung an und überredet  Rudi, die Kinder und Enkelkinder in Berlin zu besuchen. Doch das zarte Pflänzchen Vorfreude weicht bitterer Ernüchterung: die Kinder sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um zu begreifen, daß auch der Tod zu Besuch ist. Wie auch? Selbst Rudi ahnt ja nichts. Also beschließen die beiden, ihre Reise an die Ostsee zu verlegen, sie ziehen in ein Hotel.

Auf den ersten Blick also das Übliche: Liebe, Leben und Tod, mit einem Hauch fernöstlicher Lebensphilosophie. Doch da ist mehr: während wir auf Rudi und Trudi blicken, schauen wir auf uns selbst. Wir sehen Bekanntes, Gewolltes, Geschehenes, aber auch Fremdes und Befremdendes, Beschämendes und Beängstigendes – jedoch immer Berührendes! Der Tod spielt eine große Rolle im Film, doch Doris Dörrie läßt ihre Akteure nicht lange traurig allein, nicht in Erinnerung an Verpaßtes verkümmern, sie eröffnet ihnen die Möglichkeit, sich neu zu entdecken. „Hanami“ bedeutet „Blüten schauen“ Und die Kirschblüte ist das Symbol für den Anfang des Frühlings. Auf schmerzhaft schöne Weise begegnen sich zwei Liebende, die im Tod finden, was sie im Leben verschüttet hatten: Nähe.

Wer Kitsch oder das Abgleiten in esoterische Sphären befürchtet, der kann entspannt durchatmen! Statt dessen begegnen wir einem großartig aufgelegten Schauspiel-Ensemble, das souverän und geradezu betörend von Elmar Wepper – der sein Kino-Debüt zelebriert – und Hannelore Elsner angeführt wird. Eine unbedingte Empfehlung!


Zu sehen ist „Kirschblüten-Hanami“ am Sonntag, dem 7. Juni, um 10.30 Uhr im Film-Café „Alte Brennerei“ in Lüchow.




2009-06-06 ; von René Schüttler (autor),

 

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