Kommentar: Beweise zermürben die Wahrheit

Es gibt Dinge, die gehören sich nicht. Das sieht man auf den ersten Blick. Und mehr läßt sich dazu eigentlich auch nicht sagen, meint Karl-Heinz Farni.

Meine Oma war eine einfache Bauersfrau auf einem kleinen Hof im südöstlichen Niedersachsen. Nix Bio, nix Öko, und „Umweltschutz“ stand damals noch gar nicht im Duden. Als sie sich Ende der 60er Jahre auf der Suche nach ihrer Katze aus Versehen beim Nachbarn in eine der ersten Hühnerbatterien verlief, fiel sie – zum ersten und letzten Mal in ihrem Leben – in Ohnmacht. Sie stand wieder auf, schlug sich den Staub von der Schürze, ging zu dem Nachbarn ins Haus und sagte nur einen einzigen Satz: „Das gehört sich nicht!“ Ich finde bis heute, daß damit alles zum Thema gesagt ist.

Bei Teplingen soll eine Hähnchenmastanlage entstehen: 40 000 Tiere auf 1 800 Quadratmetern. Das sind über 22 auf jedem einzelnen Quadratmeter (Stellen Sie sich 600 Hähnchen in Ihrem Wohnzimmer vor!). Ein einziger Blick in einen solchen „Stall“ genügt: Das gehört sich nicht.

Dasselbe gilt für die Dauer ihres „Lebens“: etwas mehr als ein Monat. Die Tiere liegen deutlich länger in Gefriertruhen als sie leben. Auch das gehört sich nicht.

Für mich ist nicht nachvollziehbar, daß auf Zigarettenschachteln heftige Warnungen abgedruckt sein müssen, während lebensfeindlich „produziertes“ Fleisch unter eine heile Welt vortäuschenden Tarnnamen in den Handel kommt, wie etwa „Wiesenhof“ oder „Gackerle“. Diese Hühner haben in ihrem ganzen Leben eine Wiese nicht einmal durch ein Fenster gesehen und Grund zum Gackerle hatten sie nie. Sie sollten unter „Maststall“ verkauft werden oder unter „Betonhof“. Und bitte nicht mit Bildern von Hühnern auf der Wiese, sondern so, wie es wirklich ist.

Das Wohlergehen der Tiere liege in seinem eigenen Interesse, weil sonst sein Gewinn geschmälert werde, beteuerte der Landwirt, der die Tiermastanlage betreiben will. Wie kann er von „Wohlergehen“ reden, wenn er 40 000 Tiere auf 1 800 Quadratmeter pfercht – und stolz bekanntgibt, daß sie gleich zweimal täglich Kontakt zu Menschen haben? Zweimal pro Tag werden die „Abgänge“ „entsorgt“.

Vielleicht muß es ja so sein, daß man sich darüber streitet, wieviel Quadratzentimeter mehr doch noch ein bißchen „artgerechter“ wären, oder daß man Gutachten heranzieht, die behaupten, daß Freilandhaltung Tierquälerei sei (wie im Auftrag der Landesregierung durch die Uni Hannover tatsächlich geschehen). Aber derlei Beweise (von welcher Seite auch immer) ermüden die einfache Wahrheit: So etwas gehört sich nicht. Mein größtes Problem bei der ganzen Sache ist: Wie dumpf und blind können Menschen sein?