Der "strategische Umweltbericht", den die Planungsgruppe Umwelt am Dienstag im Ausschuss vorstellte, zeigt: sowohl vorhandene Windkraftanlagen als auch für den Bau vorgesehene Flächen entsprechen oft nicht den Kriterien, die der Kreistag im März festgelegt hatte. Eine Verringerung der Windkraftflächen wäre die Folge, bliebe das Gremium bei seinen Vorgaben.
Erst im März hatte der Kreistag die Kriterien für die Errichtung von neuen Windkraftanlagen verschärft (siehe Bericht über die Kreistagsplanungen click hier! ). Bereits damals hatte die Verwaltung befürchtet, dass nicht nur der Bau neuer Windenergieanlagen durch die Beschlüsse weitestgehend verhindert wird, sondern dass auch die Repoweringmöglichkeit (Verstärkung der Anlagen durch Einsetzen von Maschinenteilen mit höherem Wirkungsgrad) an vielen bereits vorhandenen Anlagen ausgeschlossen wird.
Der Bericht der Planungsgruppe Umwelt bestätigte diese Befürchtungen weitgehend. Dieser Bericht, der die Ergebnisse der Strategischen Umweltprüfung (SUP) zusammenfasst, ist ein wesentlicher Bestandteil des weiteren Planungsprozesses zur Festlegung neuer
Potenzialflächen (Flächen, die für die Errichtung von Windkraftanlagen geeignet sind).
Am Dienstag stellte Oliver Gockel dem Umwelt- und Naturschutz-Ausschuss diesen Bericht vor, der untersucht, inwieweit sich die bestehenden Windenergieanlagen sowie die vorgesehenen Potenzialflächen mit Umweltschutzkriterien sowie den durch den Kreistag vorgegebenen Regelungen vertragen.
"Restriktives Planungskonzept" lässt nur noch wenig neue Flächen zu
Kurz gefasstes Ergebnis: Es sind "aufgrund des gewählten restriktiven Planungskonzeptes" (Kreistagsbeschluss vom März 2014) nur sehr wenige potenzielle neue Vorrangflächen ermittelt worden. In seiner März-Sitzung hatte der Kreistag beschlossen, dass Windkraftanlagen weiter als 1000 m von Wohnhäusern entfernt
stehen, über 600 m von Einzelhäusern und Splittersiedlungen im
Außenbereich entfernt sein sowie mindestens 400
m Abstand von Gewerbeansiedlungen halten müssen. Ein Abstand von 5 Kilometern zwischen den Vorrangflächen sollte nach Vorliegen des Umweltberichtes diskutiert und dann gegebenenfalls beschlossen werden. Bei dieser Festlegung
orientierte sich die für den Beschlussvorschlag federführende Gruppe X
an Werten, die der Niedersächsische Landkreistag beschlossen hatte.
Nach dem Ergebnis des Umweltberichts sind die allermeisten Windkraftanlagen bzw. die dafür vorgesehenen Flächen nur bedingt geeignet, viele müssten verkleinert werden, einige sollten nach den Empfehlungen des Umweltberichts ganz entfallen.
Völlig aus der Planung sollten allerdings nach Ansicht der
Umweltfachleute mehrere Bereiche genommen werden, die weder weichen noch harten
Tabukriterien entsprechen und/oder die schlichtweg zu klein sind:
Im Einzelnen sind dies:
Potenzialflächen Trabuhn + Reetze: hier weicht die Lage der
Flächen - außer einer Teilfläche - vollständig von den weichen
Kriterien gemäß Kreistags-Beschluss ab: sie liegt zu nah an einer
Siedlung, an einer Landesstraße sowie zu dicht an einem FFH- und
Vogelschutzgebiet. Außerdem wurden hier neben dem Weißstorch auch der
Rotmilan, Seeadler sowie Fledermäuse geortet. Nach Ansicht der
Umweltplaner sollte diese Fläche vollständig entfallen.
Potenzialfläche südlich von Leisten: dieses Gebiet ist nach
Ansicht der Umweltplaner grundsätzlich nicht geeignet, weil es sich mit
dem Vogelschutzgebiet Drawehn überlagert. Diese Fläche sollte "aus der
Gebietskulisse" entlassen werden.
Potenzialflächen Prezelle: Sollten alle drei Anlagen, die hier
geplant sind, umgesetzt werden, so würde sich nach Meinung der
Umweltplaner eine "einkreisende Wirkung" des Ortes Prezelle ergeben.
Außerdem hat die Potenzialfläche Prezelle Nord die vergleichsweise
niedrigste Standorteignung (wenig Wind zu erwarten) und: auch hier
stehen Vorkommen von Kranich, Schwarzstorch und Seeadler einer
Empfehlung aus Umweltsicht entgegen. Die Fläche "Nord" sollte also
ebenfalls entfallen bzw. gegebenenfalls mit einer der beiden anderen
Flächen getauscht werden.
Ergänzungsfläche Woltersdorf-Ost: Sollte diese Anlage gebaut werden, so
hätte sie ebenfalls einkreisende Wirkung für den Ort Woltersdorf, da auf
dem Thurauer Berg bereits recht viele Windkraftanlagen stehen. Sie gilt
den Umweltlplanern auch deswegen als "eher ungünstige" Fläche, weil
hier Rohrweihen ihren Brutplatz haben und Kraniche ihre Rastplätze. Auch
dieses Gebiet sollte also entfallen.
Zusammen mit den Beschränkungen anderer Flächen errechnen die
Umweltplaner nur noch 553,5 ha Flächen, die mit Windkraftanlagen belegt
sind oder belegt werden können. Das sind gerade einmal 0,45 % der gesamten Landkreis-Fläche. Zum Vergleich: nach dem alten Regionalen
Raumordnungsprogramm waren es bisher 661 ha, die für Windkraftanlagen
vorgesehen waren.
Das Land fordert dagegen in seinem Windenergie-Erlass, dass der Landkreis 1576 ha als Vorranggebiete für die Errichtung von Windkraftanlagen festlegt. Jürgen Schwarz, Regionalentwickler beim Landkreis dazu: "Das ist ein frommer Wunsch vom Land. Selbst bei Anpassung der Kriterien kommen wir nie auf diesen Satz. Soviel Fläche haben wir gar nicht." Außerdem bezweifelt Schwarz die rechtliche Grundlage für die Flächenfestlegung per Erlass. Wenn überhaupt könne das Land den Landkreisen nur über das Landesraumordnungs-Programm Vorgaben machen, ist der Regionalplaner überzeugt.
Dennoch muss der Landkreis nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgericht "substantiell" Raum für Windenergie schaffen. Angesichts der Tatsache, dass nach den Vorgaben des Kreistages weniger Windkraftflächen zur Verfügung stünden als vorher, wird in den nächsten Monaten hart zu diskutieren sein, wie der Windenergie in Lüchow-Dannenberg mehr Raum verschafft werden kann.
Nun stellt sich die Frage, inwieweit in diesen Fällen eine Abweichung vom Planungskonzept, so wie es der Kreistag festgelegt hatte, vertretbar ist. Der Umweltbericht kommt zu dem (vorläufigen) Schluss, dass dies in der Regel der Fall ist - wenn auch mit Flächenanpassungen an die harten Tabukriterien (z. B. Abstand von 1000 m zu Wohnhäusern). Heißt im Klartext: auch bei den schon vorhandenen Anlagen sollten Flächenbegrenzungen vorgenommen werden.
Außerdem muss geklärt werden, wie die Aufrechterhaltung von Bestandsflächen, die nicht dem Planungskonzept des Kreistags entsprechen, rechtlich sichergestellt werden kann.
Mit der komplizierten Frage, wie der Windkraft mehr Raum gegeben und trotz dem Schutzbedürfnis von Mensch, Natur und Umwelt Rechnung getragen werden kann, werden sich nun die Gremien des Landkreises weiter beschäftigen müssen.
Sie müssen sich auch überlegen, ob sie angesichts des niederschmetternden Ergebnisses des Umweltberichtes bei ihren scharfen Kriterien bleiben wollen. Frühestens im 1. Quartal des nächsten Jahres wird es zu diesem Thema einen neuen Vorschlag geben, über den dann der Kreistag abstimmen kann.
PS: Sollte es tatsächlich so kommen, dass der Landkreis keine weiteren Windenergieflächen im offenen Land nachweisen kann, so könnte das im wahrsten Sinne "Aufwind" für die Planung von Windkraftanlagen im Wald bedeuten. Allerdings müssten vorher auch noch Möglichkeiten in vorbelastetem Wald (wie in Neu Tramm oder Dragahn) geprüft und ausgeschlossen werden.
Foto / Angelika Blank: Für die Windkraft in Lüchow-Dannenberg siehts düster aus - sollte der Kreistag bei seinen restriktiven Vorgaben bleiben.