Thema: endlagersuche

Konträre Reaktionen auf Bericht der Endlagerkommission

Am Montag schloss die Endlagerkommission in Berlin mit einem 600-seitigen Bericht ihre Arbeit ab. Die Reaktionen sind gespalten: während Umweltminister Stefan Wenzel das Ergebnis als "großen Erfolg" sieht, bewerten Parteikolleginnen das Papier wesentlich kritischer.

Die letzte Sitzung der Endlagerkommission am Montag hatte bis tief in die Nacht gedauert, bevor auch die letzte Formulierung mehrheitlich abgestimmt werden konnte. Nach zwei Jahren legte die Kommission nun Empfehlungen für die Suche nach einem Endlagerstandort für radioaktiven Abfall fest.

Teil des 600 Seiten starken Berichts ist zum Beispiel die Frage, wie mächtig ein Gebirge sein muss und wie durchlässig es sein darf, um größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten. Festgelegt wurden außerdem weitere Kriterien für die Eignung als Endlagerstandort, die Art der Öffentlichkeitsbeteiligung sowie Vorschläge für Änderungen im Standortauswahlgesetz.

Die Reaktionen auf den Abschlussbericht sind sehr gemischt. Während Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel das Ergebnis als großen Erfolg für den Neubeginn für die Suche nach Atommülllager sieht, stehen seine Parteikolleginnen Miriam Staudte (Landtag) und Julia Verlinden (Bundestag) dem Entwurf wesentlich kritischer gegenüber.

Wenzel: "Vorfestlegung der Atomindustrie auf Gorleben ist vom Tisch"

„Die Kommission hat trotz einer sehr kontroversen Interessenlage der unterschiedlichen Beteiligten insgesamt sehr konstruktiv gearbeitet. Mehr als zwei Jahre harter Arbeit haben sich gelohnt. Der Weg ist frei für einen Neubeginn“, sagte der Minister am Dienstag vor der Presse in Hannover. Die jahrzehntelange Vorfestlegung der Atomindustrie auf den Endlagerstandort Gorleben sei mit den Vereinbarungen im Abschlussbericht der Kommission vom Tisch, sagte Wenzel.

Die Festlegung auf die Forderung nach einer möglichst mächtigen und vollständigen Überdeckung mit grundwasserhemmenden Gesteinen im Deckgebirges als Abwägungskriterium gilt für Wenzel ebenso als positives Signal wie die Aufhebung des Ausschlusses von kristallinen Gesteinen. Noch vergangene Woche hatte Bayern versucht, den Verbleib von Granit als möglichem Wirtsgestein im Berichtsentwurf zu verhindern. Hintergrund: ausreichende Granitlagen gibt es in Deutschland fast ausschließlich in Bayern.

Auch ein Schlag gegen bayerische Interessen ist die im Bericht eingeräumte Möglichkeit, dass der  Nachweis der Sicherheit auch über ein Zusammenwirken des Wirtsgesteins mit geotechnischen oder technischen Barrieren erfolgen kann.

Mit seiner Forderung nach einer Grenztemperatur von 100 Grad als maximale Einlagerungstemperatur auch in Salzgestein konnte Wenzel sich in der Kommission durchsetzen. Unter anderem erleichtert diese Temperaturbegrenzung eine womögliche spätere Rückholung oder Bergung des eingelagerten Abfalls.

Auch die Festlegung auf eine Fehlerkorrektur durch Rückholung oder Bergung ist für Wenzel ebenfalls ein positives Signal dafür, dass der Salzstock Gorleben nicht als Endlagerstandort benannt wird.

Entscheidend sei nun, wie die inhaltlichen Ergebnisse der Kommission in die weiteren politischen Beratungen und Entscheidungen einfließen. Wenzel begrüßte, dass die Kommission ihre Arbeit als Begleitgruppe für den parlamentarischen Prozess und das Suchverfahren fortsetzen wird. „Damit werden wir auch für die Bürgerbeteiligung in dieser schwierigen gesellschaftlichen Herausforderung weitere Akzente setzen können.“  

Miriam Staudte: "Leider kein ergebnisoffener Neustart"

"Das Ergebnis der Endlagerkommission ist leider kein ergebnisoffener Neustart. Oberstes Ziel eines Endlagersuchverfahrens sollte der ´bestmögliche Standort´ sein, doch auch diese Formulierung wurde im Abschlussbericht abgeschwächt. Da der geologisch mangelhafte Standort Gorleben im Verfahren bleiben sollte, war die Entwicklung von objektiven, rein sicherheitsorientierten Suchkriterien nicht durchsetzbar," so die atompolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Miriam Staudte. „Gorleben soll offensichtlich nicht nur zum Start des Suchverfahrens, sondern bis zur letzten Abwägung im Rennen gehalten werden. Gorleben-Befürworter haben Auswahlkriterien verhindert, die die geologischen Mängel von Gorleben offenbart hätten. Der weitere Umgang mit Gorleben wird so während des ganzen Verfahrens ein Dauerthema bleiben.“

„Das engagierte Anliegen von Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel, ein durchgängiges Deckgebirge zu einer verpflichtenden Mindestanforderung für jeden Salzstandort zu machen, konnte sich leider nicht durchsetzen. Es ist zu begrüßen, dass eine Grenztemperatur von 100 Grad Celsius für die Einlagerung in alle Wirtgesteine festgelegt wurde," so Staudte weiter. 

Julia Verlinden: "Immer noch erhebliche Zielkonflikte"

„Die Kommission hat über 2 Jahre lang intensiv zu wichtigen gesellschaftlichen Fragen des Umgangs mit dem Atommüll gerungen," so das Statement von Julia Verlinden, grüne Bundestagsabgeordnete. "Einige Fragen konnten geklärt werden, andere haben bis zum Schluss zu heftigen Debatten geführt. Es ist nicht gelungen, zu allen Punkten einen Konsens innerhalb der Kommission zu finden: Mehrere Sondervoten zeigen, dass es weiterhin erhebliche Zielkonflikte verschiedener Akteure gibt."

Im Abschlussbericht seien dem Gesetzgeber nun wissenschaftliche Kriterien für die folgende Standortauswahl empfohlen worden, die nicht zwangsläufig gewährleisten, dass der sicherste und bestmögliche Endlagerstandort ausgewählt werde, so Verlinden weiter. "So ist die Anzahl der mindestens miteinander zu vergleichenden untertägig erkundeten Standorte nicht festgelegt. Außerdem sind geologische Kriterien, die für größere Sicherheit gesorgt hätten, nicht als Mindestkriterien, sondern nur als 'Abwägungskriterien' beschlossen worden. Damit wurde das früher unverzichtbare Mehrbarrierensystem aufgegeben," ist Verlinden überzeugt. 

Andererseits bewertet Verlinden positiv, dass es Umweltminister Wenzel gelungen sei, die grundsätzliche Festlegung der Grenztemperatur von maximal 100 Grad bei der Einlagerung des Atommülls sowie eine Ausweitung der Klageberechtigten zu erreichen. 

"Das nun geplante nationale Begleitgremium, dass das Standortauswahlverfahren beobachten soll, braucht kritische Personen, die die einzelnen Schritte des Bundesamt für Entsorgungssicherheit konsequent überprüfen und die gesellschaftliche Debatte begleiten," rief Verlinden zum weiteren Engagement auf.

PS: Am Donnerstag wird das Aktionsbündnis "Schulterschluss" (zu dem neben BI, Bäuerlicher Notgemeinschaft und den betroffenen GrundstückseigentümerInnen auch der Kirchenkreis, die Kreisverbände der Parteien SPD, Grüne und FDP, die Kreisgruppen von BUND und NABU, DGB und einige andere Gruppen gehören) seine kritische Bewertung des Gesamtberichts vorstellen.

Foto / Andreas Conradt, publixviewing: "Gorleben stoppen" bleibt auch bei Landes- und Bundespolitikern die oberste Maxime bei der Suche nach einem Endlagerstandort.





2016-06-28 ; von asb (autor),
in Berlin, Deutschland

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