Dass man sein Handwerk auch aus dem Rollstuhl heraus weiter ausüben kann, beweist Ewald Klipp in Kriwitz. Er ist einer der Letzten, die die alte Kunst des Körbeflechtens noch beherrschen - und er gibt sein Wissen gern an Andere weiter.
"Im Märzen der Bauer die Rösslein anspannt.. " heißt es im alten Volkslied. Und hinaus ging es auf Felder und Wiesen. Damit hatten dann auch viele praktische Verrichtungen und Handarbeiten in den Bauernstuben und auf der Tenne während der dunklen Jahreszeit ein Ende. Abgewetztes Leinen musste immer wieder ersetzt werden, und natürlich wurde auf den Höfen auch viel an Körben gebraucht und verschlissen. Und das Geld zum Kaufen auf dem bekannten "Kriwitzer" oder "Trebeler Markt", von fahrendem Volk oder fliegenden Händlern war knapp. Also wurde gesponnen und gewebt. Und es wurden auch Körbe geflochten.
Diese alte Handwerkskunst hat Ewald Klipp, der Kriwitzer Bauer, Jäger und einer der wenigen überlebenden Dorf-Kneipiers im Lemgow einst von Opa und Vater erlernt und führt sie getreu dem Meistersinger-Wahlspruch: "Ehrt eure alten Meister, dann bannt Ihr gute Geister!" fort. Und wie er das macht, ist belebend und beispielgebend: Seit drei Jahren schart er in seiner Gaststube regelmäßig an zwei Wochentagen zwischen November und März nacheinander Anfänger-, Fortgeschrittene- und weiter Fortgeschrittene Gruppen von Männlein und Weiblein aller Altersgruppen und aus dem ganzen Landkreis um sich. Was man dazu braucht? Ein wenig Werkzeug und Weidenruten, viele Weidenruten.
Jetzt ist es wieder so weit, Gabriele und Elke beenden gerade ihr zweites und Andrea ihr drittes Flecht-Jahr bei Ewald. Jetzt brennen sie mit ihren etwa 20 "Mitschülern" darauf, einer breiteren Öffentlichkeit ihre Flecht-Werke vorzustellen. Das soll nun am Sonntag, 30. März 2014, 14.00 bis 17.00 Uhr auf dem Saal vom Gasthof Klipp geschehen - zur besten Kaffeezeit also. Und mit Kuchen und Torten nach Landfrauenart - das kann ja heiter werden!
Was macht den Spaß und die Freude an den Flechtkursen aus? "Wir hüten keine Weidenruten, das heißt, wir lagern sie nicht erst
lange," erklärt Ewald. "Wir ernten sie frisch nach dem ersten Frost den
ganzen Winter über, damit wir sie ungewässert, ungeschält und nicht
abgelagert biegsam verarbeiten können. Und auch nicht über'm heißen
Tüffeldämper!"
Obwohl er durch den unglücklichen Verlauf einer angeborenen Krankheit auf den Rollstuhl angewiesen ist, führt er auf seinem Quad voran zu den oft nur ihm bekannten Kopfweiden. Es macht Spaß, ihn umgeben von seinen Schülerinnen zu erleben: Mal Hinweise für das richtige Ablängen oder bestimmte Handgriffe für bestimmte Muster wie einen "Korbspiegel" (Raute, die den Anschluss von Tragegriff und Korbrand überdeckt) gebend, mal Dönekes berichtend. So hätte seine Oma noch gewebt, während sein Vater und Opa noch mehr gekonnt hätten als Flechten. Stricke drehen nämlich oder aus Holz "Schlaan, Schlarren oder Schlorren" (oder ganz einfach hochdeutsch: Holzpantinen) herstellen.
Klipp ist auch der
Erfinder von zwei kräftigen mechanischen Holzspaltern und einem
Holzbündelgerät. Und er veranstaltet einmal im Monat einen
Bauern-Klönabend. Neben Spritzmitteldüngung, Landwirtschafts- und
Landschaftspflege wird kein Thema ausgelassen bis zu Windkraftanlagen
und Nachtvögeln oder "Bauer sucht Frau". Plattdeutsch geht es dabei auch
zu. Denn nicht umsonst hat Ewald Klipp zum Beispiel jahrelang
regelmäßig Beiträge zur NDR-Hörsendung "Hör mal'n beeten to!"
eingesandt.
Foto / Bernd Bruno Meyer: Ewald Klipp (links) findet immer Interessierte für seine Flechtkurse.