Für die Ausweitung von Flächen für den Windkraftausbau stimmte die Mehrheit der Kreistags-Abgeordneten am Montag - und sorgte somit dafür, dass die Verwaltung mit detaillierten Umweltprüfungen die meisten der Flächen wieder ausschließen kann.
Trotz der ausführlichen Darstellung im Fachausschuss vor knapp zwei Wochen erläuterte Baudezernentin Maria Schaaf vor dem Kreistag noch einmal, warum die Verwaltung für eine Ausweitung der Flächen für Windkraft-Vorranggebiete plädiert.
"Windkraftanlagen sind nach dem Gesetz priviligierte Bauvorhaben, die genehmigt werden müssen, sofern dem Vorhaben nicht öffentliche Belange entgegenstehen," erinnerte Schaaf an das Risiko, dass der Landkreis eingeht, wenn er kein gültiges Regionales Raumordnungsprogramm (RROP) beschließt. Im Klartext heißt das: auch in Feld und Flur müssen dann Bauvorhaben genehmigt werden, sofern öffentliche Vorgaben wie z.B. Lärmschutzrichtlinien eingehalten werden. Das, was der Kreistag wolle, nämlich die Begrenzung von Windkraftanlagen, könne dann nicht realisiert werden. "Den Wildwuchs können wir dann nicht mehr eindämmen."
Nur mit einem gültigen RROP behalte der Landkreis seine Steuerungsmöglichkeiten, wo und wie viele Windkraftanlagen gebaut werden dürfen. Genehmigungsfähig wäre dieses RROP allerdings nur, wenn es klar belegt, warum nur wenige Flächen für die Nutzung als Windenergie-Standorte ausgewiesen werden. "Weiche und harte Tabuzonen müssen benannt, einheitliche Kriterien für den gesamten Landkreis festgelegt werden," skizzierte Schaaf die Vorgaben aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. "Gleichzeitig muss das RROP aber der Windkraft auch substanziell Raum geben."
Nur ein Raumordnungsprogramm, welches diesen Vorgaben entspricht, sei genehmigungsfähig, warnte Schaaf. Wie schon in der Ausschuss-Sitzung wies sie daraufhin, dass die meisten Flächen durch eine detaillierte Umweltprüfung wieder herausfallen würden - dann allerdings rechtssicher.
Umweltschützer und Gorlebengegner lehnen Verwaltungspläne ab
In einer scharf geführten Debatte tauschten die Abgeordneten ihre Argumente für und wider die Verwaltungspläne aus. LINKE und Soli-Vertreter lehnten die Pläne kategorisch ab, Grüne Abgeordnete plädierten für moderate Erweitung und die CDU äußerte sich vorbehaltlos positiv über die Verwaltungspläne.
Für Kurt Herzog (LINKE) wird durch die Windkraft-Investitionen das "goldene Kalb Wachstum" umtanzt. "Außerdem unterschätzen die Grünen die Eigendynamik kapitalistischen Gewinnstrebens," so Herzog in Bezug auf eine Pressemitteilung der grünen Bundestagsabgeordneten Julia Verlinden, die sich für einen "moderaten Ausbau" der Windkraft ausgesprochen hatte.
Am meisten störte Herzog jedoch, dass die Verwaltung nach seiner Ansicht "die Politik" machen wolle. "Unser Kreistagsbeschluss aus dem März 2014 soll durch die Verwaltung pulverisiert werden," zeigte sich Herzog überzeugt. "Da wird so lange durchgerechnet, bis es passt. Dabei werden die Selbstverwaltungsorgane wie der Kreistag ausgehebelt." Welches Ziel die Kreisverwaltung allerdings nach seiner Meinung verfolgt, benannte Herzog nicht.
Hermann Klepper, Vertreter der SOLI-Fraktion, plädierte erneut vehement gegen die Verwaltungsvorlage. Klepper will keine weiteren Windkraftanlagen mehr, denn seiner Meinung nach sind diese "Wachstumsbeschleuniger", die ein falsches Wirtschaftssystem unterstützen und befördern.
Den drohenden Wildwuchs bezweifelt Klepper, ebenso die angebliche "Verhinderungsplanung", die der Kreistag durch seinen Vorjahresbeschluss provoziert haben soll. Eine Klage könne man getrost abwarten, so Klepper. Der "besonderen Naturraum" im Landkreis müsse bei den Planungen berücksichtigt werden.
Ähnlich sah es Martin Donat, ebenfalls SOLI. Er hält die Windkraft für einen Bestandteil der "Systematik der Gier". Bürgerprojekte würden durch die Planungen ausgehebelt, ebenso die Rechte der Parlamente. Außerdem seien bestehende Vorranggebiete nicht in die Berechnungen mit aufgenommen worden. Im Gegensatz zu Klepper betonte Donat, dass er nichts gegen Windkraft habe ("im Gegenteil"), es müssten allerdings die Regeln der parlamentarischen Demokratie eingehalten und Bürger in die Planungen einbezogen werden.
"Ein intensiver Güter-Abwägungsprozess"
SPD und Grüne dagegen nahmen eine moderate Haltung zu den Plänen der Verwaltung ein. "Wir befinden uns hier in einem intensiven Güterabwägungsprozess," so Klaus-Peter Dehde für die SPD. "Wir müssen uns mit den warnenden Worten der Verwaltung auseinandersetzen. Es auf eine Klage ankommen zu lassen, ist der absolut falscheste Weg," nahm Dehde auf die Ablehnung durch Hermann Klepper Bezug. Richtssicherheit müsse geschaffen werden.
Allerdings müsste nach den Vorstellungen von Dehde in einem späteren RROP auch die Situation in den Nachbarlandkreisen berücksichtigt werden, in denen recht viele Windkraftanlagen stehen - zum Teil auch dicht an der Landkreisgrenze.
Elke Mundhenk (Grüne) warnte vor den Folgen eines ungenehmigten Raumordnungsprogramms und erinnerte daran, dass um das Jahr 2004 vier Windkraftanlagen in der Zeit genehmigt worden waren, in der es kein gültiges RROP gab. Natürlich müssten neben dem Aufbau leistungsstarker Windkraftanlagen wertvolle Naturschutz- und Vogelschutzgebiete geschützt werden und die Energieeffizienz müsse gesteigert werden. "Aber wir wollen den Erfolg der Energiewende," plädierte Mundhenk für die Verwaltungspläne. "Wir wollen unseren Kindern Energieformen organisieren, die das Klima schützen und nicht weiter belasten." Dazu gehöre auch die Windkraft.
Die CDU unterstützte die Verwaltungsvorlage vorbehaltlos, denn, so Fraktionsvorsitzende Uwe Dorendorf, "wir sehen die Verwaltung nicht als Gegner". Im Gegenteil, er erwarte geradezu, dass die Verwaltungsfachleute auf Gefahren und Risiken hinweisen und warnen.
Einzig Dr. Hans-Christian Lange lehnte die Verwaltungsvorlage aus dem Grunde ab, weil dadurch kaum noch Windkraftanlagen gebaut werden würden. "Diese Planungen geben der Windenergie nicht genügend Raum," so Lange. Dabei würden die Windkraftanlagen zur Realisierung der Energiewende dringend gebraucht.
Nach einer rund einstündigen Debatte stimmten die Abgeordnetenmit großer Mehrheit (27 Ja, 6 Nein, 1 Enthaltung) für die Annahme der Verwaltungsvorlage. Das heißt konkret: in den weiteren Planungen werden die Vorranggebiete für Windkraftanlagen zunächst ausgeweitet, um dann Einzelfallprüfungen in Sachen Umwelt unterzogen zu werden. Auf diese Weise, davon ist die Verwaltung überzeugt, werden sich die meisten der ausgewiesenen Flächen aufgrund diverser Schutzvorschriften wieder erledigen.
Nach Überprüfung aller Flächen wird das entwickelte Regionale Raumordnungsprogramm mit den dann ermittelten Vorrangflächen wiederum dem Kreistag zur Entscheidung vorgelegt.
Folgende Unterlagen stehen hier zum Download bereit:
Übersichtskarten Vorrangflächen neu (Stand Februar 2015/ Größe 22 MB!) click hier!
Tabellen mit den von der Verwaltung vorgeschlagenen Veränderungen - click hier!
Foto / Angelika Blank: Windkraftanlagen am Thurauer Berg