Thema: politik

Erlebnisregion Lüchow-Dannenberg, heute: der Kreistag

"Erlebnisregion Elbtalaue - Wendland" - so lautet der touristische Slogan des Landkreises. Vielleicht sollte man in das Gäste-Programm auch die Kreistagssitzungen aufnehmen - auch wenn dieses Event nur die ganz Harten anziehen dürfte. Die, die mal so richtig abtauchen wollen in die Untiefen politischer Entscheidungsprozesse.

Highlight in diesem Winter: der Auszug der CDU-Fraktion noch vor der Haushaltsdebatte. Denn die Herren und Damen Abgeordneten hatten Hunger. Und Essen darf ja schließlich nicht kalt werden.

Nachdem man in Sachen Elbbrücke über zwei Stunden brav die Interessen des Ministerpräsidenten vertreten und das von rund 4000 Einwohnern der Gemeinde Amt Neuhaus gewünschte 40-Millionen-Projekt vehement verteidigt hatte, brach bei den 18 Abgeordneten der CDU kollektiv akute Erschöpfung aus. Plötzlich sah man sich nicht mehr imstande, dem weiteren Sitzungsverlauf zu folgen.

Ist ja auch wirklich eine Herausforderung, dem Landkreis-Gremium zu verkaufen, dass es sinnvoller politischer Plan ist, wenn 40 Millionen für die Interessen von 4000 Menschen (maximale Anzahl der Brücke-Anhänger im Amt Neuhaus) ausgegeben werden, aber 28 Millionen für die Sanierung der Lüchow-Dannenberger Schulen vom Land wieder zurück gezogen werden. Dass es natürlich richtig ist, wenn das Land für 2009 die Einsparung von weiteren 6 Mio im Haushaltsplan des Landkreises erwartet, gleichzeitig aber die Mitfinanzierung der Brücke in Höhe von 700 000 Euro fordert. Und dann noch die Zustimmung zu rund 200 000 Unterhaltskosten-Anteil im Jahr damit schön zu reden, dass es doch "ein Glücksfall" sei, wenn diese fünf Jahre lang nicht berechnet würden. Dass nach diesen fünf Jahren im Streitfall der dann amtierende IHK-Präsident ermächtigt wird, zu entscheiden, in welchen Anteilen die Kosten zu verteilen sind, spielte im Eifer des Gefechts fast keine Rolle mehr.

... Mensch, Frau Bertholdes-Sandrock, wer hätte da kein Verständnis, dass Sie richtig Hunger bekommen. Wahrscheinlich hat die Anstrengung, konsequent die wirtschaftliche Unsinnigkeit des Brückenprojektes weg- und die massiven Belastungen für Lüchow-Dannenberg klein zu reden, Kilokalorien auf Schwerstarbeiter-Niveau verbraucht.

Da die CDU-Abgeordneten offensichtlich die Anstrengungen der kommenden Brückendebatte ahnte, hatte man sich kurz nach Beginn der Debatte schon einige Biere bestellt und sich vorsichtshalber Stunden vorher die Speisekarte geben lassen, damit auch ja nichts schief geht.

"Wir gehen!"

Kaum war der Parteiauftrag erledigt und der Brückenbeschluss im Sinne der CDU gefasst, gabs kein Halten mehr. Forsch verkündete Fraktionsvorsitzender Klaus Wohler "Wir gehen!" Mit weltmännischer Geste brubbelte er noch schnell den Antrag herunter, den Rest der Sitzung doch auf Januar zu vertagen, dann könne man doch in Ruhe alles entscheiden. Jetzt hätte man allerdings Hunger, das müsse man doch verstehen und überhaupt - die Tagesordnung sei sowieso viel zu überladen, das hätte man schon immer kritisiert. Die ganze Fraktion schon halb im Aufbruch befindlich, schien niemand einen Zweifel daran zu haben, dass ihnen ihr Essenswunsch genehmigt würde.

Da rang sogar Landrat Schulz um Fassung, sah er sich doch unversehens mit der womöglichen Führung eines Nothaushalts konfrontiert.

Aber glücklicherweise hatte Herr Wohler in seiner Begeisterung über den gerade gewonnenen Elbbrücken-Kampf ganz übersehen, dass die CDU ihren Sieg nur der Tatsache verdankte, dass die SPD in Sachen Brücke zerstritten ist und nach Treppenhaus-Gerüchten für alle Abgeordneten das Karriere-Aus verkündet hatte, sollten sie für Vertagung stimmen. Sichtlich irritiert musste Wohler nun erleben, dass sich die anderen Kreistagsparteien in ihrer Entrüstung über den akuten Hungeranfall ganz fix wieder einig waren. So empört war man über die Dreistigkeit, dass der CDU nicht einmal eine 10-minütige Sitzungsunterbrechung gewährt wurde.

Die CDU quittierte diese Ablehnung mit geschlossenem Abzug aus dem Sitzungssaal. Ab ging's zum Gelage - was schert die CDU schließlich der Jahreshaushalt unseres maroden Landkreises. Sollen sich doch die anderen mit dem rund 500 Seiten starken Zahlenwerk quälen. Und dass drei Ganztagsschul-Anträge noch vor Ende des Jahres gestellt werden müssen, scherte die vorgeblich so bildungsbeflissene Karin Bertholdes-Sandrock ebenso wenig.

So richtig bedauern konnte den Abzug der CDU allerdings niemand: hatte die Besprechung von neun Tagesordnungspunkten (TOP) unter Anwesenheit der CDU fünf Stunden gedauert, brauchte es ohne ihre Beteiligung jetzt nur noch wenige Minuten, bis wieder ein TOP erledigt war.

Wie sagte doch Martin Donat (GLW): " Wir haben hier heute Dienst, Dienst an den Bürgern und Bürgerinnen Lüchow-Dannenbergs. So wie Sie sich hier verhalten, ist ein deutliches Zeichen dafür, wie Sie mit den Belangen des Landkreises umgehen.“ ...

Wie gesagt: es ist immer wieder ein Erlebnis, an einer Kreistagssitzung teilzunehmen. Anmeldungen für die nächste Sitzung am 19. März 2009 nimmt die Kreisverwaltung sicherlich gerne entgegen. 

Doch beim Besuch sich bitte immer wieder folgenden Auszug aus der Niedersächsischen Landkreis Ordnung (§ 26) vor Augen halten: "Der Kreistag ist das Hauptorgan des Landkreises. Er legt die Grundsätze für die Kreisverwaltung fest und entscheidet über alle wichtigen Angelegenheiten des Kreises, sofern nicht kraft Gesetzes der Kreisausschuss oder der Landrat zuständig sind." Sonst könnte man leicht vergessen, dass man sich nicht im Kindergarten, sondern im zentralen Entscheidungsgremium einer Region mit über 50 000 Einwohnern befindet.

Foto: Ob die Schnitzel im Gildehaus mit diesem Steak mitgehalten haben, konnten wir leider nicht ergründen...
Fotograf: Gerhard Ziegler

 

 

 

 

 

 




2008-12-16 ; von Angelika Blank (autor),

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