Der Lüchow-Dannenberger Kreistag hat heute in seiner Sitzung in Zernien die Beauftragung eines Gutachtens über Einsparungsmöglichkeiten einer eventuellen Fusion mit dem Landkreis Uelzen abgelehnt.
In der rund einstündigen Diskussion zum Thema sprachen sich außer der CDU alle im Kreistag vertretenen Fraktionen gegen ein sogenanntes „Fusionsgutachten“ aus. Für Klaus-Peter Dehde, SPD-Sprecher, würde mit der Beauftragung des Gutachten die Zerschlagung des Landkreises eingeläutet werden. „Wir müssen endlich unsere Bittstellerhaltung aufgeben und uns nicht brav zeigen, damit Geld von außen kommt“, so Dehde in seiner Rede. Schon mit den „Gorleben-Geldern“ sei man mit dieser Haltung auf die Nase gefallen.
Nach Dehdes Ansicht hat vor allem die Uelzener Verwaltung umfassende Berechnungen über mögliche Einsparungen im Falle der Fusion der Landkreise Uelzen und Lüchow-Dannenberg angestellt. Ergebnis: ganze 2,5 Mio. Euro wäre das mögliche Einsparpotenziel. Zu wenig, befand SPD-Abgeordneter Dehde, um einer womöglichen Fusion zuzustimmen. „Nach den Berechnungen könnten wir mit dem neuen Konstrukt bei Fortschreibung der aktuellen Bedingungen im Jahre 2034 ohne Kassenkredite auskommen.“ Es stelle sich die Frage, warum man nicht den Zahlen der Verwaltungsbeamten vertrauen und stattdessen ein teures Gutachten in Auftrag geben solle.
Land muss bessere Finanzbedingungen schaffen
Dehde wies desweiteren darauf hin, dass nach Zahlen des Landkreistages 34 % aller Kassenkredite in Deutschland in Niedersachsen entstanden sind. Die Pro-Kopf-Verschuldung in Lüchow-Dannenberg betrage dagegen mit knapp 600 Euro die Hälfte im Vergleich mit den Landkreisen Uelzen oder Lüneburg. „Das Land muss endlich Finanzbedingungen herstellen, die es den Landkreisen ermöglicht, vernünftig zu wirtschaften. Der unzureichende Finanzausgleich in Niedersachsen ist das eigentliche Thema“, so der Kreistagsabgeordnete.
Für Kurt Herzog, GLW, haben die rund 100 Sitzungen, die in den vergangenen Jahren bereits zum Thema Strukturreform stattgefunden haben, „viel Energie geklaut, um uns mit den wirklich wichtigen Veränderungsprozessen zu beschäftigen.“ Immerhin habe man in den letzten fünf Jahren diverse Konstrukte vorgeschlagen, die immer wieder vom Land abgelehnt, per Staatsgerichtsbeschluss für ungültig erklärt oder sonstwie gescheitert waren.
Der Landtagsabgeordnete Herzog wusste, dass im Landeshaushalt als Sonderposition für die versprochenen Strukturhilfemittel lediglich 30 Mio. Euro eingestellt sind. „Da gibt es eine Diskrepanz zwischen den Versprechungen von Minister Schünemann und den eingestellten Budget im Haushalt. Wenn der Innenminister die Absicht hätte, seine Versprechungen einzuhalten, müssten im Haushalt rund 150 Mio. Euro eingestellt sein, dann das entspricht rund 75 % der aufgelaufenen Kassenkredite der Landkreise Uelzen und Lüchow-Dannenberg.“ Minister Schünemann hatte n den letzten Wochen im Falle der Fusion sogar die Übernahmebereitschaft von 80 % der Kassenkredite signalisiert.
Fusion als politische Frischzellenkur?
Herzog: „Ich habe den Verdacht, dass die CDU die Fusion mit Uelzen als politische Frischzellenkur betrachtet. Auch das Land möchte anscheinend den gorlebenkritischen Kreistag mal eben wegfusionieren. Doch das ist ganz klar: diesen Widerstand, diese entstandene Kultur werden sie nicht kleinkriegen.“
Auch die Frage, woher eigentlich das Geld für die versprochenen Strukturhilfsmittel kommen sollen, beschäftigte mehrere Abgeordnete. „Der Steuerzahler wird das doch zahlen müssen. Wenn wir eine vernünftige Finanzausstattung hätten, wären wir in dieses Debakel gar nicht erst gekommen“, so Wolfgang Wiegrefe, UWG. Er sah einen effektiven Erfolg einer Fusion lediglich im Zusammenschluß aller drei Landkreise Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg. Diese „Großkreis“-Lösung hält Innenminister Uwe Schünemann allerdings für nicht in absehbarer Zeit umsetzbar.
Elke Mundhenk, Grüne, befürchtete vor allem eine Verringerung des politischen Einflusses in Sachen Gorleben. Ausserdem störte sie sich an der kurzen Zeit, in der das Gutachten erstellt werden soll. „Ganze acht Wochen stehen zur Verfügung, da ist doch klar, dass das Ergebnis schon feststeht, bevor mit dem Gutachten überhaupt angefangen wurde.“
Einzig die CDU-Vertreter plädierten für die Beauftragung eines Gutachtens. FürFraktionssprecher Klaus Wohler ist dies "die letzte Gelegenheit, wenigstens noch ein wenig mitzugestalten.“ „Mit einem strukturellen Defizit von 150 – 160 Mio. Euro sind wir jetzt schon nicht handlungsfähig. Seit 1990 gehen 50 % der gesamten niedersächsischen Bedarfszuweisungen nach Lüchow-Dannenberg. Das kann so nicht weitergehen", so der CDU-Abgeordnete.
Weiter drängte Wohler darauf, die von Innenminister Schünemann gesetzte Frist, die notwendigen Beschlüsse für eine Fusion bis Sommer nächsten Jahres zu treffen, einzuhalten. „Ansonsten werden die Strukturhilfemittel gestrichen.“
Doch die CDU-Vertreter drangen mit ihren Argumenten nicht durch. Mit 19 Neinstimmen und 2 Enthaltungen bei insgesamt 34 anwesenden Kreistagsabgeordneten wurde die Beauftragung eines Fusionsgutachtens abgelehnt. Doch trotz dieser Ablehnung klang bei allen Kreistags-Reden durch, dass (fast) alle Abgeordneten von einer - früher oder später - kommenden Fusion als einziger Lösung der Finanzprobleme ausgehen. Nicht eine zündende Idee war zu hören, wie eine Fusion auf Dauer abzuwenden sei.
Die Bevölkerung scheint dagegen wenig Interesse an dem Schicksal der "Verwaltungseinheit" Lüchow-Dannenberg zu haben. Nicht einmal zwanzig Besucher fanden sich ein, um der Debatte im Kreistag zuzuhören.
Foto: Mitgebrachte "Fach"-literatur eines Kreistagsabgeordneten / Angelika Blank
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