Kreistag: mehr als fünf Stunden Reden hin und her

Beim letzten Kreistag ging es (unter anderem) um die Rekommunalisierung des Krankenhauses, die Pläne zur Elbbrücke in Neu Darchau - und nicht zuletzt um die Verkürzung von Redebeiträgen.

In der vorletzten Sitzung des Kreistags in der jetzigen Legislaturperiode lief die SOLI-Gruppe noch einmal zur Hochform auf: knapp die Hälfte aller Tagesordnungspunkte waren von der Gruppe eingebracht worden.

Insgesamt standen 33 Themen auf der Tagesordnung des Gremiums - dementsprechend lange dauerte die Sitzung. Erst nach über fünf Stunden wechselten die Abgeordneten in die nichtöffentliche Sitzung.

Schon öfters dauerten Kreistagssitzungen so lange und länger - und das lag nicht nur an der Menge der Tagesordnungspunkte. Von verschiedenen Abgeordneten wurde die ihnen zustehende Redezeit immer wieder ermüdend lange überzogen. CDU, SPD, UWG und Bürgerliste wollten das Problem nun über eine Änderung der Geschäftsordnung lösen.

Ihren ursprünglichen Antrag, einen Ältestenrat entscheiden zu lassen, welche Themen als "einfach" und als "bedeutend" gelten und dementsprechend unterschiedliche Redezeiten zuzuordnen, hatten die Antragsteller verworfen. Diese Version hätte höchstwahrscheinlich auch einer rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten - Martin Donat (SOLI) kündigte denn auch in der Sitzung eine Klage an, sollten die Antragsteller bei diesem Verfahren bleiben.

Was übrig blieb, war der Antrag, die Redezeiten stärker zu begrenzen. Obwohl nur eine Angelegenheit der internen Kommunikation im Kreistag, hatte dieses Thema im Vorfeld eine erregte öffentliche Debatte ausgelöst. Letztendlich beschloss der Kreistag, die Redezeit für die einzelnen KandidatInnen auf maximal fünf Minuten zu beschränken. Die Größe der Fraktion/Gruppe wird allerdings bei der Berechnung der Gesamtredezeit zugrunde gelegt: der Fraktion/Gruppe stehen je nach Größe insgesamt 8 bis 16 Minuten Redezeit zu. 

Der Beschluss hat allerdings nur noch für die nächste Kreistagssitzung Gültigkeit. Der neue Kreistag wird sich eine neue Geschäftsordnung geben.

Angesichts der Vielzahl der Themen hier ein Auszug:

Das Krankenhaus zurück in öffentliche Hände?

Ein weiteres Thema, welches durch die Bürgerinitiative "Unsere Gesundheit - unser Krankenhaus"  in den vergangenen Wochen öffentlich diskutiert wurde, stand ebenfalls auf der Tagesordnung des Kreistags: die Forderung nach Rekommunalisierung des Krankenhauses. Beinahe 200 Menschen aus dem Landkreis setzen sich öffentlich dafür ein. Auf einer Demo am vergangenen Samstag kamen 300 KritikerInnen zusammen.

Auch Ministerpräsident Stephan Weil wurde bei seinem Wendland-Besuch eine Petition für den Erhalt der Klinik übergeben. Die Initiative befürchtet, dass nach dem erneuten Eigentümerwechsel eine Insolvenz droht - und damit der Erhalt des Krankenhauses in Lüchow-Dannenberg gefährdet ist.

War es ein Signal, wie wenig ernst die Krankenhausleitung die Forderungen nimmt, dass sie trotz Einladung keinen Vertreter zur Sitzung schickte? Die Antwort bleibt vorerst offen - das Verhalten passt aber in das Muster des bisherigen Umgangs mit der Öffentlichkeit: intransparent und wenig auskunftsfreudig. Die Abgeordneten mussten sich mit einem Bericht des Krankenhauses zufriedengeben, der ihnen zu Beginn der Sitzung auf den Tisch gelegt wurde. Unmöglich also, den Bericht in der Sitzung zu behandeln.

Die Diskussion drehte sich dann um die Frage, ob es möglich und sinnvoll sei, dass der Landkreis das regionale Krankenhaus wieder als Träger übernimmt. Einig waren sich die Abgeordneten da nicht.

Kurt Herzog (SOLI) begründete den Antrag seiner Gruppe mit der Befürchtung, dass der Landkreis das Krankenhaus verlieren werde. Immerhin habe anderenorts schon eine der Kliniken, die von den hiesigen Betreibern übernommen worden war, Insolvenz anmelden müssen. Auch der Umgang mit den MitarbeiterInnen sei nicht zu vertreten.

Wolfgang Wiegrefe (UWG) erinnerte daran, dass der Landkreis die Klinik damals verkauft hatte, weil jährlich ein Defizit von zwei Millionen Euro zu tragen gewesen war. "Außerdem: 80 % der Krankenhäuser stecken in roten Zahlen," so Wiegrefe. "Es ist selbstverständlich - das Krankenhaussystem ist reformbedürftig, aber das wird nicht in Lüchow-Dannenberg entschieden."

Wiegrefe hält die Inititiative zur Zeit für kontraproduktiv und "nicht besonders schlau". Er betonte aber, dass es völlig klar sei, dass die UWG alles mittun werde, um die Existenz des Krankenhauses zu sichern, wenn dies zur Disposition stehen sollte. 

Andreas Kelm (Bündnis 90/Die Grünen) lenkte den Fokus auf die Gehaltssituation im Dannenberger Krankenhaus. "Kritisch ist, dass hier teilweise bis zu 12 000 Euro weniger Gehalt pro Jahr gezahlt wird als in Lüneburg. Kein Wunder, dass das Personal abwandert." Auch Kelm ist der Ansicht, dass das gesamte Gesundheitssystem verändert werden muss. "Wenn sich Menschen über die Privatversicherung aus dem Solidarsystem   verabschieden können, dann ist das Kapitalismus in Reinform." Kelm schlägt die Umwandlung in eine gemeinnützige GmbH vor, dann würde der Gewinn in der Gesellschaft bleiben - und nicht als Profit bei den Gesellschaftern.

Eine Idee, die auch Martin Donat (SOLI) teilt. Er fordert außerdem einen Flächentarif. "Die Krankenhäuser sollen mit der Qualität ihrer Angebote in Konkurrenz treten. Wir dürfen nicht warten, sondern im Kleinen anfangen," so Donat. 

Bernard Fathmann (Bürgerliste) stellte dann die abschließende Frage. "Was wollen wir heute beschließen? Was können wir beschließen?" Die Bilanzen kenne er nicht, könne also nicht beurteilen, wie kritisch die Situation ist.

Letztendlich sahen es die meisten Abgeordneten ebenso. Einen Beschluss gab es in der Sache nicht - lediglich das allgemeine Bekunden, das Krankenhaus auf jeden Fall erhalten zu wollen.

Elbbrücke Neu Darchau

Auch ein Antrag der Gruppe SOLI: Der Kreistag möge beschließen, dass die Fortführung der Baumaßnahme wegen Verstoßes gegen die Brückenvereinbarung vom 9. 1. 2009 untersagt wird. Die Begründung: der Landkreis Lüneburg komme seiner Verpflichtung, eine Ortsumfahrung um Neu Darchau vorzusehen, nicht nach.

Des Weiteren müsse das Votum der BürgerInnen Neu Darchau, die sich bei der letzten Abstimmung zu 89 % gegen den Bau der Brücke ausgesprochen haben, unterstützt werden.

Mit dem Antrag wollte die SOLI einen sogenannten "Vorratsbeschluss" herbeiführen, der für den Fall gilt, dass der Landkreis Lüneburg die Ortsumgehung tatsächlich nicht planen würde.

Das Oberverwaltungsgericht hatte allerdings bereits im Januar dem Landkreis Lüchow-Dannenberg das Recht auf Untersagung vorerst abgesprochen, da die eigentliche Planungsphase noch gar nicht begonnen habe. Die Kreisverwaltung empfiehlt deshalb in ihrer Stellungnahme, dem Antrag nicht zuzustimmen. "Eine Untersagung anzustreben, würde zum jetzigen Zeitpunkt ... höchstwahrscheinlich unnötige Prozesskosten nach sich ziehen, da der Landkreis Lüchow-Dannenberg in einer gerichtlichen Auseinandersetzung unterliegen würde," heißt es dort wörtlich.

Einen Beschluss gab es in der Sache nicht. Nach kurzer Debatte wurde das Thema vertagt.

Standortsuche für eine neue Abfalldeponie

Seit einiger Zeit läuft ein Standortsuchverfahren für eine sogenannte Deponie der Klasse 1. Dort sollen "inerte" Stoffe gelagert werden wie z. B. nicht verwertbare Böden und Bauschutt. Welche Standorte in Frage kommen könnten, wurde bisher in mehreren Ausschüssen auf Bitten des Betreibers hinter verschlossenen Türen besprochen. Immerhin wurde bekannt, dass neben den bisher bereits benannten Orten Kröte und Woltersdorf auch Tramm und Thunpadel in Betracht gezogen werden.

Inzwischen gibt es einen Zeitplan, wie es bis zur Entscheidungsfindung weitergeht: Absimmungen mit den zu beteiligenden Behörden sollten bereits im Juni durchgeführt werden. Im Juli/August sollen Infoveranstaltungen in den betroffenen Gemeinden stattfinden, im September und Oktober wird das Thema in den zuständigen Ausschüssen besprochen. Am 11. Oktober soll das Thema im Kreistag beraten und entschieden werden.

Laut der Verwaltungs-Stellungnahme hat Lüchow-Dannenberg zurzeit keinen „Notstand", was die auf einer DK1-Deponie zu lagernden Materialien (z.B. asbesthaltigen Baustoffe) angeht. Sie werden zurzeit auf einer Deponie bei Hittfeld entsorgt. Die Entsorgung könne auch weiterhin in dieser Weise erfolgen, so die Verwaltung. Dennoch schlägt sie vor, dass eine Entscheidung getroffen wird, denn zwischen dem Antrag auf Genehmigung einer DK1-Deponie bis zum tatsächlichen Baubeginn können 8 bis 10 Jahre liegen - bestenfalls 3 bis 4 Jahre.

Bild von suju-foto auf Pixabay: So manches Mal bordet der Selbstdarstellungsdrang mancher Abgeordneter über - dann ist Mensch versucht, Meditationen über die Unterschiede zwischen einer blökenden Schafsherde und einer Kreistagssitzung anzustellen.




2021-07-22 ; von Angelika Blank (text),
in 29456 Hitzacker (Elbe), Deutschland

kommunalpolitik  

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