Unter den Kulturschaffenden gärt es: Seit Anfang des Jahres fördert die Lottostiftung, deren Fördergeld in der Vergangenheit viele regionale Kulturprojekte ihr Dasein verdankten, nur noch Projekte aus den Bereichen Sport, Integration und Mildtätigkeit. Die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur (LAGS) kann schon seit längerem keine eigenen Gelder mehr vergeben. Die Landkreise sind vielfach am Rande ihrer Möglichkeiten - droht jetzt der freien Kultur auf dem Lande das Aus?
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat das Land Niedersachsen seine Kulturförderung zum 1. Januar 2009 komplett umstrukturiert. Die niedersächsische Lottostiftung und die Niedersächsische Sportstiftung sind nach einem Beschluss des Landeskabinetts zur Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung zusammengelegt worden. Die neue Lotto-Sport-Stiftung fördert Breiten-, Leistungs- und Nachwuchssport sowie die Integration Zugewanderter und unterstützt mildtätige Projekte.
Für den Bereich Kunst und Kultur ist nun allein die Stiftung Niedersachsen zuständig. Zudem ist die Niedersächsische Umweltstiftung in eine neue „Niedersächsische Bingostiftung für Umwelt und Entwicklungszusammenarbeit“ umgewandelt worden und erhält dafür auch die bisherigen Mittel der Lottostiftung für diesen Förderbereich.
Bei den Kulturschaffenden in Region herrscht seitdem Besorgnis. Viele befürchten, dass nun für kleinere Projekte auf dem Lande, die schon aufgrund ihres Standorts keine „niedersachsenweite“ Öffentlichkeit schaffen können, mangels finanzieller Unterstützung das Aus kommt. Verschärfend kommt noch hinzu, dass der Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Zentren (LAGS) schon seit einiger Zeit keine eigenen Fördermittel mehr zur Verfügung stehen. Die LAGS versteht sich nach eigenem Bekunden nur noch als „Interessenvertretung der niedersächsischen soziokulturellen Zentren und Vereine. Ihre Aufgabe ist es, „die Rahmenbedingungen für kulturelle Vielfalt in Niedersachsen zu verbessern, Interessen zu bündeln, die Potenziale der Soziokultur öffentlich darzustellen und Position zu aktuellen kulturpolitischen Fragestellungen zu beziehen.“ Von Fördermittelvergabe ist keine Rede mehr.
Welche Förderprogramme stehen in Niedersachsen noch zur Verfügung?
Der Pressesprecher im Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Kurt Neubert, ist allerdings optimistisch, dass auch den Kulturschaffenden in der Provinz nichts verloren geht. „Wir haben lediglich die Stiftungslandschaft in Niedersachsen neu organisiert. Diese Änderungen beinhalten, dass sich nun die eine Stiftung mehr auf Kultur, die andere stärker auf Sport bzw. andere Themen konzentrieren kann.“ Auch die Stiftung Niedersachsen habe ihren Aufgabenbereich neu definiert und übernehme nun viele Förderbereiche, die vorher von der Lottostiftung abgedeckt worden seien.
Auch Matthias Dreyer, bei der Stiftung Niedersachsen zuständig für das Beschaffen der Gelder, ist sich sicher, dass den Kulturprojekten „in der Fläche“ nichts verloren geht. „Wir können jährlich ca. 4,5 Mio. Euro an Kulturprojekte vergeben. Dabei reichen die Fördersummen von 3000/4000 Euro bis zu größeren Fördersummen. Natürlich können wir nicht jedes kleine Projekt fördern, eine Auswahl wird schon notwendig sein.“ Das Image der Stiftung bei freien Kulturschaffenden, nur große, „überregional wirkende“ Projekte zu fördern, hält Dreyer für falsch. „Wir haben auch in der Vergangenheit kleinere, regionale bzw. Projekte aus dem freien Kulturbereich gefördert.“ Als Beispiel nennt er das Hildesheimer Performance Art Festival oder die Ausstellung „neues Sehen“ mit jungen Künstlern aus Israel.
Auch wenn die Website der Stiftung als Schwerpunkte der Förderung noch „Struktur bildende Maßnahmen und Vorhaben, die zur Stärkung des Standorts Niedersachsen beitragen“ spricht und die Stiftung sich dort „als europäische Regionalstiftung“ versteht, deren Ziel es ist „den Stärken Niedersachsens im europäischen und im internationalen Kontext Geltung zu verschaffen", so ist sich Matthias Dreyer sicher, dass die regionalen, eher kleinen, Kulturprojekte nichts zu befürchten haben: „Seit der Umstrukturierung sind wir nun auch formell für die Förderung im Theater- und im Soziokultur-Bereich zuständig.“ Personell wurde dieser neuen Aufgabe dadurch Rechnung getragen, dass jetzt „zwei Projektreferentinnen“ auch für die Förderanträge kleinerer Projekte zuständig sind. Feste Antragstermine gibt es laut Dreyer nicht, allerdings richtet sich die Fördermöglichkeit natürlich nach dem noch vorhandenen Budget und der Qualität des Projektes. Außerdem ist in der Satzung verankert, dass die Stiftung vor allem die Region Weser-Ems bei der Förderung berücksichtigen muss. Wie sich diese Vorgabe auf die Förderpraxis auswirken wird, bleibt abzuwarten.
Für Dr. Hans-Jörg Siewert, im MWK lange Jahre zuständig für die Förderung soziokultureller Projekte zuständig, gilt es jetzt zunächst abzuwarten, wie sich die neue Förderlandschaft in der Realität bewährt. Grundsätzlich sieht auch er keine Nachteile für die Kulturschaffenden.
Die soziokulturellen Projekte im Lande können neben der Förderung durch die „Stiftung Niedersachsen" auch andere Instanzen ansprechen: bei einem Zuschussbedarf bis zu 9.999 Euro für Projekte und Ausstattungsinvestitionen sind für die Vergabe der Landesmittel in den Regionen die Landschaftsverbände, die Region Hannover und die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz zuständig. Für bauliche Investitionen und alle Vorhaben mit einem Zuschussbedarf von mindestens 10.000 Euro ist das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) zuständig. Insgesamt stehen beim Land für Soziokultur-Projekte jährlich ca. 540.000 Euro zur Verfügung. Desweiteren fördert der Fonds Soziokultur e.V. in Bonn mit Mitteln aus dem Haushalt der Kulturstiftung des Bundes "solche Modelle kultureller Praxis, die die alltägliche Lebenswelt in die Kulturarbeit einbeziehen und zugleich eine Rückwirkung der so entstehenden Formen von Kunst und Kultur in unsere Gesellschaft anstreben".
Beruhigung also für die Kulturschaffenden? Sollten sich die Aussagen der Pressesprecher und Stiftungsmitarbeiter bewahrheiten, könnte sich die Situation für Kulturprojekte sogar verbessern, da eine Gesamtfinanzierung nicht mehr mühselig aus fünf bis sechs Bausteinen zusammengesetzt werden muss. Auch die Gegenfinanzierung für EU-Projekte ließe sich vielleicht einfacher organisieren.
Doch wie sagte Hans-Jörg Siewert: „Das nächste halbe Jahr wird zeigen, ob das System funktioniert.“
Foto: "Des Grafen Vorratskammer" von Sandra Voets, eine Installation aus dem Projekt "Feldversuche" des Westwendischen Kunstvereins in Gartow
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