Verzapft und nicht genagelt
Die Bauweise lässt sich auch nach hundert Jahren noch nachvollziehen: jeder eingesetzte Balken wurde individuell behauen und eingepasst. Damit am Ende nachzuvollziehen ist, wo jeder Balken hingehört, wurden sie mit verschiedenen Zeichen und römischen Ziffern gekennzeichnet. Mit Holzzapfen werden sie miteinander verbunden ("verzapft"). So entsteht ein komplettes Haus mit Innenfachwerk und Dach, welches ohne jegliche Wandauffüllung steht.
Diese Kunst beherrschen nicht mehr viele Zimmerleute. Im Wendland haben sich jedoch schon vor Jahrzehnten zahlreiche HandwerkerInnen niedergelassen, die aus Überzeugung mit traditionellen Techniken arbeiten.
Jedes Haus hat einen Charakter
Der Aufwand wird mit einem architektonischen Schmuckstück belohnt. Wer hinschaut, wird schnell feststellen, dass ein moderner, industriell hergestellter Deckenbalken nicht die Lebendigkeit eines alten Eichenbalkens hat. Dieser ist nie völlig gerade, seine Kanten nicht hundertprozentig rechtwinklig, sondern grob behauen und beschliffen. Eingeritzte Markierungen aus der Bauzeit machen außerdem jeden Fachwerkbalken zu einem Unikat. Diese Originalität lässt sich mit einem aus der Massenproduktion stammenden Balken nicht herstellen.
Bei Türen, Fenstern und Beschlägen
spielt die Individualität eine besondere Rolle. Die angewandten
Schmuckelemente sind oft so individuell, dass sie einer eng
begrenzten Region zugeordnet werden können.
Auch ein Stück Klimaschutz
Neben der ästhetischen Wirkung ist es auch eine Frage der Nachhaltigkeit, historische Bauteile einzusetzen. „Mit bereits genutzten Materialien zu arbeiten, ist auch ökologisch sinnvoll,“ so Dr. Dirk Wübbenhorst, Hausforscher und Mitglied der Interessengemeinschaft Bauernhaus. „Dafür muss kein Baum gefällt werden. Das CO2 bleibt gespeichert und wird nicht freigesetzt.“ Altes zu erhalten und wiederzuverwenden schont also natürliche Ressourcen.
Doch wo sind historische Bauteile zu finden? Im normalen Baustoffhandel sind sie nicht erhältlich. Wer es ernst meint, dem steht oft eine langwierige Recherche bevor. Es macht Sinn, in der eigenen Region, die Augen offenzuhalten, wo ein altes Haus abgerissen wird. Hier könnten Bauteile abfallen, die für die eigenen Zwecke noch sehr gut zu gebrauchen sind. Auch im Internet gibt es diverse Angebote für alte Bauteile, die allerdings über ganz Deutschland verteilt sind.
Hilfestellung bietet die Interessengemeinschaft Bauernhaus (IgB). Sie berät Menschen, die ein altes Haus besitzen und mehr darüber wissen wollen. (https://wendland.imwandel.net/seite/interessengemeinschaft-bauernhaus-igb/ )
Dem Verein BauWerk Wendland (https://www.bauwerk-wendland.de/)
mit seinen rund 20 Mitgliedern aus Handwerk und Baubereich, ist
es wichtig, dass diese Kulturschätze nicht verloren gehen und zur
weiteren Nutzung weiter zur Verfügung stehen. Deshalb baut der
Verein derzeit eine Bauteilbörse
(https://www.alte-bauteile-wendland.de/)
auf, über die sich Suchende und Anbieter finden können. So
soll ein Beitrag zur Baukultur und Nachhaltigkeit geleistet werden.
Noch ist die Website im Aufbau, aber wer Interesse hat, kann sich
jetzt schon an das Bauwerk Wendland wenden. Kontakt: 05841/973 13 95, email: info@bauwerk-wendland.de.
Dieser Artikel erschien zuerst im Wipperaukurier.
Foto | Angelika Blank: In und an diesem Fachwerkhaus ist seine Geschichte noch lebendig.