Gartows Pastor Eckhard Kruse ist Endlagerbeauftragter der Evangelischen Landeskirche Hannover. Die angebliche Äußerung von ihm, dass die Kirche einer Nutzung ihrer Salzrechte zustimmen werde, wenn es eine ergebnisoffene Suche gebe, hatte vergangene Woche für Irritationen gesorgt. Angelika Blank informierte sich bei Eckhard Kruse, wie die Kirche zum Endlagerstandort Gorleben tatsächlich steht.
wnet: Die Landeskirche Hannover hat ja schon sehr frühzeitig eine klare Haltung zum geplanten Endlagerstandort Gorleben eingenommen. Könnten Sie diese kurz skizzieren?
Eckhard Kruse: Unabhängig vom Standort Gorleben haben wir schon in den 90er Jahren grundsätzliche Überlegungen darüber angestellt, wie ein Endlagersuchverfahren ablaufen sollte.
Dazu gehören zu allererst klare Sicherheitskriterien für die Beschaffenheit des Endlagers, wobei die Prämisse gilt, dass zukünftige Generationen gesundheitlich nicht höher belastet werden dürfen als heutige Generationen – übrigens eine Grundregel der IAEO aus dem Jahre 1995.
Zweitens muss im gesamten Verfahren Transparenz und Offenheit herrschen, wobei Drittens die Bevölkerung kontinuierlich beteiligt werden muss.
Und nicht zuletzt geht eine Standortauswahl nicht ohne eine belastbare vergleichende Standortsuche.
wnet: Welche Konsequenzen resultieren denn aus diesen grundsätzlichen Überlegungen für den Standort Gorleben?
Eckhard Kruse: Was Gorleben angeht, so müssen wir feststellen, dass die Sicherheitskriterien mehrfach ohne Beteiligung der Öffentlichkeit geändert wurden. Zum Beispiel war 1983 ein Mehrbarrierensystem für den Einschlussbereich als unabdingbar für die Sicherheit des Endlagers festgelegt. Dann stellte man fest, dass der Salzstock Gorleben diesen Kriterien nicht entspricht. Aber es wurde nicht der Standort aufgegeben, sondern die Kriterien gemildert. Wissenschaftliche neue Erkenntnisse spielten da keine Rolle, sondern lediglich der unbedingte politische Wille, den Standort Gorleben zu erhalten.
Übrigens hatte Angela Merkel die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe beauftragt, weitere Salzstöcke zu untersuchen. Dabei wurden auch Kriterien für das „Deckgebirge“ festgelegt. Doch diese Kriterien wurden offiziell nicht auf den Salzstock Gorleben angewandt. Das interessante Ergebnis: Alles, was man in einem Salzstock nicht finden wollte, wurde in Gorleben gefunden. Und alles, was man zu finden hoffte, war in Gorleben nicht vorhanden. Gleichwohl wurde Gorleben als Standort aufrecht erhalten.
Wir als Kirche haben immer wieder darauf bestanden, dass daraus Konsequenzen gezogen werden müssen.
wnet: Und – sind Konsequenzen gezogen worden?
Eckhard Kruse: Nein, im Gegenteil: nach der Vorstellung der Sicherheitskriterien im Endlagersymposium 2008 gab es erhebliche Kritik und der Kriterienkatalog ging zurück in die Bearbeitung. Als nun Umweltminister Röttgen die neuen Sicherheitskriterien vorstellte, mussten wir feststellen, dass unsere kritischen Anmerkungen und die Bedenken der kritischen Wissenschaftler in keinster Weise aufgenommen worden waren. Von den damals mühevoll entwickelten Sicherheitskriterien ist nichts mehr übrig geblieben.
Wären die Sicherheitskriterien so wie 2008 standortunabhängig entwickelt worden, wären sie eine Basis gewesen für ein alternatives Suchverfahren.
wnet: Und wie steht es mit der Bedingung „Transparenz und Offenheit bzw. Beteiligung der Öffentlichkeit“?
Eckhard Kruse: Transparenz und Offenheit haben in Sachen Gorleben nie wirklich statt gefunden. Nur ein Beispiel: Erkundet werden soll nach Bergrecht, welches keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht. Die Enteignung soll dagegen nach Atomrecht stattfinden.
Auch aktuell gibt es keinen Grund, anzunehmen, dass die Bundesregierung ernsthaft in die Kommunikation mit der Öffentlichkeit einsteigen möchte. Unter dem Stichwort „gläserne Erkundung„ erteilte sie dem Öko-Institut Darmstadt den Auftrag, zu untersuchen, wie der Dialog mit der Bevölkerung geführt werden könnte. Unter so hehren Formulierungen wie „Schlüsselmaßnahmen für einen gehaltvollen Dialog“ wird in dem Papier empfohlen, um „die Glaubwürdigkeit exemplarisch herzustellen", dass bereits heute parallel mit Gorleben Alternativkonzepte und Alternativstandorte geprüft werden.
Dazu soll zunächst eine Papierstude ausreichen, die auf Basis vorhandener Daten „ein erstes Signal“ sein soll, „auch wenn dieses Vorgehen eine deutliche Abweichung von einem substantiellen Auswahlverfahren nach dem Stand der Wissenschaft und der internationalen Erfahrungen bedeutet.“ So heißt es im Originaltext dieses Papiers. (die ganze Empfehlung gibt es übrigens hier.)
Das ist natürlich nicht das, was wir unter vergleichender Standortsuche verstehen. Es müssen alle zu vergleichenden Standorte bis auf das Niveau des Salzstocks Gorleben erkundet werden. Erst dann könnte eine echte Entscheidung zwischen mehreren Möglichkeiten getroffen werden.
Es ist kein Wunder, wenn in der Bevölkerung kein Vertrauen mehr in derartige Entscheidungen der Politik herrscht. Wenn die Maßstäbe permanent so angepasst werden, dass sie dem entsprechen, was man kennt, dann ist keine Frage, was hinterher dabei herauskommt.
Vertrauen bekommt man nicht einfach so, sondern muss es sich erarbeiten. Ich bedauere es vor allem, dass die Verantwortlichen uns hier im Wendland so wenig Vertrauen entgegenbringen. Da darf man sich nicht wundern, wenn es umgekehrt auch nicht da ist.
Aus diesem Grunde lassen wir auch unser Kirchenland nicht erkunden, weil wir nicht das Vertrauen haben, dass dort ergebnisoffen erkundet wird. Derzeit lassen wir juristisch prüfen, was die Ankündigung der Enteignung bedeutet und wie wir darauf reagieren könnten.
wnet: Zusammgenfasst: Gibt es Umstände, unter denen die Kirche die Genehmigung zur Erkundung erteilen würde?
Eckhard Kruse: Nur dann, wenn alle vier eingangs genannten Punkte für eine verantwortliche Endlagersuche (Kriterien, Transparenz und Offenheit, vergleichende Standortsuche auch in unterschiedlichen Einlagerungsgesteinen, und Öffentlichkeitsbeteiligung) ernsthaft erfüllt sind, können wir uns eine Genehmigung vorstellen.
Aber nach den Erfahrungen und Ergebnissen der letzten Jahrzehnte, kann ich mir einen schlechteren Standort als den Salzstock Gorleben in Deutschland gar nicht vorstellen. Ich finde es ungeheuerlich, dass bestimmte Leute immer noch von Eignungshöffigkeit des Salzstocks sprechen, obwohl die negativen Ergebnisse von Wissenschaftlern wie Detlef Appel, Jürgen Kreusch oder Ulrich Schneider und anderen gar nicht berücksichtigt worden sind.
Auch von Transparenz und Offenheit, strengen Sicherheitskriterien oder einer ernsthaften Öffentlichkeitsbeteiligung kann keine Rede sein.
Die derzeitige Politik der Bundesregierung lässt auch nicht erkennen, dass sich grundsätzlich etwas ändern wird, was Gorleben angeht. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf - denn diese stirbt zuletzt. Sagt man.
Foto: Andreas Conradt / pubixviewing.de. / Pastor Eckhard Kruse als Referent auf der Gorleben-Fachtagung im Frühjahr 2010 in Dannenberg