Wie gelingt es den Frust am Landleben in Lust auf Land zu verwandeln? Ein Österreicher stellte dazu auf dem "Niedersächsischen Tag der Landentwicklung" einige kreative Ideen vor.
Das Steirische Vulkanland ist eine kleine Region am südöstlichen Zipfel Österreichs. Bis vor einigen Jahren herrschte in der ländlich geprägten Region mehr Frust als Lust. Wie woanders auch gab es mehr Wegzug als Zuzug, die Einheimischen fühlten sich "abgehängt", in Stich gelassen und konnten den Attraktionen ihrer Region wenig abgewinnen. Wirtschaftlich und touristisch war dort nicht viel los. Heute gilt das Steirische Vulkanland als außerordentlich lebenswerte Region und wird von der österreichischen Tourismuszentrale als "aufstrebende ländliche Destination" gewertet.
Wie das gelingen konnte, stellte der Bürgermeister der Gemeinde Feldbach (Steirisches Vulkanland), Josef Ober, am Donnerstag auf dem "Niedersächsischen Tag der Landentwicklung" in Lüchow vor.
Wir bestimmen die Bedeutung
Von einem "visionslosen Zustand" ausgehend habe die Region innerhalb von 10 Jahren ihren eigenen Wert wiedergefunden sich von der Grenzregion zu einer innovativen, lebenswerten Region entwickelt, so Ober.
Sein Erfolgsrezept: "Wir haben dem Bestehenden durch innovative Deutungen eine attraktive zeitgemäße Bedeutung gegeben," erläuterte Ober. "Denn letztendlich bestimmen wir selbst die Bedeutung."
Die politischen Entscheidungen, die Region lebendiger werden zu lassen, hatten zwar auch Einfluss auf die Entwicklung. Fördergelder halfen bei der Umsetzung von Ideen, Konzepten und Projekten. "Aber vor allem war wichtig, dass die Menschen ihren Lebensraum wieder positiv sehen und ihm Würde, Wert und Zukunft zurückgeben," so Olbers. "Wenn die Menschen negativ über ihre Region reden, entwerten sie letztendlich ihre eigene Bedeutung."
Im Steirischen Vulkanland wurde nichts neu erfunden. Weinproduzenten, Metzger, Handwerker aber auch soziale Einrichtungen beteiligten sich an dem Prozess und erfanden ihre Produkte und Dienstleistungen neu. Zum Beispiel der Speckhersteller: Speck ist wegen des hohen Speckgehalts bei den Konsumenten eigentlich nicht mehr angesagt.
Dass der Metzgermeister Gourmetspeck nach höchsten kulinarischen Kriterien herstellt, nahm kaum ein Vulkanländer wahr. Mit Hilfe des Entwicklungsprozesses entdeckte der Metzgermeister die Möglichkeiten der Inszenierung. Der Speck wird nun in einem edlen Raum mit indirektem Licht auf Basaltstein wie ein Kunstwerk präsentiert. Der Effekt: die Kunden nehmen den Speck als kostbare Rarität wahr - und kaufen.
Bei Betrieben wie der Zotter Schokoladen Manufaktur ging es nicht darum, Produkt oder Präsentation zu optimieren, sondern der deutschland- und österreichweit beliebten Schokolade auch in der eigenen Region mehr Wert zu geben. (Im Wendland vergleichbar: z. B. Voelkel, Steinicke Gewürze ...).
Beispiel Ortsentwicklung: die Jahreszeiten werden genutzt, um (zum Beispiel) Orte und Landschaften in Szene zu setzen. Statt der üblichen Glitzerflut aus unzähligen elektrischen Birnchen fördert die Region den Einsatz von regional hergestellten Holzlaternen, die in der dunklen Jahreszeit die historischen Dörfer zu kuscheligen Erlebnisorten machen. Eine Bauanleitung im Netz (ergänzt durch Baukurse) gibt allen Interessierten die Möglichkeit, sich die "Vulkanland-Adventlaterne" selber herzustellen. Initiativen zur Bauernsprache, zu Bekleidungsgeschichte, zu Brauchtum und Sitte oder zur Heimatkunde sorgen dafür, dass sich viele Gruppen und Initiativen engagieren können.
Sich mit der Zukunft anstecken
Dahinter steht eine komplexe Philosophie, die über Jahre hinweg ("das braucht schon zehn Jahre) gemeinsam von Bevölkerung, Politik und Verwaltung entwickelt wurde. "Dabei ist wichtig, die Begeisterung für das direkte Umfeld wieder zu wecken," plädierte Ober für einen anderen Umgang mit Entwicklungsprozessen. Denn, so die Erkenntnis, "wenn die Menschen die Beziehung zu ihrem Lebensraum verlieren, ziehen sie weg"..
Am Anfang stand dabei die Entwicklung einer Vision ("Ohne Vision geht der Sinn verloren"), wie die Region in zehn Jahren aussehen soll. Mit einem "Zwei-Hände-Modell" wurden einerseits die alltäglichen Notwendigkeiten berücksichtigt und anderers die Zukunft nachhaltig entwickelt.
Durch die Fokussierung auf bestimmte Themen (Essen und Trinken, Handwerk, Geschichte, Mundart ...) wurde es für die Einheimischen leichter, sich zu beteiligen.
Ober verhehlte in seinem Vortrag nicht, dass es ein schwieriger langwieriger Prozess ist, die Begeisterung nachhaltig zu wecken und zu erhalten. "Aber wenn man visionsorientiert denkt und nicht projektorientiert, dann klappt es," ermunterte er seine rund 100 ZuhörerInnen.
Am Ende gelang es, die Einheimischen "mit der Zukunft anzustecken". Viele Vulkanländer sind wieder stolz auf ihre Region, sind an unzähligen Projekten beteiligt. Nicht zuletzt wurde laut Ober die Abwanderung gemildert und die Außenwirkung enorm gesteigert.
Leider reichte die Zeit nicht aus, um Konkretes über die Methoden des Entwicklungsprozesses zu erfahren. Aber im Wendland laufende Prozesse wie LEADER oder regiobranding werden die Ideen aufgreifen.
Mehr über das Vulkanland und seine Angebote gibt es hier!
Foto / zeitblick: Aus einer visionslosen, abgelegenen Region wurde eine der lebenswertesten Regionen Österreichs: das Steirische Vulkanland.