Landvolk ruft zum Denunzieren auf

Mit dem Aufruf zur "Meldung" harscher Kirchenkritik an industrieller Agrarproduktion sorgte der Landesbauernverband vergangene Woche für Aufregung. Seitdem überfluten tatsächlich Mails die Landvolk-Postkästen - allerdings kommen diese überwiegend von Massentierhaltungsgegnern.


Laut Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) kommen diese Mails kaum von meldewütigen Landvolk-Mitgliedern, weil auch die allermeisten Landwirte diese Aktion als schlimm und peinlich empfänden. Die Mailflut stamme vielmehr von Agrarindustrie-Gegnern, die dem Landvolk in ironischen oder empörten „Meldungen“ über eine „ganz besondere Agrarindustriekritik aus kirchlichen Kreisen“ berichteten: mit Bibel-Zitaten zum Umgang mit Tieren und mit Passagen aus dem Agrarindustrie-kritischen Positionspapier der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. 

Der niedersächsische AbL-Vorsitzende Martin Schulz hatte es zuvor bereits als „Armutszeugnis“ bezeichnet, dass Landvolk-Funktionäre sich offenbar nicht mehr zutrauten, die Debatte um die gesellschaftlich höchst umstrittene Industrialisierung der Tierhaltung und um Agrarfabriken direkt vor Ort zu führen. Den Aufruf zu Meldungen über agrarindustrie-kritische Äußerungen und deren Weiterleitung an die Kirchenspitze verbänden die meisten Menschen mit Denunziation und Einschüchterungsmethoden. Die Landvolk-Spitze gerate mit ihrem Agrarindustrie-Lobbyismus nicht nur selbst immer mehr ins gesellschaftliche Abseits, sondern schade damit der Akzeptanz aller Landwirte. Auch in Kirchenkreisen stoße der Landvolk-Aufruf auf Unverständnis und massive Ablehnung: Landesbischof Meister sei bereits aus Kirchenkreisen aufgefordert worden, bei seinem Gespräch mit dem Landvolk keinesfalls auf derart fragwürdig gesammelte Hinweise einzugehen.

Die AbL fordere die Kirchen auf, in allen Kirchengemeinden einen breit angelegten Diskussionsprozess zum Thema „Artgerechte Nutztierhaltung“ und „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ zu initiieren – selbstverständlich auch mit dem Landvolk, aber ebenso mit anderen Vertretungen von Bauern und Bürgern. Das gute Positionspapier der Synode der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers mit ihren deutlichen Ausführungen zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung sei dafür eine gute Grundlage – schließlich sei es ja genau hierfür gedacht. 

Grüne: „Unglaubliche Entgleisung” – Landesregierung muss Kooperation stoppen

Scharfe Kritik an einem Aufruf des Niedersächsischen Landvolkverbandes zur Denunziation von Pastoren kommt auch von den Landtagsgrünen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christian Meyer sprach am Montag in Hannover von einer „unglaublichen Entgleisung“.

Meyer: “Dieser Aufruf zur Zensur und Denunziation ist ein unerhörter Vorgang. Der niedersächsische Bauernverband muss diesen Versuch der Einschüchterung von Kirchenvertretern sofort beenden und sich bei den betroffenen Pastoren und Priestern entschuldigen“.

Auch die Landesregierung müsse solange ihre Kooperation mit dem niedersächsischen Bauernverband etwa in Schulen einstellen. “Die einseitige Beschönigung der Agrarindustrie und ihrer Tierschutz- und Umweltprobleme darf nicht zugelassen werden“, sagte der Grünen-Politiker.

In einem weiteren “Informationsschreiben” hatte das Landvolk um Meldung zur Weiterleitung ans Schulministerium gebeten, ”wenn Ihnen Texte mit einer problematischen Darstellung der modernen Landwirtschaft auffallen, zum Beispiel in den Schulbüchern Ihrer Kinder” (Zitat Landvolk). Der Grünen-Politiker kritisierte, dass sowohl Kultusminister Althusmann als auch Agrarminister Lindemann nach Landvolkangaben eine “negative Darstellung” industrieller Landwirtschaft in Schulbüchern streichen wollen. Meyer forderte, dass auch den Umwelt- und Tierschutzorganisationen der Zugang zu Schulen ermöglicht werde. 

Foto: Bundesarchiv/Matthias M. / Schweine in Intensivtierhaltung in Markkleeberg




2012-11-12 ; von asb (autor),

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