Das Leben kehrt zurück auf die Friedhöfe. Die Zeiten, in denen die Bepflanzung auf Friedhöfen nach dem Prinzip Ordnung vorgeschrieben wird, gehen langsam zu Ende. Immer mehr Friedhofsverwaltungen entscheiden sich für naturnahe Gestaltung - so wie in Trebel.
Schmetterlinge flattern durch das üppige Lavendelbeet am Eingang zum Trebeler Friedhof. Frisch gepflanzte Bäumchen alter Apfelsorten säumen den Hauptweg und in breiten Streifen wachsen neben Grabreihen Erdbeeren, Johannisbeeren, Kartoffeln oder Lauchzwiebeln.
Auf den Rasenflächen, die auf anderen Friedhöfen penibel kurz gehalten werden, wachsen Wiesenblumen aller Arten, die die Gräber mit bunten Blumen umsäumen. Und auch Ohrenkneifer finden auf dem Trebeler Friedhof ein Zuhause. An verschiedenen Stellen stecken umgedrehte Blumentöpfe, gefüllt mit Stroh auf Holzpfosten. Sie geben den kleinen Helfern im Kampf gegen Blattläuse ein Quartier.
Nicht allen Angehörigen gefällt die neue Gestaltung des Friedhofs. "Das ist ja so unordentlich hier", beschweren sich regelmäßig einige von ihnen beim Kirchenvorstand. Doch dieser steht hinter dem naturnahen Konzept. "Auch auf dem Friedhof die Artenvielfalt zu erhalten, ist eine urchristliche Idee," so Kirchenvorsteher Werner Jeberien. "Außerdem ist die Idee, den Friedhof wie ein Garten zu nutzen, nicht neu. Früher mussten sich die Pastoren selbst ernähren. Da wurde auch der Friedhof zum Garten."
Für den Gärtner Thomas Eichhofer, der vor einigen Jahren die Friedhofspflege übernahm, ist naturnahe Gestaltung alternativlos. "Eine Friedhofsgestaltung, die nur auf Ordnung ausgerichtet ist, hat zur Folge, dass die Artenvielfalt aus dem Gelände verschwindet," so der studierte Agrar-Ökologe. Zu seinem Konzept gehört es auch, trockene Äste aus dem Baum- und Gebüschrückschnitt zum Aufbau von Benjeshecken zu verwenden. Da bleibt praktisch kein Ast übrig, der auf den Grüngutplatz geschafft werden muss. Die aus den trockenem Gestrüpp gebauten Wälle bieten Mäusen, Käfern, Kröten oder Pilzen neuen Lebensraum.
Im Sinne der Schöpfung
Auch Propst Stephan Wichert von Holten ist von dem naturnahen Konzept vollständig überzeugt. "Im Sinne der Schöpfung ist es geradezu eine Notwendigkeit, die Friedhöfe wieder ins Leben zurückzuholen," so Wichert von Holten. "Ein Friedhof ist kein Zimmer, zu dem niemand Zugang bekommt. Der Tod gehört zum Leben. Deshalb ist es nur allzu richtig, die Friedhöfe wieder zu lebendigen Orten zu machen, in denen nicht nur der Mensch eine Ruhestätte findet, sondern vielfältige Pflanzen und Tiere Lebensraum finden."
Mit der Entscheidung für die Umgestaltung zum naturnahen Friedhof löst die Friedhofsverwaltung auch ein anderes Problem. Die Anzahl der Gräber wird immer geringer - die Größe der von der Friedhofsverwaltung zu betreuenden Flächen immer größer. Wenn auch in der Aufbauphase der Aufwand höher ist - auf Dauer reduziert sich die Pflegenotwendigkeit. Will man eine Wildblumenwiese erhalten, so darf sie sogar nur zweimal im Jahr gemäht werden.Plastikmüll tonnenweise
Weggeworfene Töpfe, Verpackungsmaterialien und alte Grabgebinde stehen einem naturnahen Friedhof entgegen. Sie enthalten soviel Plastik, dass sie zum Entsorgungsproblem werden. Am Anfang seiner Tätigkeit zog Eichhofer soviel Plastikreste aus der Erde, dass sie Dutzende große Säcke füllten.
Dabei gibt es kompostierbare Alternativen. Dauergrablichter gibt es auch in Glas und Keramik. Und Grabsteine müssen nicht zwingend mit Chemie gereinigt werden. An sich selbst überlassenen Natursteinen siedeln sich im Laufe der Zeit Moose und Flechten an, die zum Teil vom Aussterben bedroht sind. Gleichzeitig bieten sie Kleinstlebewesen wie Schnecken, Spinnen und Insekten Lebensraum. Der BUND Schleswig-Holstein hat ein Faltblatt mit vielen Tipps zur naturnahen Nutzung von Friedhöfen herausgegeben. Das Faltblatt kann hier! heruntergeladen werden.
Alte Apfelsorten und Gemüse zum Selberpflücken
Alles, was auf dem Trebeler Friedhof wächst, kann auch genutzt werden. Alte Apfelsorten wie Seidenhemdchen oder Celler Dickstiel wachsen in Trebel ebenso wie Kartoffeln, Erdbeeren oder Johannisbeeren. Mit dem Landschaftspflegeverband Wendland-Elbetal wurde verabredet, dass noch weitere Apfelbäume vor der Kirche gepflanzt werden. Tragen all die rund ein Dutzend Obstbäume erst einmal Früchte, so können sich viele Mitglieder der Gemeinde mit Obst zu versorgen.
Die Trebeler Initiative ist dabei nichts Neues. Bundesweit gibt es immer mehr naturnahe Friedhöfe. Auch im Landkreis gibt es (mindestens) zwei weitere naturnahe Friedhöfe. Auch die Gestaltung von Memoriam-Gärten nimmt immer mehr zu. Über 70 Friedhofsverwaltungen haben sich unter dem Motto "Die Erinnerung ist ein Friedhof, der blüht" für die naturnahe Gestaltung ihrer Friedhöfe entschieden.
Fotos / Angelika Blank: Die Toten auf dem Trebeler Friedhof ruhen zwischen blühenden Wiesen und Obstbäumen.