Nach der Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. Klaus Duphorn am vergangenen Donnerstag vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Berlin ist für die LINKE bestätigt, dass in Gorleben eine Zeitbombe tickt.
Nachdem Duphorn mit seinem Team von der Universität Kiel einen kritischen Zwischenbericht abgegeben hatte, mit der Empfehlung „Erkundung anderer Standorte“, war sein Forschungsauftrag in den 80er Jahren nicht verlängert worden.
Besonders ärgerlich war Duphorn, weil seine damaligen Bedenken inzwischen durch weitere Erkundungen mehr als bestätigt wurden. „Je länger und je tiefer gebohrt wurde, um so schlechter wurden die Ergebnisse“.
Ganz neue Erkenntnisse hat Duphorn offensichtlich bezüglich der vermuteten Gas- und Ölvorkommen im Bereich des Salzstockes. - Von einem Geologen aus Schwerin habe er Akten über die Gas- und Ölbohrungen im „DDR-Teil“ des Salzstockes. Obwohl er und andere bereits seit Beginn der 80iger Jahre auf die Explosion eines Bohrturmes bei Lenzen im Jahre 1969 aufmerksam gemacht hätte, sei dieser Frage offiziell nie nachgegangen worden.
Wie Duphorn vor dem Ausschuss berichtete sei jedoch von der BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover) nach der Explosion ein Arbeitsstab gebildet worden, um die näheren Umstände und mehr über die 1 km von der innerdeutschen Grenze vermuteten Gas- und Öllagerstätten im Salzstock zu erfahren. „Über Ergebnisse ihres Arbeitsstabes habe die BGR bis heute nichts verlauten lassen", so Dorothee Menzner, Obfrau der LINKE im Untersuchungsausschuss. Menzner empfindet es als Skandal, dass die BGR diese Erkenntnisse nicht bereits bei der Standortvorauswahl 1977 mit auf den Tisch gelegt hat. Nach Duphorns Ansicht wurden die DDR-Funde ebenfalls durch eine Ölbohrung bei Dünsche in den 60iger Jahren bestätigt.
Insgesamt soll es sich nach Duphorn mindestens um 100.000 bis 1 Mio. m³ Erdgas und Erdöl handeln, die für ein mögliches Atommülllager eine große Gefahr darstellten. "Duphorn bezeichnete die Erdgasvorkommen als das akute Hauptproblem Nr.1, die das Projekt Gorleben zum Scheitern bringen werden.“ Während unsere westdeutschen Experten immer einen Zusammenhang zwischen Salzstöcken und den Kohlenwasserstofflagerstätten leugneten, hat Duphorn bereits sehr früh während seines studentischen Praktikums dramatische Erfahrungen damit gemacht.
Im Salzstock Sondershausen in Thüringen, war es kurz vor seinem Praktikum 1954 zu einer Gasexplosion gekommen, bei der auch 13 Bergleute zu Tode kamen. Duphorn nahm sich damals einen Klumpen ölhaltigen Salzgesteins mit, den er im Ausschuss als Beweis hoch hielt. Dieser Klumpen habe ihn sein Leben lang begleitet, erst nach Kiel und jetzt auch nach Berlin. Er habe ihn auch chemisch analysiert, womit die Herkunft des Erdöls geklärt werden könne. Erdgas und Erdöl seien dort miteinander vermengt, dort lag die Erdgaslagerstätte unter dem Salzstock.
Menzner fordert, jetzt sei die BGR am Zuge endlich einmal alle Karten auf den Tisch zulegen, es müsse endlich Schluß sein mit dem Verschweigen und Vertuschen. Vor einer Klärung dieser ungeheuren Vorwürfe dürfe auf keinen Fall mit den untertägigen Arbeiten in Gorleben wieder begonnen werden. Da dieser Salzstock nach Ansicht von Duphorn Tod sei, dürfe hier kein Cent weiter verschwendet werden!
Die beiden anderen Zeugen, die noch am gleichen Tag vernommen wurden, waren beide im Bundeskanzleramt zu jener Zeit tätig, hatten aber weniger spektakuläre Zeugenaussagen. Der Zeuge Dr, August Hanning schien ein mit allen Wassern gewaschener Jurist und Geheimdienstfachmann zu sein. Er war zuerst im Innenministerium, dann von 1981 bis 1986 Leiter des Referates für Umwelt , Naturschutz und Reaktorsicherheit im Bundeskanzleramt und anschließend Geheimdienstkoordinator und anschließend Präsident des Bundesnachrichtendienstes. Er konnte sich an wenig erinnern und auch zu dem fraglichen Arbeitstreffen in Hannover, zu dem er zur Überraschung aller vorigen Zeugen unangemeldet aufgetaucht war, auch dazu nichts erhellendes beitragen. Er war bei so einer wichtigen Entscheidung, wie dem Abteufen der Schächte wohl nur dabei gewesen, um aufzupassen. „Das Kanzleramt muss darauf achten, das klare Entscheidungsvorlagen für die erbetene Kabinettsentscheidung angefertigt würden.“
Seine Kollege Dr. Rolf von Osten, war für das BMFT (Bundesforschungsministerium) im Bundeskanzleramt zuständig. Seine Laufbahn ist nicht ganz so schillernd. Er hat während seines Berufslebens die verschiedensten Aufgaben im Atombereich bearbeitet. Von der ersten Enquetekommission Kernenergie, über den Bürgerdialog Kernenergie, bis zu Castorbehältern und internationalem Plutoniummanagement hat er alles mal gemacht, sogar zur Beendigung des Schnellen Brüters in Kalkar hat er ein Konzept entwickelt. Im Bundeskanzleramt war es nur kurz, von 1980 bis 1982. - Als relativ atomkritischer Ministerialbeamter hatte er im Ausschuss keinen leichten Stand, weil der CDU-Obmann Grindel für jede Aussage des Zeugen einen schriftlichen Beleg haben wollte. Er betonte, dass das Bundeskanzleramt eigentlich immer, bis zur Ablösung durch die Kohlregierung im Herbst 1982, für die Untersuchung mehrerer Standorte als Atommülllager war. Aber weil Niedersachsen sich diesem Vorgehen verweigert haben, sei dies schwierig gewesen, zumal auch die anderen in Frage kommenden Bundesländer Hessen, Bayern und Baden-Württemberg hätten sofort ablehnend reagiert. - Weil durch die Entsorgungsgrundsätze der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke auf dem Spiel stand, wenn es keine Fortschritte bei der Suche nach einem Endlager gab, wurde versucht „Gorleben mit allen Mitteln durchzudrücken.“
Die Minister Baum (BMI) und von Bülow (BMFT) waren eher atomkritisch, was nicht für alle ihrer Staatssekretäre galt. Nach Antritt der Kohlregierung im Herbst 1982 änderte sich dies, was nach dessen Aussage, nicht nur von Osten, sondern auch Prof. Duphorn und Prof. Röthemeyer zu spüren bekamen, indem ihre kritischen Aussagen im Zwischenbericht kaum noch einen Niederschlag fanden.
Foto: Ölflüsse im Salzstock Gorleben - bereits vor Jahren von Björn Vogt fotografiert
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