Thema: maikundgebung

Maikundgebung 2010: Von Atomausstieg bis Westerwelle

Traditionsgeprägt war sie, die von rund 200 Menschen besuchte Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am Sonnabend auf dem Lüchower Marktplatz. Traditionsgemäß erklang „Brüder zur Sonne“, traditionsgemäß vollzog der Hauptredner eine verbale Wanderung durch gar viele Felder, die das Wohl und Wehe von ArbeitnehmerInnen berühren.

Ziemlich lang war diese Wanderung, zu welcher der ehemalige DGB-Regionsvorsitzende Hans-Jürgen Dietrich aufbrach. So lang, dass einige Anwesende schließlich den Smalltalk untereinander dem Zuhören vorzogen. Von vertrauten gewerkschaftlichen Forderungen wie etwa Lohngerechtigkeit für Frauen über das Nein zur Rente ab 67 und Kritik an Hartz IV bis hin zu „Gorleben“ reichte der Weg des Redners. Die Forderung nach einer raschen Abkehr von der Kernenergie verband er mit der Mahnung, dieser Ausstieg dürfe nicht zu Lasten derer gehen, die im Nuklearsektor arbeiten. Es gelte, diese Menschen fortan im Bereich umweltverträglicher Energien zu beschäftigen.

Harms kritisiert Stopp der Einzelbetriebsförderung

Mehrere Gastredner, die sich angenehm kurz fassten, bereicherten das Programm, unter ihnen der SPD-Landtagsabgeordnete Klaus-Peter Dehde, ein Vertreter der Bürgerinitiative Umweltschutz, und Miriam Staudte, in Niedersachsens Landtag stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, die mit einer weiteren Repräsentantin erschienen waren: Rebecca Harms, im Europa-Parlament zusammen mit Daniel Cohn-Bendit Vorsitzende der Grünen-Fraktion. Mit Blick auf Lüchow-Dannenberg erinnerte die Abgeordnete daran, wofür die Ziel-1-Fördermittel gedacht waren und sind: für besonders schwache Regionen. Es mache keinen Sinn, wenn diese Gelder um wirklich arme Gebiete einen Bogen machen, kritisierte Harms die Verteilungsmodalitäten und betonte: Es sei skandalös, dass einzelbetriebliche Förderung für Lüchow-Dannenberg nicht mehr gewährt werde.

Internationale Finanztransfers besteuern

Auch dem aktuellen Thema „Griechenland“ widmete sich die Europa-Politikerin: Jenes Land sei ein weiterer Beleg dafür, dass die Krise an den Finanzmärkten noch nicht vorbei sei, sondern in die nächste Runde gehe. Solidarität mit Griechenland sei unvermeidbar, betonte Rebecca Harms, nicht nur, „um die Griechen zu retten“, sondern auch hinsichtlich der Euro-Stabilisierung. Für die internationalen Finanzmärkte müssten „schärfere Regeln“ gemacht werden, forderte die Abgeordnete. Um die ungesunden Finanzspekulationen im internationalen Bereich zu stoppen, sei eine Steuer auf internationale Finanztransfers erforderlich. Trotz der anhaltenden Krise werde aber in dieser Sache „nur geredet“; Handlungsbereitschaft sowohl der Mitgliedsstaaten als auch der EU-Kommission sei nicht vorhanden, bedauerte Rebecca Harms.

Herzog zu „Hetztiraden“ Westerwelles: „Verbale Flatulenz“

„Die Diskussion nach der Karlsruher Hartz IV-Entscheidung hat sozialistische Züge“ Und: „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein“. Solch giftige Sätze wurden natürlich nicht gesprochen auf der Lüchower Maikundgebung. Aber vielleicht klangen sie manchem noch im Ohr. Denn dem Manne, dem sie im Februar entsprungen waren – Außenminister Guido Westerwelle (FDP) – widmete sich Gastredner Kurt Herzog aus Dannenberg, Landtagsabgeordneter der Linken. Westerwelle habe mit „bisher nicht gekannten Hetztiraden“ viele Menschen verhöhnt und gemaßregelt, die von Sozialabbau und Arbeitsplatzverlust betroffen sind. „Dabei bekam er für diese verbale Flatulenz (vulgo: Furz, die Red.) begeistertes Lob gewisser Kreise und Medien“, erinnerte Herzog und sprach von einem „neoliberalen Extremisten, einem Klientelpolitiker auf Raubzug, gerichtet gegen menschenwürdige Existenz“.

„Neoliberale Freibeuterei beenden“

Wer im schwarzgelben Lager die Banken „wieder mal davonkommen“ lasse und sich weigere, Höchstvermögen zu besteuern, weigere sich damit, nötige staatliche Einnahmen zu erzielen. Diese aber, gab Herzog zu bedenken, seien unter anderem nötig, um die kommenden Generationen nicht mit Riesenschulden zu belasten und um „Deutschlands miese Position im Bildungsbereich“ zu beenden. Wer die Kopfpauschale wolle, wer mit dem Ausbau der Atomkraft „katastrophale Weichen“ stelle, Lohndumping als Sparmaßnahme verkaufe und Mindestlöhne verweigere, der zeige, dass er diese Gesellschaft umbauen wolle. „An die Stelle sozialer, solidarischer Grundwerte sollen Einzelkämpfertum und Ausgrenzung treten“, mahnte Kurt Herzog. Er rief dazu auf, in solidarischem Schulterschluss „die neoliberale Freibeuterei zu beenden“.

„Brüder zur Sonne“: Wenig Sangesfreude

Der Aufruf zu Solidarität und der Wunsch nach dem Ende sozialer Missstände klang dann auch zum Abschluss der Kundgebung über den Marktplatz, als das vertraute „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ angestimmt wurde. Ist der Text des 1918 ins Deutsche übersetzte, ins seiner Kernaussage nach wie vor aktuellen russischen Arbeiterliedes vielen nicht mehr vertraut? Angesichts der wenigen, die in Lüchow mitsangen, darf diese Frage wohl gestellt werden.

Foto: Hagen Jung

 

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2010-05-01 ; von Hagen Jung (autor),

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