Was in Stuttgart Sinn macht, muss für Gorleben noch lange nicht richtig sein. Immerhin wird der Standort Gorleben schon seit 33 Jahren konsequent weiter verfolgt - ohne Beteiligung der Öffentlichkeit. Deswegen stoßen die Pläne von Bundesumweltminister Norbert Röttgen, im Gorleben-Streit ebenfalls einen Mediator einzusetzen, bei Gegnern des Endlager-Standorts auf Unmut.
Rebecca Harms zum Beispiel, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, kritisiert, dass der Umweltminister den Weiterbau des Endlagerbergwerkes in Gorleben nach Plänen von vor 33 Jahren zugelassen hat. "Dann signalisiert er Interesse, irgendwie auch die Bürger vor Ort zu konsultieren und einzubeziehen."
Aber Röttgens Reihenfolge - erst entscheiden, dann reden - sei kein Zeichen für neue Nachdenklichkeit oder ernsthafte Offenheit, so Harms. "Sie zeigt, dass ein runder Tisch für ihn nur ein hilfreiches Instrument zur Durchsetzung seiner Ziele ist. Was in Stuttgart der Baustopp ist, war in Gorleben das Moratorium. Nach dem Ende des Moratoriums und ohne Röttgens Bereitschaft, für eine neue und ergebnisoffene Standortsuche einzutreten, fehlen die Grundlagen für einen offenen Dialog."
BI: Unredlicher Vorschlag
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) geht zu den Plänen des Ministers ebenfalls deutlich auf Distanz. Für die BI ist der Salzstock Gorleben ungeeignet, an einem Runden Tisch könne es nur noch um die Abwicklung gehen. "Es ist geradezu unredlich, in Gorleben weiter zu bauen und dabei jede förmliche Beteiligung der Öffentlichkeit und deren Klagerechte auszuschließen, dann aber den Dialog anzubieten", sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Die Parallele Stuttgart 21 - Gorleben dränge sich in diesem Fall geradezu auf: "Ohne Baustopp kein Gespräch".
Offensichtlich habe sich bis Berlin herumgesprochen, dass Zehntausende demnächst auch im Wendland gegen den Castor auf die Schiene und die Straße gehen, um der Atomkraft und dem Endlagerprojekt in Gorleben die historisch überfällige Absage zu erteilen. Ehmke: "Der Appell an die Gorleben-Gegner, sich an einen Runden Tisch zu setzen, kommt über 30 Jahre zu spät."
Auch DIE LINKE lehnt Runden Tisch zum Endlager Gorleben ab
DIE LINKE im Landtag hat den Vorschlag, im Gorleben-Streit solle ein Mediator einen Runden Tisch moderieren, kategorisch abgelehnt. Der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, Kurt Herzog, sagte, die Regierungen hätten in Sachen Gorleben von Anfang an Gutachten gefälscht, geologische Ausschlusskriterien vertuscht und mit der Anwendung des Bergrechts eine Bürgerbeteiligung verhindert. 2015 stünden die ersten Enteignungen an. Vor diesem Hintergrund einen Runden Tisch einzurichten, sei ein geradezu lächerlicher Versuch, den Widerstand zu entschärfen: "Das ist ein taktisches Manöver - den Bürgern soll ein Mitspracherecht vorgegaukelt werden, das ihnen die Bundesregierung in Wahrheit verweigert", so Herzog.
Man könne die Öffentlichkeit nicht von den rechtlichen Abläufen um den Weiterbau eines Endlagers ausschließen, um sie dann als Komparse für die Farce "Runder Tisch" auf die Bühne zu bitten. "Die Wendländer sind seit 33 Jahren dem autoritären Top-Down-Prozess der Behörden ausgesetzt - sie sind nicht mehr bereit, für dieses Theater herzuhalten", erklärte der Atomexperte. Umweltminister Röttgen müsse das eigentlich wissen: Bereits 1991 habe die bunte Mehrheit im Kreistag Lüchow-Dannenberg schließlich die sogenannte 'Gorleben-Kommission' als nicht-öffentliches Geheimgremium kritisiert, in die Wüste geschickt und durch einen öffentlichen Ausschuss ersetzt.
"Gorleben ist durch, das muss auch Röttgen begreifen; im Wendland wird er niemanden mehr neu überzeugen können", sagte Herzog. Es gebe keine Verhandlungsmasse für einen Runden Tisch: "Gorleben ist als Endlager nicht geeignet, die Erkundung muss gestoppt werden - fertig. Jede sogenannte Kompromisssuche, die das nicht zur Voraussetzung hat, dient letztlich nur dazu, das Endlager doch noch durchzupeitschen. Und dafür stehen wir nicht zur Verfügung".
Foto: Andreas Conradt / publixviewing.de / Seit über 30 Jahren findet die "Bürgerbeteiligung" in Sachen Gorleben hauptsächlich auf der Straße statt - immer wieder begleitet von Auseinandersetzungen mit der Polizei, wie hier beim Bau der neuen Schutzhütte auf dem Salinas-Gelände.
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