Mit dem Verlust von Bienen und Insekten gehen Tierarten verloren. Auch Obst- und Gemüse wird rar, wenn die emsigen Tierchen ihre Bestäubungsarbeit nicht mehr leisten. Mit einem Brandbrief wandten sich am Donnerstag Imker an Landwirtschaftsminister Christian Meyer.
Als Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) am Donnerstag den Lüchower Gemeinschaftsgarten des Landwende e.V. besuchte, ahnte er wohl nicht, dass seine Amtszeit womöglich nur noch wenige Wochen dauert. In guter Laune er sich von heimischen Imkern über ihre Sorgen um die Bienenbestände und ihren Berufsstand informieren. Die heimischen Imker setzen in Meyer die Hoffnung, dass er sich als Vorsitzender der Agrarministerkonferenz sowohl für Veränderungen im Spritzmitteleinsatz in der Landwirtschaft sowie für eine verbesserte Bienenforschung einsetzt.
Bei "ihrem" Minister stoßen die Imker da offene Ohren. Schon lange ist Meyer die zunehmende Monokultur auf den Äckern einerseits aber vor allem auch der massive Einsatz von Pestiziden auf den Flächen ein Dorn im Auge. Auf öffentlichen Flächen in Niedersachsen ließ er deshalb den Einsatz von Pestiziden wie Glyphosat verbieten. Und wenn Landwirte Prämien für die Einrichtung von Blühstreifen haben wollen, müssen sie die Kooperation mit einem fachkundigen Imker nachweisen, damit die Blüten-Saatmischungen optimal auf die Bedürfnisse von Bienen abgestimmt werden.
Im solidarischen Garten der Landwende übergaben die Bienenhalter im Namen des Imkerverbands Wendland dem Minister dennoch einen "Brandbrief", in dem sie fordern, den Bienenhaltern wieder mehr Bedeutung zu geben. Vor allem die Vertretung durch die Landwirtschaftskammer sei aber "miserabel". Und im Vorstand des Landesimkerverband säße mit Jürgen Frühling ein Lobbyist der Spritzmittelindustrie. "Die Landwirtschaftskammer empfiehlt zwar Maßnahmen um Wildtiere zu schützen - aber Bienenschutz spielt dabei keine Rolle," beklagte Kresimker Marco Otte. "Auch die Verantwortung und Einflussnahme bei raumbedeutsamen Vorhaben im Sinne des Bienenschutzes übernehmen die Landwirtsschaftkammern nicht." Zum Beispiel, wenn es um Stellungnahmen im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen geht.
Imkerei ist zum reinen Hobby geworden
Und auch wenn Meyer die Förderung für Untersuchungen und die Anschaffung von Bienenvölkern deutlich erhöht habe, seien die Rahmenbedingungen immer noch so schlecht, dass es hauptsächlich alte Männer seien, die sich der Imkerei widmen. "Aber die Honigbiene ist zu wichtig, als dass man sie einfach so herunter fallen lassen kann," so Otte.
Die Berufsimkerei sei im Wendland aufgrund der Rahmenbedingungen fast zum Erliegen gekommen, so Otte. Er ist der einzige, der noch als Berufsimker tätig ist. Ottes Bienen
stehen aber überwiegend in Hamburg und Berlin, da die Landschaft nicht mehr
landwirtschaftlich relevant ist, wie er sagt. "Es ist inzwischen so, dass die Bienen in den Städten mehr Ertrag bringen, weil der ländliche Raum immer weniger Nahrungsangebot bietet," wusste auch Minister Meyer. "Es sind die Hobbyimker, die den Bienenbestand hierzulande noch aufrecht erhalten," so Otte. Wildlebende Honigbienen seien sang- und klanglos bereits vor 50 Jahren ausgestorben.
Ein weiterer Kritikpunkt der Imker richtet sich gegen das Celler Bieneninstitut. "Wir haben den Anschein, dass es dort nur um Ertragsleistung geht," war von den anwesenden Imkern zu hören. "Uns fehlen Forschungen, die sich mit der Genstabilität der Honigbiene, mit der Varroatose und auch neue Ansätze zur Vereinbarkeit der Behandlung von Varroatose mit Honigverordnung bei späten Trachten befassen." Und: Selbst organisierte Bienenforschung sei nicht möglich, da die Mittel der Bingo-Umweltlotterie für das Celler Bieneninstitut reserviert sind.
Das Blühstreifenprogramm der Landesregierung wurde zwar von den anwesenden Imkern ausdrücklich gelobt. Aber die nicht miteinander abgestimmten - und zu frühen - Aussaatfristen bereiten den Bienenhaltern Probleme - weswegen Minister Christian Meyer als Vorsitzender Agrarministerkonferenz sich beim Bund auch vehement dafür einsetzt, dass die Aussaatfristen zwischen Bund und Land von spätestens Ende April auf Ende Mai verschoben werden. Denn wenn die Blühstreifen zu früh angelegt werden, so fehlen die Blüten in der wichtigsten Sammelzeit.
Bienenfreund Meyer bereitet der massiv steigende Einsatz von Pestiziden in Deutschland schon lange Sorgen. "Durch den Einsatz von z.B. Glyphosid wird den Bienen die Nahrungsgrundlage entzogen. Da muss man sich jetzt mit der Spritzmittellobby anlegen. Und auch die Nervengifte wie Neonicotinoide haben katastrophale Auswirkungen," so Meyer. Die Bienen finden durch das Nervengift nicht mehr zurück zu ihren Stöcken und verenden deshalb.
Es seien in Süddeutschland nicht nur rund 50 000 Bienenvölker durch Pestizide gestorben, es gibt auch einen Rückgang an Rebhühnern, die sich hauptsächlich von Insekten ernähren. "Die Uni Hannover stellte fest, dass den Vögeln schlichtweg die Nahrung fehlt. Und das betrifft nicht nur Rebhühner."Mit speziellen Maßnahmen wie z.B. dem Blühstreifen-Programmen versucht das Landwirtschaftsministerium nicht nur Honigbienen sondern allen Bestäubungsinsekten Rückzugsräume zu schaffen. "Schließlich brauchen Bienen und Insekten nicht nur Nahrung, sondern auch Lebensräume, die ihren Bedürfnissen gerecht werden," so Meyer.
Bienen und Insekten seien aber nicht nur für die Ökosysteme wichtig. "Der Bund hat ausgerechnet, dass Bienen rund 3 Milliarden Euro volkswirtschaftlichen Nutzen einbringen," so Meyer. "Und damit ist nicht nur Honig gemeint, sondern all die Produkte, die von Fremdbestäubung abhängig sind." Sämtliches einheimische Obst aber auch so manches Gemüse wie Tomaten ist von Bestäubung abhängig. Darüber hinaus ist Bestäubung für viele Samenpflanzen wichtige Voraussetzung für erneute Samenbildung. Sprich: sterben Bienen und Insekten aus, wird das katastrophale Folgen für die Vegetation haben - und auch für Vögel, die sich von Insekten ernähren.
Den "Brandbrief" des hiesigen Imkervereins nahm Meyer mit dem Versprechen in Empfang, sich um die Anliegen zu kümmern. Allzu viel Zeit wird ihm aber wohl angesichts der aktuellen Regierungskrise nicht mehr bleiben, relevante Veränderungen in der Landwirtschaft zu bewirken. Aktuell wird diskutiert, dass womöglich schon im Septemer in Niedersachsen neu gewählt wird.
Foto / Angelika Blank: Einige wendländische ImkerInnen übergaben am Donnerstag Landwirtschaftsminister Christian Meyer (4. von rechts) einen "Brandbrief", mit dem sie Verbesserungen für den Bienenschutz und die Stellung der Imker fordern. Organisiert hatte den Termin die grüne Landtagsabgeordnete Miriam Staudte (2. von rechts).