Der 31. März ist der letzte Tag der EU-Milchquote. Ab dem 1. April gibt es keine Instrumente zur Mengensteuerung mehr. Existenzbedrohende Folgen für die bäuerliche Milchwirtschaft sind zu befürchten. Nicht umsonst sind hunderte Milchbauern nach Brüssel gekommen, um dort noch in letzter Sekunde gegen die Aufhebung zu demonstrieren.
Die Aufhebung der Milchquote war nicht mehr zu verhindern - nicht zuletzt durch den Widerstand der deutschen Bundesregierung. Zurzeit wird immerhin ein Initiativbericht diskutiert, der sich mit den Auswirkungen des Quotenendes und möglichen Alternativen beschäftigt.Für die Fraktionsvorsitzende der Grünen/EFA im Europäischen Parlament, Rebecca Harms, ist klar, dass der vielbeschworene Weltmarkt weder faire Preise bringen noch dem Erhalt der bäuerlichen und standortgerechten Milchviehwirtschaft dienen wird:
"Der Protest der Milchbauern ist richtig. Die Milchquote darf nicht ersatzlos fallen. Statt der Quote brauchen wir vernünftige Marktinstrumente, die benutzt werden, um einen fairen Preis für nachhaltig produzierte Milch zu erreichen. Standortgerechte bäuerliche Milchwirtschaft dient zudem auch dem übergeordneten Ziel des Grünland und Klimaschutzes," so Harms.
„ In
Deutschland sind von über 365 000 Milchbetrieben nur
rund 75 000 übrig geblieben. Wegen der enormen
Preisschwankungen der vergangenen Jahre haben viele
Betriebe ihr Milchvieh abgeschafft. Gerade in Niedersachsen
hat sich die Milchproduktion immer mehr auf
Großbetriebe konzentriert. Mit dem Wegfall der
Milchquote drohen nun ein noch härterer
Konkurrenzkampf, Preisdumping und Massenproduktion," so Harms. Betriebe
müssen expandieren, sich verschulden oder aufgeben.
Eine Einschätzung, die auch Milchbäuerin Gisela Webs aus Siemen teilt. Sie hat jahrelang gegen die Abschaffung der Milchquote gekämpft und bei ihren Berufskollegen für die Einführung des sogenannten Milchboards (eine Gemeinschaft von Milchproduzenten) plädiert. Doch ein zu geringer Teil ihrer Berufskollegn wollte sich auf das neue Modell einlassen. Lieber folgte man den Empfehlungen der konventionellen Bauernverbände, die auf Expansion setzen.
"Über einen Protest gegen die Abschaffung der Milchquote brauchen wir jetzt nicht mehr nachdenken," so Webs. "Die Milchquote hat zwar nie richtig gegriffen. Die Mengensteuerung hat nie richtig funktioniert. Aber auch an diesem Mißlingen hatten Molkereien und Verbände ihren Anteil." Schon in Brüssel sei außerdem nie ein richtiges Mengenmanagement realisiert worden. Für Webs ist es "schlimm, dass vor allem die kleinen Milchproduzenten sich nun mit einem ungeregelten Milchmarkt herumschlagen müssen. "Jetzt müssen wir sehen, wie wir am Markt ankommen," so Webs. "Viele kleinere Betriebe sind jetzt schon finanziell so ausgelaugt, dass sie kaum zusätzliche Investitionen verkraften können."
Größer, Schneller - Pleite
Nach Einschätzung der erfahrenen Milchbäuerin werden 100 Kühe nicht mehr ausreichen, um sich ein sicheres Einkommen zu organisieren. Mindestens 240 Kühe müsse ein Landwirt halten, um halbwegs am Markt bestehen zu können.
" Und wo geht es dann hin, wenn die Ställe immer größer werden?," fragt sich Webs. "Ss geht immer weiter vom verbraucher weg. Umso größer die ställe, umso größer wird die Seuchengefahr. Das zieht wiederum einen erhöhten Antibiotikaeinsatz nach sich. Von Artgerechtigkeit kann immer weniger gesprochen werden.
Viele Landwirte werden sich maßlos verschulden müssen - ob diese meist millionenschweren Investitionen allerdings auf Dauer genügend Umsätze garantieren, ist für Webs sehr fraglich. "In Westniedersachsen sind jetzt schon viele Fleisch produzierende Betriebe nicht mehr den Bauern, sondern Banken bzw. Großinvestoren," weiß Webs. Eine ähnliche Entwicklung befürchtet sie nun auch für Milchlandwirte.
Foto: Standbild aus dem 2009 entstandenen wnet-Video "Milch ist billiger als Wasser" von Dirk Drazewski. Damals schütteten Milchbauern tonnenweise Milch in die Kanalisation, weil die Milchpreis weit unter den Herstellungskosten lagen.