Die eine findet ihre Motive in Märchen, Sagen oder den Bildern alter Meister - die andere seziert Formen und wandelt sie in schwebende Raumobjekte um. Andrea Cziesso und Sabine Kramer füllen den Zehntspeicher Gartow noch bis Mitte September mit ihren phantasievoll überbordenden und stark reduzierten Werken.
Es ist ein Wagnis, zwei so verschiedene Künstlerinnen wie Cziesso und Kramer in einer gemeinsamen Ausstellung zu präsentieren, ohne ein gemeinsames Thema zu definieren. Doch den beiden Kuratorinnen des Westwendischen Kunstvereins, Gabriele Blonski und Hans Schlimbach ist das Kunststück gelungen, den unterschiedlichen Bildwelten der beiden Hamburger Künstlerinnen ihren Raum zu lassen und dennoch leise Hinweise auf Parallelitäten zu geben.
Geholfen hat dabei mit Sicherheit die beeindruckende Architektur des historischen Zehntspeichers, der wie eine sanfte Klammer alles umfasst, was in seinem Inneren ausgestellt wird. So wirken die schwebenden, feinziselierten Metallskulpturen von Sabine Kramer wie die reduzierte Abwandlung der tanzenden und in ihren phantastischen Welten dahinschwebenden Figuren aus den märchenhaften Bildern von Andrea Cziesso.
Beiden gemeinsam ist, dass sie Motive und Werke aus ihrem reichhaltigen Erlebensschatz holen. Während die eine (Andrea Cziesso) Fotos als Grundlage ihrer Arbeiten nimmt, sind es bei Sabine Kramer auch schon mal totgefahrene Frösche, die sich als Schablone in einer netzartigen Skulptur wiederfinden.
Cziesso kann dabei auf ein ständig wachsendes Fotoarchiv zurückgreifen, dass sich aus Fotos von Menschen, dunklen (manchmal
unheimlichen) Landschaften, arrangierten Stillleben und vielen meist
ausgestopften Tieren zusammensetzt. Immer wieder kostümiert Andrea Cziesso Freunde und
Bekannte, um sie dann auf dem Bildschirm in sonderbaren Welten laufen
zu lassen. So entstehen Montagen aus Fotos und gemalten Elementen, die an die lustvollen Szenarien eines Tizian oder Rubens erinnern, aber auch an die düsteren Welten eines Hieronymus Bosch.
Kramer dagegen reduziert ihre Formen bis zu einem Grad der Abstraktion, der dem Betrachter viele Freiheiten lässt. Präzise ausgeschnittene, meist eindimensionale Metallformen werden so an den Wänden arrangiert, dass sie im Spiel mit Licht und Schatten neue Räume schaffen. Im Kopf des Betrachters entstehen dann ebenfalls Landschaften oder Fabelwesen. Bei Cziesso präsentieren sich diese in barocker Pracht - Kramer verzichtet auf jegliche Farbe, konzentriert sich auf schlichtes Schwarz-Weiß und eine präzise Formgebung. Bezeichnenderweise bleiben Kramers Werke namenlos.
Resümee: Wer bereit ist, sich auf die unterschiedlichen Bildwelten einzulassen, erwartet eine Ausstellung, die sinnliches Vergnügen ebenso ist wie intellektuelle Herausforderung.
Die Skulpturen, Bildmontagen und Zeichnungen von Andrea Cziesso und Sabine Kramer sind noch bis zum 13. September im Zehntspeicher in Gartow zu besichtigen. In der Kunstkammer an der Hauptstraße werden bis dahin kleinformatigere Zeichnungen von Sabine Kramer gezeigt.
Öffnungszeiten:
Zehntspeicher: jeweils Freitags von 16 bis 19 Uhr, Samstags von 12 bis 16 Uhr und Sonntags von 12 bis 16 Uhr.
Kunstkammer: jeweils Freitags von 16 bis 19 Uhr, Samstags von 10 bis 14 Uhr und Sonntags von 11 bis 13 Uhr.