Nach dem Knast: 2600 Kilometer-Ritt, um wieder gesund zu werden

Pferdenarr Jürgen Eickmann aus dem wendländischen Wöhningen hat einen tollkühnen Plan: Mit drei Pferden - argentinischen Criollos - will der Ex-Knacki Ende Juni nach Spanien aufbrechen.

Es wird eine Reise, um zu gesunden - körperlich und mental. Die Wohnung ist gekündigt, die letztenVorbereitungen sind nahezu abgeschlossen.

Jürgen Eickmann hat lange im Knast gesessen. "Genau acht Jahre, sechs Monate, drei Tage und vierzig Minuten". Der Hühne mit klaren blauen Augen hat einen Händedruck wie ein Schraubstock. "Die Kraft ist das einzige, was mir geblieben ist", sagt der 53-jährige, "trotzdem bin ich arbeitsunfähig". Auf die Nachfrage, warum, legt er wortlos eine dicke Krankenakte auf den Tisch. Polyarthritis, Gicht in den Händen, Bluthochdruck, chronische Schmerzen.

"Woher das kommt? Zuviel gearbeitet früher", sagt er, seine Hände sind angeschwollen, weil er am Tag zuvor einem Kumpel beim Heumachen geholfen hat. "Aber Freund ist Freund", sagt Eickmann. Eine Batterie von Medikamenten macht sein Leben erträglich. Das viele Cortison hatte ihn mächtig aufgeschwemmt, sein Gewichtshoch lag im vergangenen Jahr bei 154 kg. Zum Beweis zeigt er ein Ausweisfoto - "sofort wieder vergessen", lächelt er. Viel zuviel für einen Reiter. Er hat inzwischen wieder einiges abgenommen, damit er auf seine Criollos passt. Die duldsame Rasse aus Argentinien ist genau das richtige für sein Vorhaben. Der Criollo gilt als eines der widerstandsfähigsten und zähesten Pferde der Welt. Er kann auch bei extremen klimatischen Bedingungen mit nur wenig Futter auf der Weide auskommen und widersteht Hitze und Kälte.

Er ist sehr ausdauernd - und genau das braucht Eickmann: Er will nach Spanien reiten,
mit drei Pferden und einem Hund. Wer ihn kennt, weiß, dass es ihm ernst ist, dass er durchzieht. Seine Motivation: "Eigentlich bin ich tot. Ich möchte wieder lebendig, wieder gesund werden". Auch psychisch. Der Weg als Ziel. Eickmann hat bei einer Reise bemerkt, dass ihm das Klima in Spanien gut tut, dass er dort ohne Medikamente auskommt. Es wird ein Versuch.

Und die Reiseroute? „Die hat Reddy auf dem Gewissen“, grollt Eickmann. 14 Tage hatte er schon an der Planung gesessen, 2600 Kilometer auf Nebenstrecken ausgewählt. Bis sein Australian Cattle Dog „Reddy“ die Papiere regelrecht schredderte - „die ganze Wohnung war voller Fetzen“.

Cattle Dog ,Reddy‘ hat die Tourplanung geschreddert

Die grobe Planung: Nach Süden. Und eins ist ihm ganz wichtig: „Ich muss unbedingt an einem Samstag oder Sonntag in Celle über die Allerbrücke reiten. Dann können meine Kumpels aus dem Knast gucken. Die sitzen dann auf ihrer Hütte“.
Am Ende des Monats will er aufbrechen, sein Ziel: Lorca bei Muncia, in der Nähe von Alicante. „Dort wohnt ein alter Kumpel von mir“, berichtet Eickmann, und alte Kumpels sind wichtig für einen wie ihn, der über acht Jahre gesessen hat. Und nicht reiten konnte in der Knast-Zeit.
Früher, so belegt ein Zeitungsartikel von früher, war er ein großer Züchter, da hatten er und seine Ex-Frau ihr Leben vollkommen nach den Pferden ausgerichtet. Ein dicker Ordner, randvoll mit Fotos, er hat sich das Criollo-Zeichen sogar auf den Oberarm tätowieren lassen. „Ich hatte mal 35 Pferde“.

Und dann irgendwann passierte diese Sache mit einigen falschen Freunden. „Geklaut habe ich nichts, ich habe das Zeugs nur verschoben“, erinnert er sich. Dem Richter reichte es für achteinhalb Jahre. „Durch den Knast und die Scheidung habe ich alles verloren“, sagt er lakonisch. „Damit der Cowboy wieder ein Pferd hat, haben Freunde mir ein Pferd gegeben, als ich aus dem Knast kam“, erinnert sich Eickmann.

Inzwischen hat er sich einiges wieder aufgebaut. Auf seinem Anwesen in Wöhningen blicken eine Handvoll Criollos neugierig aus ihren Boxen auf den Reitplatz, freundliche Australian Cattle Dogs umwuseln die Besucher, als er vorführt, wie seine Pferde parieren und wie er mit dem Lasso umgehen kann.

Die Dauer, die Länge des Weges: „Das ist völlig egal, ich habe doch Zeit“. Zwei Pferde tragen das Gepäck - zwei Packtaschen und einen Seesack -, das dritte den Reiter. Die Pferde wechselt er dabei ab.  Begleitet wird Eickmann außerdem von Reddy, seinem vierbeinigen Schredder.

Einmal schon bis München Ortsschild geritten

Unterwegs, so plant es Eickmann, will er auch mal Vorführungen geben, über die Rasse Criollo berichten, und zeigen, wie man mit dem Lasso umgeht. Das beherrscht Eickmann meisterhaft. Über seine Facebook-Seite können Interessierte den Trip verfolgen und ihn gerne ein Stück des Weges begleiten.

Der gebürtige Hannoveraner hat Zimmermann gelernt. Für Pferde hat er sich von klein auf interessiert. Es gibt dort eine Siedlung namens Texas, und dort gab es eine Pferdefarm, die „Ponderosa“. Dort hat er seine Zeit verbracht. „Fußball und Saufen, wie für die anderen Dorfjungs, das war nichts für mich“, erinnert sich der passionierte Reiter. „Einmal ,als junger Mann, bin ich auch bis nach München Ortsschild geritten, das hat drei Monate gedauert. Ich hatte doch Zeit! Von Baggersee zu Baggersee, die Frauen fanden mich klasse.“
Seinen Mietvertrag hat er schon gekündigt. Wenn er 2015 zurückkehrt, will er sich „ein kleines, billiges Häuschen im Osten“ suchen - dort, wo er schon seine große Pferdezucht hatte.
„Wenn alles glatt geht, will ich nächstes Jahr wieder zurückreiten, dieselbe Strecke“, träumt Eickmann. Und vielleicht wieder gesund, an Leib und Seele. Interessierte können das Abenteuer per Facebook miterleben - einfach nach Jürgen Eickmann suchen.
Auch Mitreiter sind willkommen - wer mag, kann den Pferdemann ein Stück auf seinem Weg begleiten.

Übrigens: Am Samstag, 21. Juni plant Eickmann in Wöhningen ab 15 Uhr einen Tag der offenen Tür mit Vorführung, auch zum Spenden-Sammeln. Interessierte können die Pferde und den Reiter kennenlernen, es gibt eine Rassendemonstration und eine Lehrstunde in Sachen Lassowerfen.
Der bekannte Pferdeflüsterer Django Thümer wird ebenfalls vor Ort sein: Er demonstriert live das Herdenverhalten und steht Frage und Antwort.
Interessierte können die Pferde nicht nur kennenlernen, sondern auch reiten. Neben Lassowerfen und Geschicklichkeitsreiten wird auch Barrel Race vorgeführt.

Auch Kinder können Lassowerfen üben. Für das leibliche Wohl ist gesorgt. Und wer noch das ein oder andere Reisematerial spenden kann, ist natürlich herzlich willkommen. Alle Infos unter Tel.: 0157-851 165 89.

Fotos / Björn Vogt: Mit seinen Criollos wil Jürgen Eickmann demnächst auf den großen Ritt nach Spanien gehen.




Fotos

2014-06-19 ; von Björn Vogt (autor),

 

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