Als die letzte Flut 2006 Neu Darchau heimgesucht hatte, lebte ich noch gemütlich im Landkreis Uelzen und habe nichts davon mitbekommen. Jetzt wohne ich direkt an der Front!
Letztes Jahr, als der höchste Wasserstand so bei 5,70 Meter lag, war ich schon ganz aufgeregt. Plötzlich legte die Fähre nicht mehr am normalen Anleger an, sondern – huch – direkt vor meinem Küchenfenster. Ungewohnter Ausblick. Mein Haus steht direkt am Hafen, das vorderste dauerhaft bewohnte Gebäude im Ort.
Aber mit jedem Zentimeter, den die Elbe steigt, wird auch meine Gewöhnung gedehnt. Seit gestern Morgen (Pegel 6,20 Meter) steht die Wiese vor meinem Haus zur Hälfte unter Wasser. Die Wiese – das ist je nach Anlass und Sichtweise das Neu Darchauer Neubaugebiet, der Festplatz, Flohmarkt oder Buswendeplatz.
Die Fähre liegt jetzt dauerhaft vor meinem Küchenfenster - unsere gute, alte „Tanja“. Wegen uns könnte sie eigentlich noch fahren, aber drüben, in Darchau, da haben sie vor ein paar Jahren den Anleger so ungünstig gebaut, dass sie eben ab 6,00 Meter nicht mehr anlegen kann. Aber nach ’ner Brücke schreien, das können’se… (Wer hat da eben „Ossi“ gesagt?)
Gestern war vor meinem Haus den ganzen Tag der Teufel los. Oder besser der Tourist. Der Katastrophen-Tourist. War ja Sonntag, das Wetter bestens, und die Leute hatten Lust, mal zu schauen, wie’s mir denn so geht. Tolle Autos gab’s da zu sehen – und exotische Kennzeichen. LG, klar, aber auch UE, WL, und sogar aus SFA kamen die Leute. Einige Verwegene waren sogar aus PI angereist und aus RZ – mit dem Wohnmobil. (Wer hat da eben „Gaffer“ gesagt?) Nur um nach mir zu sehen. Toll!
Ich bin dann auch mal raus, um mich den Leuten zu zeigen. Sogar meine Gummistiefel hatte ich probehalber schon mal an – einfach auch um deutlich zu machen, dass ICH hier das Opfer bin, klar? Aber so wichtig war ich den Touris dann gar nicht.
Als wär’s verabredet gewesen, kamen dann wenigstens die Feuerwehr, ein Kipper von „Elbe-Kies“ und eine Verwaltungsdame von der Samtgemeinde. Immerhin! Die haben erst gedacht, ich sei auch bloß ein Gaffer, aber als sie begriffen hatten, dass sie eigentlich meinetwegen hier waren, haben sie doch noch mit mir gesprochen. Ich solle mir mal keine Sorgen machen, meinem Haus würde schon nichts passieren, das war noch nie im Wasser, wär‘ doch gelacht. Das war, was sie sagten.
Gemeint hatten sie freilich: „Greenhorn, go home!“ Das hab‘ ich dann auch gemacht, nicht ohne insgeheim zu beschließen, mir zwei anständige Pumpen für den Keller zu kaufen, denn ich habe zwei voneinander unabhängige Kellerräume. Ein Feuerwehrmann rief mir noch nach: „Kaufen Se sich ma ne anständige Pumpe für’n Keller!“ Hah, dem hatt‘ ich’s aber gezeigt!
Andreas Conradt berichtet täglich aus Neu Darchau - jedenfalls solange er nicht schippen oder pumpen muss. Alles über das Hochwasser hier!
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Fotos: Andreas Conradt