Die Elbtalaue – unendliche Weiten. Mein Blick geht wieder mal durchs Küchenfenster. Vor gefühlten hundert Jahren waren da mal ausgedehnte Wiesen, Büsche und Wege. Was wohl die Hunde jetzt machen, die dort normalerweise ihre Herrchen Gassi führen? Ein alter Hit fällt mir ein. „Herr Kapitän, Herr Kapitän, so viel Wasser kann ich einfach nicht mehr seh‘n.“
Das viele Wasser steht friedlich an meinem Deich. Ich habe überlegt, ob ich ihm einen Namen geben sollte. Wie finden Sie „Hugo“? Hugo, der Deich? Die Altkleidercontainer, die man sinnigerweise außerhalb des Deiches hat stehen lassen, sind noch nicht aufgeschwommen. Achtern Diek ist alles ruhig.
Im Bad stelle ich fest, dass das Duschwasser heute langsamer abläuft als sonst. Mir schwant, dass es einen Rückstau in der Kanalisation gibt. Was soll ich tun? Ich stehe über den Abfluss gebeugt, wie man bei einer Autopanne über den Motor gebeugt steht: Man schaut, staunt – und hat keine Ahnung! Vielleicht mal einen Blick in den Keller?
Alaaaarm! Wassereinbruch im Maschinenraum! Auftauchen! Anblasen! Klar bei Tauchretter! Tatsächlich: Wasser im Keller! Die Wände sind immer noch trocken, also muss es Grundwasser sein, das durch den Boden hoch drückt. „Jetzt nur ruhig Blut“, denke ich unangebrachterweise, während mir Befehle an mich selbst durch den Kopf schießen: Pumpe, C-Rohr, Feuerwehrschlauch, Kabeltrommel, 13er Schlüssel, Rohrzange, Taucherglocke, Atemgerät. Sekunden später stelle ich fest, dass das Wasser noch nicht einmal eine Stufe tief ist...
Das ist noch zu wenig, um es abzupumpen, aber immerhin freut es mich, dass ich die Flut-Box nicht umsonst angeschafft habe. Da geh‘ ich doch – statt zu tauchen – gleich mal die Rechnung überweisen. Strom und Internet funktionieren schließlich noch.
Vor der Tür setzt – weil ja Freitag ist – so langsam das Touristen-Kulturprogramm ein: Spaziergänger, Parkplatzgerangel, junge Schnösel in tiefer gelegten Gölfen mit Wumpf-Musik. Vermutlich genau das, was erschöpfte Feuerwehrleute nach ‘ner Zehnstundenschicht gebrauchen können.
Gegen Abend werfe ich die Leinen los! Ich muss nach Lüneburg; es gibt Termine, die lassen sich nicht verschieben! Vorher noch mal ein besorgter Blick in die Kellerräume. Und schon wieder:
Alaaaarm! Wassereinbruch im Laderaum! Verflixt, das Wasser steigt schnell, und es hat jetzt auch den zweiten Raum erreicht. Egal, ich muss jetzt los. Gepumpt wird später. Über Umwege nach Lüneburg – auf der Brücke zwischen Neu Darchau und Katemin hat es sich ja der Mühlenbach gemütlich gemacht –, über Umwege auch wieder zurück.
Als ich mein Haus wieder erreiche, traue ich meinen Augen nicht: In den wenigen Stunden, die ich weg war, haben Feuerwehrleute aus Wietzetze stramme 33 Paletten mit je 50 Sandsäcken gefüllt und vor meinem Haus parat gestellt. „Das ist unsere Reserve, falls ‘was passiert“, erklärt der Einsatzleiter. Toll! Die trauen Hugo ja mal richtig was zu. Aber trotzdem: Respekt! Knapp zweitausend Sandsäcke – und ich fluche auf der B 216 über ‘n LKW vor mir. Morgen muss ich nicht weg. Morgen geh‘ ich schippen. Und pumpen.
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Andreas Conradt berichtet täglich aus Neu Darchau - jedenfalls solange er nicht schippen oder pumpen muss. Alles über das Hochwasser hier!
Fotos: Andreas Conradt