Thema: elbe

Neues von der Flut - Der Hochwasserblog (7)

Schnee! Jetzt auch noch Schnee! Wasser von unten reicht wohl nicht, was? Hugo, mein persönlicher Deich, trägt eine weiße Mütze. Wo, bitte, ist hier die Beschwerdestelle? Und da ich gerade bei Reklamationen bin: Dieses Wetter hatte ich auch nicht bestellt! Der siebte Tag im Sperrgebiet beginnt mit einem Himmel, der so grau ist, wie es grauer nicht geht.

Die ganze Nacht über lief auf der Wiese neben meinem Haus ein Generator, aber darüber werde ich mich ganz sicher nicht beschweren. Erstens, weil er viel leiser ist, als ein Schwarm frierender Wildgänse in der Nacht, und zweitens, weil er ein Flutlicht füttert, das der Feuerwehr bei der Kontrolle meines Deiches dient.

Gleich am Morgen zwei Probleme: Keller voll und Kühlschrank leer. Jetzt ist Einsatz gefragt. Spot an, es tritt von links auf die Bühne – meine Flut-Box! Kabel in die Dose, Schlauch ausrollen, Wasser marsch! Der Schlauch reicht bis in den Garten. Ist es wirklich schlau, das widerrechtlich eingetretene Grundwasser in den Garten zu pumpen, wo es versickert, zu Grundwasser wird und – na, Sie wissen schon!? Lieber wäre es mir, das Wasser nach Dahlenburg zu pumpen. Von dort könnte es gemächlich ins Bevenser Becken ablaufen und ich wär’s los. Aber so lang ist mein C-Schlauch nicht.

Damit das Wasser aus dem Schlauch nicht den leidlich intakten Rasen zermantscht, lege ich das Endstück so, dass es auf den Plattenweg spucken kann. Eine prima Idee, denn in Nullkommanix hat das ausströmende Wasser den Sand unter dem Weg weggespült. Ein Lehrstück in Sachen „kleinen Schaden vermieden, großen Schaden angerichtet“. Muss man als Greenhorn wirklich jeden Fehler machen?  Herr Bürgermeister, wie wär’s mit einer Fibel „Flutbewältigung für Dummies“?

Also alles wieder umbauen. Damals, in grauer Vorzeit, vor dem großen Schnee und der großen Flut, hatte ich wochenlang und völlig erfolglos versucht, Wühlmaus und Maulwurf davon zu überzeugen, zum Nachbarn auszuwandern. Wer nicht hören will, muss fühlen! Jetzt also Wasser...

Am Mittag ruft zwar nicht der Bürgermeister an – den treffe ich später Hand in Hand mit dem Samtgemeindedirektor und einem Feuerwehrmann –, dafür aber ein sympathisches Mitglied des Gemeinderates von Neu Darchau. Er rät mir, das Wasser im Keller so spät wie möglich abzupumpen, um dem von außen drückenden Wasser nicht den Gegendruck zu nehmen. Gute Idee – nur: Irgendein Freizeit-Elektroingenieur, der das Haus vor mir bewohnt hat, hat im Laderaum Kabel und Steckdose auf Knöchelhöhe montiert. Ich habe also die Wahl zwischen Einsturz und Stromschlag. Da ich Zweites schon kenne, entscheide ich mich für Ersteres – und verlasse das Haus.

Bei einem Rundgang durchs Dorf wird klar: Mein Problem mit dem zirkulierenden Grundwasser gibt es an anderer Stelle auch – nur größer! Auf einem Grundstück an der Elbuferstraße – Sie wissen schon: „beim Dachdecker“ – haben Feuerwehr und THW aus geschätzten zehn Millionen Sandsäcken ein ganzes Deichsystem gebaut. Tja, und dort, wo die Elbe trotzdem durchdringt, fängt eine Armee von Pumpen sie wieder ein und schickt sie zurück in ihr Lotterbett.

Da ich Ihnen nun schon Mitglieder zweier in Neu Darchau aktiver Parteien vorgestellt habe, ist es wohl meine Pflicht, auch von der dritten Partei zu berichten. Deren Vorsitzender kommt mir beim Einkaufen am Morgen entgegen und bekennt freimütig, er sei soeben vierhundert Jahre alt geworden. Ich denke: „Respekt, dabei sieht er noch jünger aus als Helmut Schmidt“, aber er meint es anders: „Ich habe in meinem Leben vier Jahrhunderthochwasser mitgemacht.“ Tja – Wasser ist Leben!

 

 

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Andreas Conradt berichtet täglich aus Neu Darchau - jedenfalls solange er nicht schippen oder pumpen muss. Alles über das Hochwasser hier!

 

 

 

Fotos: Andreas Conradt




2011-01-22 ; von Andreas Conradt (autor),

elbe   hochwasser  

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