Allein rund 40 Engagierte kümmern sich um die Flüchtlinge in Restorf - hier, doch auch in den anderen Samtgemeinden stoßen die Ehrenamtlichen jedoch oft an ihre Grenzen. Ein Ehrenamtlichen-Treffen analysierte am Freitag die Möglichkeiten und Grenzen der Flüchtlingshilfe.
Heike Mahlke, Theologin aus Hitzacker, hatte schon vor Jahren während der Betreuung von bosnischen Flüchtlingen die Erfahrung gemacht, dass "das, was die Flüchtlinge brauchen und wollen," nicht unbedingt dem entspricht, was Ehrenamtliche sich unter Hilfe vorstellen. "Damals mussten wir viel lernen," so Heike Mahlke am Freitag. "Doch immer wieder ging das auf Kosten der Flüchtlinge, denen wir durch unser Unwissen und mangelnde Koordination oft nicht wirklich helfen konnten."
Damit das im Umgang mit den rund 120 Flüchtlingen, die seit Herbst vergangenen Jahres Unterkunft in Lüchow-Dannenberg gefunden haben, nicht wieder passiert, luden sie und einige MitstreiterInnen von Flüchtlingsinitiativen ehrenamtlich Aktive zum Austausch ein.
Die Resonanz war überwältigend: mehr als 30 Engagierte fanden sich am Freitag Abend im Gemeindehaus der Katholischen St.-Agnes-Gemeinde ein, um sich auszutauschen und mehr darüber zu erfahren, wie sie den Flüchtlingen besser helfen können.
Viele Helfer - viele Fragen
Aus allen Ecken des Landkreises waren die Hilfswilligen angereist, mit vielen Fragen im Gepäck. Denn fehlende Sprachkenntnisse, psychische Probleme nach traumatischen Erlebnissen oder unterschiedliche kulturelle Weltbilder machen die Hilfe oft nicht einfach. Zu wem kann ich mit einer Schwangeren gehen? Was tue ich, wenn ein Flüchtling Selbstmordabsichten äußert? Und wie umgehen mit ablehnenden Bescheiden des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge?
Schwerwiegende Probleme, mit denen Laienhelfer überfordert sind, darin waren sich alle Anwesenden einig. Deswegen war es ein wesentliches Ziel des Abends, Ehrenamtliche und die professionellen Anlaufstellen miteinander bekannt zu machen und über effektive Informationsstrukturen nachzudenken. So fehlten in der Runde zum Beispiel Informationen darüber, wer im Landkreis Hausaufgabenhilfe anbietet oder Sprachunterricht.Auch war vielen nicht bekannt, dass es seit Monaten eine Integrationsbeauftragte gibt, die als Anlaufstelle für eine Vielzahl von Fragen und Problemen eingerichtet wurde. Daneben gibt es einige Institutionen, die sich seit Jahren mit Flüchtlingsfragen auseinandersetzen:
Arbeitskreis für Asyl und Bleiberecht: Der Arbeitskreis kümmert sich vor allem um die politischen Themen im Zusammenhang mit der Flüchtlingsarbeit und will nach eigenem Bekunden die Öffentlichkeitsarbeit organisieren.
Felix e.V. (früher: KinderKinder e.V.): auch dieser Verein setzt sich für die Rechte der Flüchtlinge ein und kümmert sich vor allem um das Wohl von Flüchtlingskindern.
Dagmar Wagner/Integrationslotsin für die Samtgemeinde Lüchow: Sie kümmert sich um die Anliegen der Flüchtlinge in der Samtgemeinde Lüchow.
Kurve Wustrow: auch die Friedensinitiative kümmert sich um konkrete Unterstützung aber auch um die politische Seite der Flüchtlingsproblematik
Und eben die Integrationsbeauftragte Sarah Fandrich, die bei der Ländlichen Erwachsenenbildung in Dannenberg angesiedelt ist. Bei ihr sind die Kontaktadressen der Hilfsorganisationen sowie weitere Informationen zu erhalten. Ob Erstberatungen nach dem Zuzug, Unterstützung bei Behördengängen, Organisation von Sprachkursen oder Beratung bei familiären Angelegenheiten - Sarah Fandrich ist für Vieles von dem zuständig, was Flüchtlinge (und Helfer) umtreibt.
Die psychische Belastung wächst
Die psychosoziale Betreuung allerdings, die viele Flüchtlinge nach traumatischen Erlebnissen im Heimatland und einer oft ebenfalls dramatischen Flucht dringend benötigen würden, fehlt meist. "Die ehrenamtlichen Helfer sind mit diesen Problemen oft überfordert," so eine Übersetzerin für Iranisch, die viel Kontakt zu Helfern und Flüchtlingen hat. "Da fehlen Profis, die wissen wie z.B. mit einem Selbstmordgefährdeten umzugehen ist."
Denn die Gefahr, dass mehr und mehr Flüchtlinge immer unsicherer und damit auch psychisch instabiler werden, wächst. Seit einigen Wochen trudeln die ersten ablehnenden Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ein, die den Hilfesuchenden mitteilen, dass nach dem Dublin III-Abkommen in das jeweilige Ersteinreiseland zurückkehren und dort ihr Asylverfahren durchführen müssen. "Erste Einlieferungen in die Psychiatrie hat es bereits gegeben," sorgt sich Sarah Fandrich. "Und die Verunsicherung unter den Flüchtlingen wächst. Denn jede/r fragt sich, wann bin ich an der Reihe?" Denn die Vorstellung, nach Spanien, Frankreich oder vor allem Italien zurückkehren zu sollen, löst bei Vielen Ängste aus. Unsicher werden allerdings auch die Helfer, die nicht wissen, wie sie mit den zunehmenden psychischen Problemen umgehen sollen.
So ist denn auch die "Dublin-III-Thematik" eines der größten Probleme, die die Integrationsbeauftragte derzeit am meisten beschäftigen. "Es ist keine Lösung in Sicht," so Sarah Fandrich. Auf der politischen Ebene tut sich nichts. Und nur die Tatsache, dass Italien derzeit keine Flüchtlinge aufnimmt, verhindert zur Zeit, dass Flüchtlinge nach Italien "zurückgeführt" werden.
"Das kann sich aber jederzeit ändern," weiß Sarah Fandrich aus bitterer Erfahrung. So versucht sie, den Flüchtlingen weiterhin Optimismus mit auf den Weg zu geben ohne ihnen die Realitäten zu ersparen. Ein schwieriger Spagat, der nicht unbedingt immer gelingt.
Es gilt also, wenigstens die praktische Hilfe so gut wie möglich zu koordinieren. Denn so manche "Doppelberatungen" und seien sie noch so gut gemeint, führen oft zu noch mehr Verwirrung und Verunsicherung bei denen, denen eigentlich geholfen werden soll. Die "Freitagsrunde" will sich deshalb regelmäßig treffen und den Austausch unter den Helfern weiter koordinieren.
Foto / Angelika Blank: Intensiver Austausch bei der "Freitagsrunde" der Flüchtlings-Initiativen und HelferInnen im Gemeindehaus der Kath. St.-Agnes-Kirche.