Wölfe und Flüchtlinge - das sind die Themen, die im Lande die größte Aufregung verursachen. Abgesehen mal vom Abgasskandal bei VW.
Beim Umgang mit dem Wolf gibt es zwischen den Parteien die größten Kontroversen: während die Einen (CDU, FDP) den Wolf bejagen wollen, bestehen die Anderen (Grüne, SPD ...) auf ihrem bereits eingesetzten aufwändigen System, welches einerseits dem Wolfsschutz dient aber auch den Bedürfnissen der Tierhalter Rechnung trägt. Finanzierung von Herdenschutzzäunen und -hunden, Entschädigung bei - nachgewiesenen - Wolfsrissen und ein flächendeckendes Monitoringssystem ist in den letzten zwei Jahren unter grüner Führung des Umweltministeriums immer mehr ausgeweitet worden. Der jetzige Umweltminister Stefan Wenzel ist inzwischen auch bereit, ganze Wolfsrudel zu "entnehmen", wie im Amtsdeutsch das Töten heißt, wenn sie durch aggressive Übergriffe auffällig werden.
Flüchtlinge: Hier liegen die Kontroversen zwischen den Parteien vor allem im Detail: konsequente Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern werden vor allem von den konservativen Parteien (CDU, AfD) gefordert. Unter Rot-Grün wurde diese Woche erstmals in Deutschland für eine größere Stadt ein (befristetes) Zuzugsverbot für anerkannte Asylbewerber angeordnet.
Ansonsten gibt es viele Bereiche, in denen sich die bisher im Landtag vertretenen Parteien einig sind: intensiver Breitbandausbau, Unterstützung der Industrie, Förderung des ländlichen Raums, Turbo-Abitur, mehr Lehrer und Polizisten. 1 Milliarde Euro nur für die Förderung des Breitbandausbaus (CDU)? Oder ein mit der gleichen Summe ausgestatteter "Niedersachsen-Fonds" mit dem finanzschwache Kommunen bei Infrastrukturprojekten unterstützt werden können (SPD)? Weiter Förderung der bäuerlichen/ökologischen Landwirtschaft (Grüne)? Oder Fitmachen der (konventionellen) Landwirtschaft für den Weltmarkt (CDU)?
Am Sonntag wird gewählt. Wie es zur Zeit aussieht, werden wohl weder CDU noch SPD allein regieren können. Die möglichen Koalitionspartner werden bei der Ausgestaltung der niedersächsischen Politik eine wichtige Rolle spielen.
Hier die Positionen zu ausgewählten Themen:
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BILDUNGSPOLITIK
In vielen Problemfeldern sind sich - zumindest die jetzt im Landtag vertretenen - Parteien einig: das Lehrerstudium muss attraktiver gemacht werden, so dass genügend Lehrer zur Verfügung stehen, um die offenen Stellen auch besetzen zu können. Die CDU will niedersächsischen Lehramts-Absolventen gar eine Einstellungsgarantie geben.
Das sogenannte "Turbo-Abitur" soll ebenfalls nach dem Willen aller Parteien beibehalten werden. CDU und Grüne wollen allerdings, dass die Schüler selber entscheiden können, wie lange sie für ihre Abiturprüfung büffeln wollen.
Beim Thema "Inklusion" gibt es die größten Differenzen. Während die CDU eine "Atempause" wünscht, um die Alltags-Probleme lösen zu können, wollen SPD und Grüne die gemeinsame Beschulung von behinderten und nichtbehinderten Schülern aufrechterhalten und weiterentwickeln. CDU und FDP wollen Förderschulen erhalten. Die AfD will bereits geschlossene Förderschulen wieder öffnen und die Inklusion so gestalten, wie sie vor 2012 war. (Förderung, aber getrennte Bildungswege).
Noten: Bis jetzt erhalten Grundschüler bis zu vierten Klasse lediglich Entwicklungsberichte und keine Zeugnisnoten. CDU und FDP wollen hier zurück zum Benotungssystem + Lehrermpfehlungen für die weitere Schulwahl. Die AfD will gar ein Probejahr für Kinder, die eine andere Schulform besuchen, als die die von den Lehrern empfohlen wurde.
Die Grünen fordern, dass das Sitzenbleiben abgeschafft wird. FDP und AfD wollen dies ausdrücklich nicht.
WIRTSCHAFTSPOLITIK
SPD
- "Wer arbeitet, muss auch davon leben können"
- Langzeitarbeitslose sollen besser qualifiziert werden
- Kampf gegen den Missbrauch von Werkverträgen ("Generation Praktikum")
- Stärkung der Industrie durch Ausbildung und Qualifizierung von Fachkräften
- Sicherung konkurrenzfähiger Energiekosten
Der bisherige Ministerpräsident Stephan Weil ist davon überzeugt, dass es einen kontinuierlichen Anstieg der Beschäftigung in der Industrie gibt. Allein dieses Jahr würden nach seiner Einschätzung weitere 60 000 Arbeitsplätze entstehen.
CDU
- "Niedersachsen nach vorne bringen"
- Förderung der Industrie durch (u.a.) Qualifizierung von Fachkräften
- Einrichtung eines "Bürokratie-TÜVs", um bürokratische Hürden abzubauen
- Abschaffung von Meldepflichten für alle Unternehmen unter 10 Mitarbeitern (unter bestimmten Bedingungen)
- Jedes Unternehmen soll bis 2022 einen Gigabitfähigen Glasfaseranschluss bekommen
- Übernahme aller Kosten für die Meisterausbildung
- Vereinfachte Planungsverfahren für Infrastrukturprojekte (Aussetzung der Verbandsklagemöglichkeit)
- Veränderung des Landesraumordnungsprogramm zugunsten einfacherer Ansiedlung von Großunternehmen (sprich: Abbau von Schutzzonen in der Flächenplanung)
- zeitliche Begrenzung für Leiharbeitsverträge
GRÜNE
- "Für ein weltoffenes, solidarisches und ökologisches Niedersachsen"
- Erneuerbare Energien als Wirtschaftsfaktor ausbauen(Weiter)entwicklung nachhaltiger Wirtschaftsformen
- Bis 2030 werden in Niedersachsen keine Fahrzeuge mehr produziert, die fossile Energien benötigen
- Umbau der Fahrzeugindustrie hin zu einem nachhaltigen Mobilitätsdienstleister Begrenzung von Leiharbeitsverträgen
- Einführung eines "sozialen Arbeitsmarktes" (ein dauerhafter, öffentlich geförderter Beschäftigungssektor)
- Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe (dezentrale Produktion)
FDP
- "Wir wären dann soweit"
- Keine staatliche Eingriffe in den Wirtschaftsprozess
- Abbau von bürokratischen Gesetzen und Vorschriften
- Förderung des Freihandels
- Investitionen in Straßen und Infrastruktur (unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte)
- Ausweisung neuer Flächen für die Ansiedlung neuer Unternehmen
- Unterstützung der Industrie als "wesentlicher Innovationsmotor"
- Verlässliche Rahmenbedingungen für die Automobilindustrie
- Abbau von Mindestlöhnen
- Attraktivere Gestaltung des Meister-BaföG
Grundsätzlich: Stärkung des Mittelstandes durch verschiedene Forderungen zum Abbau von staatlichen Vorgaben und Regelungen.
LINKE- "Sozial. Gerecht. Ökologisch. Konsequent. Unbestechlich."
- Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich für alle Landesbeschäftigten
- Zusätzliche Feiertage: Internationaler Frauentag (8. März) und Tag der Befreiung von Faschimus und Krieg (8. Mai)
- Leiharbeitsarbeitsverträge in tarifliche Arbeitsplätze umwandeln; kein Missbrauch von Leihverträgen
AfD
- "Der Heimat eine Zukunft geben"
- Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
- Kein Ausbau der Windkraft
- Abschaffung des Mindestlohns
- mit einer durchgreifenden Ordnungspolitik die Rahmenbedingungenfür eine faire Wettbewerbswirtschaft schaffen (gegen eine am 'angelsächsischen Wirtschaftsliberalismus orientierte Politik' der allgemeinen Deregulierung und Privatisierung)
- Der Automobilindustrie und ihren Zulieferern ein investitionsfreundliches Umfeld bieten
- De-Industrialisierung stoppen
- Gegen De-Karbonisierung
- Abbau von bürokratischen Hürden
BREITBANDAUSBAU
SPD:
Einrichtung eines mit 1 Milliarde Euro ausgestatteten "Niedersachsen-Fonds", der finanzschwache Kommunen beim Breitbandausbau, Integrationsmaßnahmen oder z. B. Sportprojekten unterstüzen soll.
CDU:
1 Milliarde Euro nur für den Glasfaser-Ausbau ; Breitband-Gipfel mit dem Ziel, einen Masterplan für die landesweite Internetstruktur zu entwickeln.
GRÜNE:
Bis 2020 in ganz Niedersachsen Versorgung mit mindestens 50 M egabits/Sekunde Datenübertragsraten.
SOZIALES UND GESUNDHEIT
- Kostenloser Besuch von Kindergärten und -tagesstätten (SPD, Grüne)
- Bessere ärztliche Versorgung auf dem Lande (Alle)
- Sozialhilfe und Kindergeld nur für Deutsche, bzw. Ausländer, die seit mindesens fünf Jahren in Deutschland sozialversicherungspfichtig arbeiten; Zahlung nur in Höhe der im jeweiligen Land geltenden Regelsätze (AfD)
- Investitionsstau an Krankenhäusern abbauen (Alle)
ÖPNV
Einig sind sich alle Parteien, dass der ÖPNV im Lande verbessert werden sollen. Die Wege dahin sehen die Parteien allerdings unterschiedlich:
FDP: Vernetzung von Privatwirtschaftlichen und öffentlichen Konzepten; einseitige Förderung des ÖPNV beenden
CDU: Einführung eines "Schülertickets" für ÖPNV-basierte Fahrten in Niedersachsen; Reaktivierung von Schienennetzen und -stationen
Grüne: Reaktivierung von Schienennetzen und -stationen
LINKE: Sozialtarife im ÖPNV, Reaktivierung von Bahnstrecken und -stationen, Einführung einer Niedersachsencard
AfD: - keine Aussagen
INNERE SICHERHEIT
AfD
- Abschaffung der Polizeidirektionen
- Zusammenlegung von Polizeiinspektionen (Ziel: mindestens 600 Mitarbeiter in einer Inspektion)
- Die Inspektionen werden direkt dem Innenministerium unterstellt
- Einstellung in den Kriminaldienst nur nach kriminalistischer Ausbildung an zentrale "Landespolizeischule"; keine fachfremden Polizeibeamte
- Aufhebung der Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendienst
- Flächendeckende Überwachung von Telefongesprächen und Kontakten
- Verstärkung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum
- Landesämter für Verfassungsschutz sollen aufgelöst und dem Bundesamt für Verfassungsschutz unterstellt werden
CDU
- Erhöhung der Polizeibeamten um 3000
- Polizeistationen in der Fläche erhalten.
- Bessere Schutzausrüstung für die Polizei
- Ein neues Gesetz für öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG)
- Der Begriff "öffentliche Ordnung" bleibt im Gesetz erhalten
- Ausbau einer "intelligenten" Videoüberwachung
SPD
- Zusätzliche Schaffung von 1000 Stellen - im Einsatz- und Streifendienst, Experten für
Cybercrime sowie Islamismus und Terrorismus
- Verbesserte Ausrüstung
- Verbesserte Aufstiegschancen
- Höhere Zulagen
GRÜNE
- Präventionsmaßnahmen
- effektive Gefahrenabwehr
- konsequente Strafverfolgung
- Verbesserte Ausstattung der Polizei
- Erhöhung der Beamtenzahl
- ein Strafvollzug, der die Resozialisierung in den Mittelpunkt stellt
- Abbau von Rassismus und Diskriminierung (auch bei der Polizei)
FDP
- Mehr Polizeibeamte
- Bessere Ausrüstung
- Zusammenlegung von Verfassungsbehörden (bundesweit nur noch vier bis sechs Verfassungsschutzämter)
- gleichwertige Verfolgung von Extremismus und Kriminalität unabhängig von religiöser oder politischer Ausrichtung
- Europaweit einheitliche Kriterien für die Definition "Gefährder"
- Verbesserung der Vernetzung zwischen den Ermittlungsbehörden auf europäischer, Bundes-, Landesebene und Kommunalebene
LINKE
- Abschaffung der Landesverfassungsschutz-Behörde
- eine unabhängige Beschwerdestelle für Polizeiangelegenheiten; eine Verlagerung der Polizeiausbildung an normale Hochschulen
- die Abschaffung von Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE)
- einen Stopp des Rückzugs der Polizei aus der Fläche
- die allgemeine Beschränkung des kleinen Waffenscheins sowie dessen strengere Kontrolle.
Hier gibt es die ausführlichen Wahlprogramme zum Nachlesen:
CDU - cdu-niedersachsen.de/regierungsprogramm
SPD - spdnds.de
Grüne - gruene-niedersachsen.de/programm
FDP - fdp-nds.de/service/wahlprogramm.html
LINKE - dielinke-nds.de/wahlen/landtagswahl_2017/wahlprogramm/
AfD - afd-niedersachsen.de
Foto | Angelika Blank: Fröhliche Stimmung auf den Wahlkampfständen von SPD und CDU vor dem Gartower Supermarkt