Nach dem Willen der EU-Kommission sollen die EU-Staaten in den nächsten Jahren "verbindliche Fahrpläne" für die Endlagerung von Atommüll vorlegen. Dies sieht ein Gesetzentwurf vor, den Energiekommissar Günther Oettinger am Mittwoch in Brüssel vorstellte. Nach den Vorstellungen von Oettinger müssen die EU-Länder innerhalb von vier Jahren konkret mitteilen, wie sie die Endlagerung von Atommüll lösen wollen.
"Höchstmögliche Sicherheit" soll die EU-Richtlinie garantieren. Die Entscheidung über Standorte bleibt allerdings den Mitgliedsstaaten überlassen, so Oettinger am Mittwoch Morgen.
"Gorleben war eine Festlegung der deutschen Politik, und Gorleben bearbeiten, bleibt eine Aufgabe der deutschen Politik", sagte Oettinger. Export von Atommüll in außereuropäische Länder lehnt Oettinger ab.
Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg bewertet Oettingers Endlagervorstoß kritisch. "Die Lagerung in großen Tiefen sei die "sicherste und nachhaltigste Möglichkeit" der Endlagerung, heißt es in dem Entwurf. Oettinger schlägt vor, den Abfall zu vergraben", so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke in einer Mitteilung. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) sieht in dem Vorschlag Oettingers einen "durchsichtigen Flankenschutz Oettingers für die Pläne der Bundesregierung, im Salzstock Gorleben ein Endlager für hochradioaktive Abfälle zu errichten".
"Der Zeitplan lässt nicht zu, dass dann von Gorleben noch abgerückt werden kann, so mutiert die sogenannte Erkundung konzertiert zwischen dem EU- Energiekommissar Oettinger und seinen Parteifreunden in Berlin zu einem Treibsatz, um Gorleben allen Protesten und fachwissenschaftlichen Einwänden zum Trotz fertig zu bauen", warnte Ehmke. Gerade angesichts der havarierten Atommülllager Asse II und Morsleben sollte in der Endlagerfrage die Rückholbarkeit radioaktiver Abfälle als Option in den Fokus gerückt werden, eine weitere Produktion von Atommüll verbiete sich ohnehin.
Vorrangig sei auch die Finanzierung der Endlagerung zu garantieren und dabei die Abfallproduzenten in die Pflicht zu nehmen. Ehmke: "Für Deutschland heißt das, dass die steuerfreien Beträge - insgesamt 29 Milliarden Euro -, die die Energieunternehmen für die Endlagerung und den Rückbau von Atomanlagen angespart haben, in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführt werden müssen."
"Kommissar Oettinger versucht den Menschen vorzumachen, dass das Problem der atomaren Endlagerung nun von der EU angepackt wird und damit schon fast gelöst sei. So verkauft der Kommissar alleine die Tatsache, dass die Mitgliedsstaaten in vier Jahren erstmals einen Plan vorlegen müssen, was sie mit ihrem Atommüll zu tun gedenken, als großen Erfolg. Niemand sollte sich so leicht hinters Licht führen lassen. Der vorliegende Vorschlag ist mehr ein Akzeptanzprogramm für die von der Atomlobby beschworene Renaissance der Atomkraft als ein Schritt zur Lösung der großen Probleme.
Harms: Richtlinienvorschlag erschreckend schwach
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, kritisiert die geplante EU-Richtlinie ebenfalls: "Der Richtlinienvorschlag ist schon bei der Definition, was überhaupt Atommüll ist, erschreckend schwach (1). Eine Analyse der schwerwiegenden Probleme der verschiedenen Endlagerprojekte bleibt aus und auch für das Suchverfahren für ein Endlager werden keine konkreten Vorgaben gemacht. Stattdessen vermittelt die Kommission den Eindruck, dass die geologische Tiefenlagerung von Atommüll unumstritten sei und ignoriert die zahlreichen offenen Fragen, die mit dieser Option verbunden sind", so Harms am Mittwoch.
Gerade in Deutschland sei die Notwendigkeit transparenter Verfahren und strengster Sicherheitsanforderungen durch den GAU in der Asse und die politischen Manipulationen rund um die Gorlebenentscheidung deutlich geworden. Oettingers Richtlinie ignoriere diese Erfahrungen.
Harms: "Das ist ein Grund mehr an diesem Wochenende ins Wendland zu fahren, um dort gegen die Atompolitik von schwarz-gelb und gegen ein Endlager in Gorleben zu demonstrieren",
(1) Abgebrannte Brennelemente, für die die Industrie eine potentielle Weiterverwendung vorsieht, sind von der Richtlinie nicht erfasst. Atomexporte nach Russland zur Wiederaufarbeitung werden also auch in Zukunft möglich sein. Auch Abfälle, die durch Uranabbau entstehen und Atommüll aus der militärischen Nutzung sind von der Richtlinie ausgeschlossen .
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