Timo Vogt gehört als Fotograf schon länger zum Team von wendland-net. Schon seit Jahren beschäftigt er sich intensiv mit der Kaukasus-Region, lange Reisen hat er nach Georgien, Ossetien, Abchasien unternommen, viele Freunde dort gewonnen. Zwei von ihnen, der Fotograf Alexander Klimchuk und der Journalist Giga Chikhladze, sind jetzt auf einer Reportagefahrt durch Südossetien erschossen worden.
wnet: Timo, du warst länger in Georgien. Wie schätzt du die Situation dort ein?
Timo Vogt: Was da passiert, ist eine Katastrophe. Das Problematische daran ist, dass man sich sehenden Auges hinein gestürzt hat. In diesem Konflikt da unten haben alle Seiten eine große Verantwortung für den Krieg, der jetzt ausgebrochen ist. Für mich war seit mindestens zwei Jahren nicht mehr die Frage, ob ein Krieg ausbricht, sondern wann. Attentate häuften sich, die Spannungen zwischen Georgiern und Osseten haben kontinuierlich zugenommen. Von georgischer Seite wurde immer weiter provoziert. Dadurch kam eine neue Eskalationsstufe in die Konflikte.
Aber auch Russland hat eine Verantwortung. Seit dem Krieg 1992 hat Russland eine gemischt-ethnische Friedenstruppe in Südossetien stehen, deren Auftrag es eigentlich war und ist, für Entspannung in der Region zu sorgen. Dieser Rolle ist die russische Armee aber nie gerecht geworden. Wie auch: Russland ist ganz klar parteiisch für die Unabhängigkeitssbestrebungen von Ossetien und Abchasien eingetreten.
wnet: Worum geht es bei den Spannungen?
Timo Vogt: Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden die Grenzen zwischen den ethnischen Gruppen wieder interessant. Willkürliche Grenzziehungen, teils noch aus der Stalinzeit, sorgen heute noch für Unklarheit und Streitigkeiten. Südosseten zum Beispiel leben teils diesseits der Berge, im neuen unabhängigen Ossetien, andere Osseten leben jenseits der Berge und gehören zu Russland.
Ähnliche Probleme gibt es in Abchasien. Als dann die Südosseten ihre Unabhängigkeit erklärt haben, sind die Abchasen nachgezogen. Da begannen schon die Fehler, alle haben auf ihren althergebrachten Rechten beharrt, es wurde alles sturer und angespannter. Bis letztendlich die Waffen gesprochen haben.
Auf der anderen Seite wurden die Konflikte durch Russland weiter geschürt, damit sie ihren Machteinfluss nicht verlieren, denn die Kaukasus-Region ist geopolitisch wichtig – nicht nur wegen der zahlreichen Öl- und Gaspipelines, die durch Georgien führen. Hinter der Parteinahme Russlands steckte wohl auch das Kalkül, dass, wenn man die kleinen Länder unterstütze, der Einfluss aufrechterhalten werden könne. Natürlich geht es auch um Öl und Gas. Mit der Aktion sollte auch den Amerikaner klar gemacht werden, dass sie in der Region nichts verloren haben.
Jetzt hat Russland Oberwasser bekommen. Das lässt aber für die ganze Region in den nächsten Jahren nichts Gutes hoffen. Auch wenn Osseten und Abchasen derzeit meinen, dass die Russen die einzigen sind, die sich für ihre Interessen einsetzen. Trotzdem: Ruhe wird dort so schnell nicht einkehren. Der Waffenstillstand ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Auch hier gibt es wieder mehrere Verantwortungen: Einerseits unterbinden die Russen das Plündern und Marodieren ihrer Truppen nicht. Andererseits rächen sich Osseten an den Georgiern durch Abbrennen der verlassenen georgischen Dörfer auf ihrem Gebiet. Darauf wird wieder Rache folgen – dann von georgischer Seite. Das wird so lange weitergehen, bis die letzten „anders“ethnischen Volksgruppen aus dem Land verschwunden sind – wie in Abchasien: das Land ist inzwischen georgierfrei.
Auch hat der georgische Präsident Michail Saakashwili krasse Fehleinschätzungen zu verantworten. Er hat darauf spekuliert, daß sein Duzfreund George W. Bush ihm mit amerikanischen Truppen zu Hilfe eilt, wenn es in den Konflikt mit Ossetien geht. Vor diesem Irrtum ist er von vielen Seiten lange vorher gewarnt worden. Niemand hat geglaubt, daß die USA das Risiko eingehen würden, sich womöglich direkt mit Russland anzulegen – so ist es denn ja auch gekommen.
wnet: Timo, was bedeutet dieser Krieg für Dich persönlich?
Ich habe auf allen Seiten Freunde, Bekannte und Kollegen, von denen ich weiß, dass sie in den Krieg involviert sind. Das ist schlimm. Aber besonders traurig ist natürlich, dass zwei gute Freunde von mir, mit denen ich zusammengearbeitet habe – wir waren gerade dabei, gemeinsam eine kaukasische Fotoagentur aufzubauen – ums Leben gekommen sind. Soviel bis jetzt klar ist, waren die beiden mit einem Amerikaner und einem weiteren Georgier auf Recherchefahrt, als sie erschossen wurden, anscheinend von Osseten. Die beiden anderen haben den Überfall überlebt. Viel mehr wissen wir allerdings zur Zeit noch nicht.
wnet: Womit bist du gerade beschäftigt?
Die Leichen meiner Freunde liegen im Moment noch im Leichenraum des Krankenhauses in Tskhinvali/Ossetien. Bei Temperaturen an die 30 Grad steht zu befürchten, dass sie als Georgier demnächst in einem Massengrab verschwinden. Also sind wir mit Freunden aus aller Welt gerade dabei, die Rückführung der beiden nach Georgien zu organisieren.
Das ist ein Riesenproblem, da georgische Tote auf ossetischem Gebiet niemanden interessieren. Deswegen sind auch zwei russische Kollegen unterwegs, um die notwendigen Genehmigungen einzuholen. Ob die Papiere allerdings – sofern sie denn erst einmal da sind – auf der rund 60 km langen Strecke quer durchs Frontgebiet wirklich etwas nützen, ist noch fraglich. Grosse Hilfsorganisationen, die solche Transporte sonst organisieren, sind nicht vor Ort.
Trotzdem werden wir alles versuchen, damit die beiden Zu hause beerdigt werden können.
Außerdem haben wir Spendenkonten eingerichtet, um den Familien der beiden helfen zu können. Alexander versorgte seine alten Eltern und Giga hat eine Frau und zwei kleine Kinder hinterlassen. Die stehen jetzt völlig mittellos da.
Das Gespräch führte Angelika Blank.
Hier die Spendenkonten:
Für internationale Einzahlungen via Paypal:
info@randbild.de
Subject: Support for Alexander and Giga
Europäische Einzahlungen (european admittance):
Timo Vogt
IBAN: DE25 2585 0110 0042 2276 94
BIC: NOLADE 21 UEL
Subject: Support for Alexander and Giga
Für Deutsche Kontoinhaber:
Timo Vogt
Kreissparkasse Uelzen
BLZ 258 501 10
Kto.-Nr. 4222 7694
Stichwort: Hilfe für Alexander und Giga
Foto: Timo Vogt