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Paper Moon

Eigentlich müßten wir John Wayne danken. Denn das Buch „Addie Pray“ von Joe David Brown war zwar ein Bestseller, verkaufte sich mehr als  100 000 mal und diente als Vorlage für das „Paper Moon“-Drehbuch von Alvin Sargent. Doch als dem Regisseur und Produzenten Peter Bogdanovich dieses Drehbuch angetragen wurde, legte er es ungelesen beiseite – er stand gerade unmittelbar vor der Aufnahme eines Western, für dessen Hauptrolle John Wayne vorgesehen war. Doch Wayne lehnte ab, und weil das Buch eigens auf ihn zugeschrieben war, war dieses Filmprojekt erst mal vom Tisch. Bogdanovich hatte ungewollt Zeit und näherte sich – eher aus der Not geboren – der Geschichte von Addie Pray.

Bei der Auswahl der Hauptakteure stützte er sich auf eine erprobte Crew. Sowohl Ryan O’Neal wie auch Madeline Kahn, John Hillerman und Randy Quaid hatten bereits in „Is’ was, Doc?“ und „Last Picture Show“ erfolgreich mit ihm gearbeitet. Einzig Tatum O’Neal, Tochter von Ryan, stieß als Neuling zum Ensemble – und heimste für diese erste Filmrolle gleich einen Oscar ein; als Zehnjährige, was sie zur jüngsten Preisträgerin aller Zeiten machte.

Zum Film. Es ist das Jahr 1935, die Weltwirtschaftskrise noch nicht bewältigt. Ryan O’Neal ist der Hochstapler Moses Pray, der auf dem Weg nach Missouri durch den mittleren Westen der USA tourt und frisch gebackenen Witwen Bibeln aufschwatzt, indem er sie umgarnt, ihr gerade verstorbener Gatte hätte diese Bibel (in teurer Luxusausführung, versteht sich) eigens für sie bestellt – wenn auch noch nicht bezahlt.

An Addie Loggins (Tatum O’Neal) gerät Pray etwa so, wie einem in Spanien ein Hund zuläuft. Auf dem Begräbnis ihrer Mutter – offensichtlich eine Verflossene Prays – nötigen Pfarrer und Nachbarn ihm das neunjährige Waisenkind auf. Schließlich fahre er nach Missouri und dort wohne auch die einzige noch lebende Verwandte von Addie, Tante Billy. Es ist der Beginn einer widerspenstigen Liebe zwischen dem ständig Zigaretten rauchenden und Radio hörenden Kind und Moses. Doch Addie hat es faustdick hinter den Öhrchen und gewinnt Moses’ Herz im Flug – auch wenn der es erst noch nicht merkt. Wobei er schon beeindruckt ist, wie das kleine Mädchen sein umfangreiches Trick-Repertoire nicht nur nicht abstoßend findet, sondern – im Gegenteil – noch um einiges bereichert.



Dann aber lernt Moses die Jahrmarkttänzerin Trixi Delight (Madeline Kahn) kennen und macht ihr mächtig den Hof. Er lädt sie und ihre Zofe Imogene ein, ein Stück des Weges mit ihnen im Auto zu reisen. Das paßt Addie gar nicht. Sie schmiedet bald einen Plan, wie sie die lästige Nebenbuhlerin elegant loswerden könnte. Dabei erweist sich Imogene als willige Helferin.
Um ein Gefühl für die 30er Jahre zu entwickeln, hörte sich Bogdanovich in die Musik jener Zeit ein. Dabei stieß er auf „It’s only a Paper Moon“ von Harold Arlen und Yip Harburg. Er wollte diesen Titel auch für den Film, stieß dabei aber auf heftigen Widerstand von „Paramount Pictures“, die den erfolgreichen Buchtitel „Addie Pray“ als Titel bevorzugten. Um sich abzusichern, rief Bogdanovich seinen Mentor und Freund Orson Welles an und fragte, was der von dem Titel „Paper Moon“ halte. In seiner typisch knorrigen Art riet ihm Welles: „Dieser Titel ist dermaßen gut, daß Du auf den Film verzichten kannst, solang’ Du nur den Titel veröffentlichst.“

Dagegen ohne großen Widerstand wurde entschieden, daß es ei-ne Schwarzweiß-Produktion werden sollte, da dies dem Film mehr Tiefe verleihen und den Bildern der 30er Jahre entsprechen würde. Dazu passen auch die langen Einstellungen ohne Schnitt.

Herausheben möchte ich noch zwei köstliche Auftritte von Nebendarstellern. Da ist Floyd, der am Hotelempfang seinen Dienst tut, als Moses mit Trixi dort eincheckt. Floyd, hinreißend gespielt von Burton Gilliam, gebärdet sich dermaßen schleimig als lüsterner Charmebol-zen, daß wir Zuschauende glatt vom Sofa glitschen. Für den zweiten sehenswerten Gastauftritt zeichnet Randy Quaid verantwortlich. Bereits Anfang der 70er Jahre in den USA ein Star, spielt er hier Leroy, ein degeneriertes Vollei vom Lande. Der Kurzauftritt endet in einer grotesken Rauferei mit  Moses, und würde man nicht aus dem Wendland kommen, könnte man nicht glauben, daß solch bizarre Gestalten wie Leroy tatsächlich existieren.

Es sind ohnehin die kleinen Dinge, die den Film so außergewöhnlich und liebenswert machen; Gesten, Worte und ein leiser, oftmals nur mimisch angedeuteter Humor, der nie aufgesetzt ist. Und er lebt von den beiden O’Neals – ein Vater, den jeder gern hätte, und eine Tochter, die man am liebsten vom Fleck weg adoptieren würde. Co-Produzent Frank Marshall beschrieb den Film so: „Er berührt, ohne sentimental zu sein, ist lustig, aber ohne Slapstick“. Bogdanovich selbst sagt: „Der Film kommt beim Publikum noch an, weil nichts daran veralten kann. Er war schon veraltet, wie ein vorgewaschenes Hemd“. Und was gibt es Angenehmeres?

Die hier in zero besprochenen DVD werden ab sofort im selben Monat im Clubkino des Clenzer „Culturladens“ gezeigt. Und „Paper Moon“ läuft am 9. April um 20 Uhr.


2008-04-01 ; von René Schüttler (autor),

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