Thema: stones

Pinkelstreit im Stones-Museum wird zum Medienhype

Rote Pissoirs, geformt wie ein Frauenmund, sorgten in Lüchow-Dannenberg schon vor Monaten für Ärger. "Ist dieser Pipi-Kram frauenfeindlich?" fragte nun dieser Tage bild.de - und löste damit einen regelrechten Medienhype aus.

NDR, Sat1, N-TV - die Fernsehsender geben sich seit dem BILD-Bericht bei Ulli Schröder die Klinke in die Hand. Alle wollen sie über den Pinkelstreit berichten. Auch "extra 3", das Satire-Magazin des NDR wird sich dem Kussklo-Krach in seiner nächsten Sendung widmen.

Chronologie des Pinkel-Krachs:

Der Gründer des "Stones-Museums", Ulli Schröder (62), ein ehemaliger Banker, hängte quietschbunte Urinale einer holländischen Designerin im Herrenklo auf, dachte an nichts Böses - bis die Lüchower Frauenbeauftragte dahinter kam. Die Urinale erinnern an das berühmte Stones-Logo: knallrote Lippen, hier natürlich ohne Zunge.

Während die FrauenrechtlerInnen der Region sich über die "sexistischen" Männertoiletten aufregten, fühlten sich andere (weibliche) Besucher des Museums aus anderen Gründen benachteiligt: auf den Frauentoiletten müssen sie sich mit "stink"normalen Klosetts zufrieden geben.

Seit 2008 investierte Ullrich Schröder ein Vermögen in den Aufbau des Stones-Museums. Im Zentrum Lüchows kaufte er einen ehemaligen Supermarkt im Fachwerkstil, baut ihn aufwendig auf eigene Kosten um. Im Oktober 2011 eröffnete der ehemalige Bausparvertreter das wildeste Museum in Norddeutschlands Provinz. Seiner riesigen Stones-Sammlung wollte er einen würdigen Rahmen verleihen. Seit 45 Jahren sammelt "Ferrari-Schröder", wie er in Lüchow genannt wird, alles, was mit der legendären Rockband zu tun hat: Konzerttickets, T-Shirts, Gemälde, Fotos, Flipper, Musikboxen, Marionetten, signierte Gitarren, (goldene) Schallplatten.

Kussmund-Klos eine "große Geschmacklosigkeit"

Für besondere Aufmerksamkeit sorgten allerdings von Anfang die Pissoirs in der Männerabteilung: In  wütenden Leserbriefen machten die KritikerInnen ihrem Ärger Luft: Hier sei "hemmungslos Steuergeld verschwendet worden" (Schröder erhielt einen 100.000-Euro-Zuschuss der Stadt), die Pissoirs seien eine "große Geschmacklosigkeit, menschenverachtend, unverhohlen frauendiskriminierend." Eine Frau hält zu Schröder: "Ein Paradiesvogel stellt im Museum keine Betschemel auf". Und Cartoonist Marunde empfahl, "einfach mal Nachsicht zu üben".

Die Lüchower Frauen-Beauftragte Marianne Jönsson-Olm machte sofort einen Termin mit Schröder, um sich das Corpus deliciti zeigen zu lassen. Ihr Urteil: "Ich mag die Stones, keine Frage. Das Museum finde ich auch super. Nur diese Urinale: bäh!"

Schröder entgegnet: "Das ist kein Männer- und kein Frauenmund, das ist Kunst. Das hat uns auch die holländische Designerin Meike van Schijndel bestätigt. Außerdem waren die Dinger schweineteuer". Die vermeintlich sexistischen Urinale hingen auch in Wien, mussten dort wieder abgebaut werden, ebenso auf verschiedenen Flughäfen - zu groß war der Protest von Frauenrechtlerinnen.

Vorschlag: Urinale ins Museum - schlichte Becken ins Klo

"Über Geschmack kann man sehr wohl streiten", meint Marianne Jönnson-Olm: "Ich finde die Dinger ziemlich daneben. Und ich wurde nicht nur von engagierten Frauenrechtlerinnen angesprochen, sondern auch von "Lieschen Müller" um die Ecke. Aber ich kann Schröder nicht zwingen, sie abzuhängen".

Auch der Vorgesetzte der Gleichstellungsbeauftragten, Samtgemeindebürgermeister und Stadtdirektor Hubert Schwedland (48), ist nicht begeistert von dem Streit. Auch er unterstützte im Stadtrat den Zuschuss von 100.000 Euro für das Museum, findet das Museum toll.

"Ich kann die Frauen verstehen, aber auch Ulli Schröder, der viel Zeit, Geld und persönliches Engagement in das Projekt investiert hat. "Letztendlich habe jeder die Entscheidungsfreiheit, das Museum zu besuchen oder nicht, so Schwedland.

Marianne Jönsson-Olms Vorschlag zur Güte: "Schröder kann doch die Urinale abhängen und ins Museum integrieren. Und weiße Pissoirs ins Klo hängen". Diese Idee begrüßt auch Hubert Schwedland.

Gelassen reagierte der ehemalige Bürgermeister Lüchows, Karl-Heinz Schultz, der den umstrittenen Zuschuss seinerzeit gegen Bürgerproteste verteidigte: "Als Werbung für unseren Tourismus ist das Museum einmalig", findet der ehemalige Polizist.

Übrigens: Seinen Ferrari (ein blauer Testarossa, Baujahr 1984) will Schröder demnächst versteigern lassen zugunsten des Stones-Museums.

Foto: Björn Vogt / Der geöffnete Kussmund mit herausgestreckter Zunge wurde 1971 das erste Mal auf der Stones-LP "Sticky Fingers" veröffentlicht - und ist seitdem ein eingetragenes Warenzeichen der Altrocker.




2012-01-27 ; von Björn Vogt / Angelika Blank (autor),

stones  

Kommentare

    Sie müssen registriert und angemeldet sein um einen Kommentar schreiben zu können