Thema: castor2010

Polizei bestätigt Drohne – Harms: „ Überwachungswahn“

Viermal ist die polizeiliche Kamera-Drohne, ein ferngesteuertes Fluggerät,  während der Castor-Tage 2010 über dem Einsatzgebiet aufgestiegen. Das hat die Polizeidirektion Lüneburg bestätigt. Jenes Vorgehen hat sowohl auf der politischen Ebene als auch in den Reihen des Castor-Widerstandes Empörung ausgelöst.

„Drehflügler“ heißt das kleine, von vier Propellern angetriebene Ding offiziell bei der Polizei. Technik-Freaks nennen es auch „Quadrokopter“. Stationiert ist die auf Steuerzahlers Kosten angeschaffte rund 47.000 Euro teure Drohne in Hannover bei der Zentralen Polizeidirektion. Ein Sprecher jener Dienststelle bestätigte am Mittwoch gegenüber wnet, dass es sich bei dem Fluggerät um ein Produkt des in Siegen ansässigen Unternehmens „Microdrones“ (www.microdrones.com) vom Typ md4-200 handelt.

„Mit Leichtigkeit die Welt entdecken“: Mit diesem Slogan wirbt die Firma für ihre Erzeugnisse. Was genau die Polizei beim Castor-Einsatz via Drohne entdeckt hat, war nicht zu erfahren. Nur so viel: Von den vier Flügen der Drohne war einer ein Test-Start, die anderen erfolgten „einsatzbezogen“.

„Im Rahmen der Gefahrenabwehr“

Sowohl im Rahmen der Gefahrenabwehr als auch zur Verfolgung strafbarer Handlungen könne der „Drehflügler“ eingesetzt werden, erklärte Gerke Stüven, Sprecherin der Polizeidirektion Lüneburg, auf Anfrage von wnet. Bestückt sei die Drohne mit einer „handelsüblichen Kamera“, aufgestiegen sei sie im Rahmen des Castor-Geschehens auf Anordnung von Verantwortlichen des jeweiligen Einsatzabschnitts.

Rebecca Harms: Das darf sich nicht wiederholen

Nach Ansicht von Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, manifestiert sich im Einsatz der Drohne während der Castor-Tage der „Überwachungswahn“ der Regierung. Mit der Bestätigung der Polizeidirektion, dass das Fluggerät eingesetzt worden war, bewahrheite sich ein lang gehegter Verdacht. Der Einsatz solcher Mittel belege erneut, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel seine Gültigkeit verloren habe. Da die Gorlebenpläne politisch nicht durchsetzbar seien, greife der Staat zu allen Mitteln, den Bürgerprotest zu kontrollieren und abzuwehren. Damit müsse Schluss sein, fordert Rebecca Harms erneut. Selbst wenn die Polizei sich bei den Räumungen der Sitzblockaden um angemessenes Vorgehen bemüht habe: „Der skandalöse Generalverdacht, unter den die Regierung die Demonstranten mit dem Drohneneinsatz stellt und der Gorlebeneinsatz insgesamt, sind für eine Demokratie unwürdig. Das darf sich kein weiteres Mal wiederholen", betont die Europa-Abgeordnete.

Auch Datenschützer haben Bedenken

Nicht nur Politiker und Gorleben-Widerstand sehen den Drohnen-Einsatz kritisch, auch Datenschützer haben Bedenken. So berichtete das Nachrichten-Magazin „Spiegel-Online“ (http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,701310,00.html) im Juni 2010 über die Polizei-Drohne: Der niedersächsische Datenschutz-Beauftragte warne bereits vor der Gefahr, dass „die Kamera direkt in Wohnungen hineinfilmt", was wiederum einen Eingriff in die Privatsphäre bedeutete. Die Polizei konterte, ihr eigener Datenschutzbeauftragter habe die im September 2008 begonnene Erprobung der md4-200 genehmigt „und auf den Bildern könne man doch auch gar keine Menschen erkennen“. Probleme könnte der Polizei laut Spiegel-Recherchen beim Einsatz des teuren Gerätes auch die Tatsache bereiten, dass die Drohne nur bei Tageslicht einsetzbar sei und auch nur dann, wenn nicht zu viel Wind blase.

Drohen Drohnen-Modelle mit Tränengas?

Die etwa 1 x 1 Meter große Drohne, die beim Castor-Einsatz gestartet wurde, hat in der Tat ihre Grenzen: Nur 500 Meter weit kann sie fliegen und nur 15 Minuten lang in der Luft bleiben – bei einer Maximalen Flughöhe von 50 Metern. Allerdings klingt es doch recht beängstigend, wenn der Leser bei der Lektüre des Spiegel-Artikels erfährt: „Wie militärisch genutzte Drohnen könnten auch zivile Flugroboter bewaffnet werden - und sei es nur mit Nebel- oder Blendgranaten, mit Tränengas und Elektroschockern. Die Rüstungsindustrie arbeitet bereits an entsprechenden Modellen.“ Für die niedersächsische Polizei allerdings, so Spiegel-Online weiter, „liegen solche Szenarien in ferner Zukunft, manch ein Beamter hält sie sogar für grundsätzlich unvorstellbar.“

Auch für Privatleute erschwinglich

Auch die Bundespolizei verfüge über Drohnen, diese seien aber beim Castor-Transport nicht eingesetzt worden, war zu erfahren. Und vielleicht in gar nicht so ferner Zukunft liegen womöglich auch Überlegungen in den Reihen des Widerstandes, sich ebenfalls eine Drohne anzuschaffen, um das Vorgehen der Polizei bei Castor-Einsätzen zu dokumentieren. Die BI oder wer auch immer brauchte dafür keine 47.000 Euro zu sammeln, denn: Eine gebrauchte, aber generalüberholte md4-200 ist zurzeit – noch bis Samstag (20. November) für 14.000 Euro bei ebay zu haben, ebenso preisgünstige, wenn auch weniger hochprofessionelle Drohnen zwischen 280 und  3.500 Euro. Und für Menschen mit geschickten Händen bieten sich Selbstbau-Sätze an. (z.B. hier)

 

Foto: http://www.microdrones.com




2010-11-17 ; von Hagen Jung (autor),

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