Thema: demokratie

Polizei-Kennzeichnung: Rat Dannenberg will Gespräch

Die Stadt Dannenberg bleibt bei ihrem Wunsch, mit Verantwortlichen der Polizei über eine Kennzeichnung von Polizeibeamten bei Castor-Einsätzen zu sprechen. Dies hat der Rat der Stadt am Dienstag mehrheitlich beschlossen.


Nur fünf Angehörige der zehnköpfigen CDU-Fraktion im 21 Mitglieder zählenden Stadtrat wollten nicht, dass Polizeipräsident Friedrich Niehörster nun erneut einen Brief in Sachen Kennzeichnung bekommt. Der Chef der Polizeidirektion Lüneburg hatte ein Gespräch mit dem Rat bereits abgelehnt, nun bittet ihn das Kommunalparlament nochmals um eine entsprechende Unterredung.

Bürger berichten von rüdem Handeln

Rückblende: Bereits im Dezember 2009 war die Kennzeichnung für Polizeibeamte Thema im Rat der Stadt Dannenberg gewesen. Bündnis 90/Die Grünen hatten beantragt, die Stadt möge führende Vertreter der Polizei aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt einladen, damit mit ihnen die Problematik erörtert werden kann. Hintergrund: Bürger hatten Kommunalpolitikern von Polizeieinsätzen berichtet, bei denen Beamte sehr rüde gegen Demonstranten vorgegangen seien. Es sei nicht möglich gewesen, diesbezüglich rechtliche Schritte oder Beschwerden einzuleiten, weil die Polizisten nicht zu identifizieren gewesen waren. Wünsche nach einer Kennzeichnung, etwa durch ein Schild mit der Dienstnummer, wurden laut. Der Rat beschloss seinerzeit, ein Schreiben mit der Bitte um ein Gespräch an die Polizeiführung zu senden, dies geschah.

Nicht mal Landeswappen am Einsatzanzug

Damals – und auch in der jüngsten Ratssitzung – schilderte der in der Sache sehr engagierte Dannenberger Bürger Helmar Süßenbach in einer Sitzungsunterbrechung , was ihm und vielen anderen Menschen bei Castor-Einsätzen als untragbar erschienen war: Teilweise seien Einsatzkräfte an ihrer Bekleidung nicht mal als Polizei gekennzeichnet gewesen, hätten nicht, wie es Vorschrift sei, ein Länderwappen an ihrem Dienstanzug getragen und auch keine Kennzeichnung am Helm. Auch die Polizisten könnten zu Schaden kommen, wenn sie nicht als offizielle Einsatzkräfte wahrgenommen würden, gab Süßenbach zu bedenken.

Linke im Landtag fordern Kennzeichnung

Mittlerweile befasste sich auch der Niedersächsische Landtag mit dem Thema. Am 18. März behandelte das Parlament einen Antrag der Fraktion Die Linke, die eine Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten beantragte. Eine solche Kennzeichnung, durch Namensschild oder Dienstnummer, diene dem Vertrauen in die Polizei, welche den Bürgern offen gegenübertreten solle und nicht länger „als anonyme Staatsmacht“. Bei Demonstrationen, so die Linke, trügen die Beamten Schutzkleidung und teilweise auch Gesichtsmasken, die eine Identifizierung unmöglich machten. „Damit sind Polizistinnen und Polizisten praktisch immun gegen Strafverfolgung“, hob die Fraktion hervor.

CDU: „Das Private muss geschützt werden“

Deutliche Ablehnung erfuhr der Antrag der Linken im Landtag durch die CDU. Ihr Fraktionssprecher Jan Ahlers erklärte: In Zeiten ansteigender Gewaltbereitschaft gegen Polizisten sei „die Preisgabe persönlicher Informationen“ das völlig falsche Signal. Das Private müsse geschützt werden. Diese Einschätzung werde von der Gewerkschaft der Polizei und der Deutschen Polizeigewerkschaft geteilt. „Eine identifizierende Markierung, wie sie die Linke fordert, würde im schlimmsten Fall das Leben von Polizeibeamten und ihren Familien gefährden“, warnte Ahlers.

Innenminister: Auch Nummern sind abzulehnen

Auch Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sprach sich gegen eine Kennzeichnung von Polizeibeamten bei Demonstrationen aus. In einer Rede zur Sache sagte er unter anderem: „In geschlossenen Einsätzen ergibt sich die Zugehörigkeit zu den Einheiten aus der Kennzeichnung des Helms. Zusätzlich ist über eine Balkenanordnung am Nackenschutz die Zugehörigkeit zum jeweiligen Einsatzzug erkennbar. Eine darüber hinaus gehende Verpflichtung zu einer persönlichen Kennzeichnung ist nicht erforderlich. Auch eine Individualisierung durch Nummerierung ist abzulehnen“.

Grüne: Staatsgewalt nicht unfehlbar

Unterstützung für ihren Antrag fanden die Linken im Landtag durch die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Deren Abgeordneter Ralf Briese betonte: Die Polizei leiste gute Arbeit, aber auch Staatsgewalt sei nicht unfehlbar, und die Bürger hätten ein Recht, zu wissen, mit wem sie es zu tun haben. Briese erinnerte daran, dass es für Polizeibeamte bereits 1849 in Preußen die Pflicht zum Tragen einer Dienst- und Abteilungsnummer gab, und bis Mitte der 90er-Jahre habe diese Pflicht auch in den neuen Bundesländern bestanden. Die Polizei in New York, so Briese, habe die Kennzeichnung 1975 eingeführt, und die Metropolitan Police in London 2004.

SPD-Abgeordnete: Linken-Antrag inakzeptabel

Auf wenig Gegenliebe stieß der Wunsch nach Kennzeichnungspflicht bei der SPD-Landtagsfraktion. Deren Abgeordnete Johanne Modder mahnte, das Thema sorge bei den Polizistinnen und Polizisten und bei deren Familien für große Unruhe. Die niedersächsische Polizei sei sehr bürgernah. Auch deshalb sei „das durch den Antrag der Linken deutlich werdende Misstrauen gegenüber unserer Polizei“ völlig inakzeptabel.

Kurt Herzog: Von vermummten Polizisten umgehauen

Als Insider, dem die Hergänge bei Demonstrationen im Wendland gut vertraut sind, betonte der Landtagsabgeordnete Kurt Herzog (Die Linke) aus Dannenberg während der Behandlung des Themas im Landesparlament, er schätze die örtliche Polizei sehr, sie sorge für Sicherheit. Aber einmal im Jahr ändere sich die Szenerie: Im Zusammenhang mit den Atommüll-Transporten seien ungefähr 10.000 bis 15.000 Polizisten im Einsatz, länderübergreifend, „mit Phantasiesymbolen ausgestattet“. Er selbst, so Herzog, sei auf seinem Grundstück, das direkt an der Castor-Transportstrecke liege, trotz Vorzeigen seines Ausweises von vermummten Polizisten, die nicht gekennzeichnet waren, umgehauen worden, „mit Schlagstockeinsatz“. Und so etwas sei in Lüchow Dannenberg „im November Gang und Gäbe“. Bei Fragen nach dem Grund polizeilichen Handels in Demo-Einsätzen, berichtete Kurz Herzog weiter, komme es vor, dass ein Beamter „breitbeinig vor einem steht“ und das jeweilige Handeln mit der „Begründung“ rechtfertigt: „Weil ich es sage“. Herzog: „Da kommt kein Name, da kommt keine Nummer, da kommt gar nichts, da kommt nicht einmal sein Vorgesetzter“.

FDP: Menschen machen Fehler

Seitens der FDP-Fraktion im Landtag beschied deren Abgeordneter Jan-Christoph Oetjen dem Antrag auf Polizei-Kennzeichnung, dieser zeige, dass die Linke „ein relativ merkwürdiges Verhältnis zur Rolle der Polizei in unserem Staat“ habe. Natürlich machen Menschen auch Fehler, räumte Oetjen mit Blick auf die Polizeieinsätze ein und sagte: „Gerade in Extremsituationen machen Menschen Fehler“. Das sei doch auch normal. Deshalb müssten solche Fälle aufgeklärt werde, es müsse ermittelt werden „wer so etwas getan hat“. „Wie denn?“ rief irgendjemand aus der SPD-Landtagsfraktion – so belegt es das Sitzungsprotokoll aus Hannover.

Rat Dannenberg: Code an der Uniform denkbar

Ja, wie denn? Mit dieser Frage könnten sich Ratsmitglieder und kompetente Vertreter der Polizei gewiss in dem gewünschten Gespräch auseinandersetzen. In dem Brief, dessen Inhalt der Rat am Dienstag während der Sitzung im Restaurant „Landdrostei“ in Tramm zustimmte, schreibt die Stadt nun an Polizeipräsident Niehörster, man habe es mit Bedauern zur Kenntnis genommen, dass er sich nicht zu einem Dialog mit den Kommunalpolitikern bereit erklärt habe. Der Rat weist den Präsidenten ausdrücklich darauf hin, dass es nicht um Namensschilder gehe, „da die Persönlichkeitssphäre des einzelnen Polizeibeamten selbstverständlich gewahrt bleiben muss“. Aber durch eine Kennzeichnung, zum Beispiel durch einen Code, wäre eine Zuordnung möglich. Der Rat der Stadt, so heißt es im Brief, sehe eine derartige Kennzeichnung als vertrauensbildende Maßnahme bei den Castor-Transporten und bitte daher nochmals um das gewünschte Gespräch.

Auf Landtagsebene: Antrag nun im Fachausschuss

Auch im Landtag ist die Sache nicht ad acta gelegt worden: Nach der Debatte am 18. März wurde der Antrag der Linken zur weiteren Behandlung in den Fachausschuss für Inneres überwiesen.

 

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Foto: Timo Vogt/randbild.de




2010-04-28 ; von Hagen Jung (autor),

demokratie  

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