Schon früh hat Prof. Dr. Klaus Duphorn die Eignung von Salzstöcken für die Einlagerung von Wärme entwickelnden Müll angezweifelt. Schon als Gutachter für die niedersächsische Landesreigerung hat er aus seiner Kritik nie einen Hehl gemacht. Am Rande der Vorstellung der neuen Expertise von Ulrich Schneider konnten wir mit Professor Duphorn ein Interview führen.
Wnet: Man hat sich in Deutschland ja frühzeitig auf die Einlagerung in Salzgestein festgelegt, ohne andere Gesteinsformationen überhaupt nur in Betracht zu ziehen. Wie kam es dazu?
Prof. Duphorn: Die Entscheidung fiel bereits 1963 in der damaligen Bundesanstalt für Bodenforschung, nachdem in Amerika seit 1955 die Einlagerung in Salzgestein erforscht und für erfolgversprechend erklärt worden war.
In den USA wurde dann ja auch tatsächlich in Salz eingelagert, aber dort handelte es sich nicht etwa um die Einlagerung aller hochradioaktiver Abfälle, sondern lediglich um militärische, sogenannte Alpha-Abfälle, die keine Wärme entwickeln. Das ist mit der Einlagerung von hoch radioaktiven Stoffen nicht zu vergleichen. Da gibt es große Unterschiede.
Die Amerikaner hatten damals auch die Absicht, die Einlagerung in Salz auf hoch radioaktive Abfälle auszudehnen, sie haben dann aber zunehmend aufgrund eigener Kritiken davon Abstand genommen. Doch bis dahin folgten ihnen zunächst Dänemark, Holland und auch Deutschland. In den anderen europäischen Ländern wurde die Einlagerung in Salz schon vor langer Zeit aufgegeben, nur Deutschland ist dabei geblieben.
Wnet: Wie hat man denn damals die Gefährlichkeit der nuklearen Abfälle eingeschätzt?
Prof. Duphorn: Das waren damals Überlegungen, bei denen ein großer Spielraum bestand. Man wusste ja insgesamt noch sehr wenig. Faszinierend war die Vorstellung, dass Salz plastisch reagiert. Das heißt grundsätzlich, dass sich Spalten, die durch Erwärmung entstehen, selbsttätig wieder schließen. Das galt als großer Vorzug dieser Gesteinsart. Es schien allgemein ein so bestechender Vorteil zu sein, dass man andere Gesteinsformen gar nicht erst in Betracht zog.
Aber im Laufe der Zeit kamen immer mehr Minuspunkte dazu. Zunächst einmal ist Salz nicht immer ohne Klüfte (Anmerkung: Risse im Gestein). Das zeigte sich mir eindrücklich schon während meiner Studienzeit, als ich ein Praktikum im Salzbergwerk Sondershausen in Thüringen absolvierte. Der Steiger führte mich zu einer Kluft im Steinsalz - die es nach Lehrmeinung gar nicht geben durfte. Ein Jahr zuvor hatte dort eine Gasexplosion stattgefunden, bei der 12 Bergleute getötet worden waren. Also, dieses Vorzugsphänomen der Plastizität ist nicht verallgemeinerbar. Es gibt Ausnahmen. Das hat mich doch sehr nachdenklich gemacht.
Um den Bogen zum Salzstock Gorleben zu schlagen: Auch hier - ich glaube es war 1967 - gab es eine Gasexplosion über dem Salzstock Gorleben-Rambow, auf der anderen Seite der Elbe. Ich habe nach dem Wegfall der Grenze die Stelle aufgesucht, wo das passiert war und dann bei Freunden vom Biologischen Dienst in Schwerin nachgeforscht, was damals geschehen war. Da war ebenfalls Gas, dass sich unter dem Salzstock Gorleben-Rambow – der im übrigen mit dem Salzstock Gorleben verbunden ist – im Salzstock in Klüften aufgestiegen. Als dieses Gas dann bei Tiefbohrungen auf ca. 3000 m angebort wurde, ist es explodiert. Das Bohrgestänge hat zwei Tage lang gebrannt.
Soviel zur Sicherheit des Salzstocks Gorleben von unten.
wnet: Sie bleiben also dabei: der Salzstock Gorleben ist nicht geeignet...
Prof. Duphorn: Meine Ansichten haben sich im Laufe der Zeit gestärkt. Schon bei der ersten hydrologischen Aufschlussbohrung im April 1979 bin ich dabei gewesen - gleich hinter der Gärtnerei, wo damals Rebecca Harms noch als hübscher Gärtnerlehrling gearbeitet hat. Aber diese Gasexplosion war – wie soll ich sagen - ein Urerlebnis in Bezug auf die Sicherheit von Salzstöcken. Dann sind wir mit vier Kriterien der niedersächsischen Landesregierung zur Sicherheit des Salzstocks in das Bohrprogramm eingestiegen. Nach Abschluss der Bohrkampagne stand für uns fest: drei von vier Kriterien waren nicht erfüllt. Das war mir einfach zuviel. Von Bohrung zu Bohrung wuchs meine Skepsis.
wnet: Müsste denn nach Ihrer Ansicht im Verfahren, was die Arbeit der Wissenschaflter angeht, etwas geändert werden?
Prof. Duphorn: Ja, das natürlich. An derartigen Themen, die weitreichende Konsequenzen, müssen unabhängige Wissenschaftler arbeiten – die allerdings auch den persönlichen Mumm haben müssen, sich politischer Einflußnahme zu entziehen.
Als Hochschulprofessor habe ich das Privileg, frei zu sagen, was ich denke, ohne gemaßregelt oder aus dem Verkehr gezogen zu werden. Das ist wirklich ein Privileg, was ich übrigens zur Entlastung der meisten anderen Kollegen, die in und an Gorleben gearbeitet haben, hier einmal betonen möchte: die meisten derjenigen, die im Laufe der Jahre an dem Thema gearbeitet haben, waren weisungsgebunden. Sie waren Angestellte von Ministerien oder Behörden, die sich nicht gegen ihre Dienstherren stellen konnten. So können keine unabhängigen Gutachten entstehen.
wnet: Was waren für Sie die Hauptfehler in Sachen Gorleben?
Prof. Duphorn: Wolfram König (Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz) hat letztens – so war es in den Medien zu lesen – gesagt, dass Gorleben einen Geburtsfehler hat. Für mich hat Gorleben mehrere Geburtsfehler, wobei der Hauptfehler ist, dass man auf alternative Untersuchungen verzichtet hat. Das habe ich auch den Zuständigen in der PTB (Physikalisch-Technische-Bundesanstalt) immer gesagt. Denn: 1. ist das Prinzip der Vergleichbarkeit ein naturwissenschaftliches Grundprinzip und 2. erlangt man nie eine Akzeptanz, eine Glaubwürdigkeit bei einer Mehrheit der Bevölkerung, wenn man sich jahrelang an einen Standort klammert, und ihn auf politische Weisung hin – auch manchmal unwissenschaftlich - mit Zähnen und Klauen verteidigt. Das kann nicht gutgehen. Erst jetzt nach dreißig Jahren dämmert diese Erkenntnis auch einigen Herren in den Chefetagen der Ämter.
Prof. Dr. Klaus Duphorn war jahrelang niedersächsischer Landesgeologe, Mitglied im sogenannten „AK End“, der Sicherheitskriterien für atomare Endlager entwickelte sowie im Auftrag des Landes Niedersachsen als Gutachter zur Sicherheit des Salzstocks Gorleben tätig. Heute ist er Pensionär, spielt nach eigenen Angaben mit seinen Enkeln, hackt Holz und leistet ab und zu jungen Kollegen Schützenhilfe.
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